Der Bundestrainer räumt vor dem WM-Qualispiel gegen Schweden eine falsche Wortwahl bei Schmelzer ein. Matthäus unterstützt Löw.
Berlin/Hamburg. Joachim Löw entschied sich für die verbale Offensive. Nach dem Videostudium seiner am Donnerstag getätigten kritischen Aussagen über den Dortmunder Marcel Schmelzer hatte der Bundestrainer das dringende Bedürfnis, sich öffentlich zu korrigieren. "Ich habe mich sehr unglücklich ausgedrückt. Das hat in der Wortwahl nicht gepasst. Das war nicht mein Ansinnen", entschuldigte sich der 52-Jährige. "Das hab ich Marcel Schmelzer auch mitgeteilt."
Er müsse Schmelzer als linken Außenverteidiger aufstellen, obwohl dessen Fähigkeiten kein internationales Niveau besäßen und weil er keinen anderen habe, hatte Löw in Dublin gesagt und damit reichlich Wirbel ausgelöst. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte das Verhalten von Löw gerügt. "Wer mich kennt, weiß, dass ich Spieler nicht in der Öffentlichkeit so kritisiere", sagte Löw. Er vertraue dem 24 Jahre jungen Schmelzer, der heute gegen Schweden (20.45 Uhr/ARD live und im Liveticker bei abendblatt.de) sein zehntes Länderspiel auf der deutschen Problemposition absolvieren wird.
Zuletzt hatte Löws Image, der über viele Jahre als kompetenter Fußballlehrer und Sympathieträger unantastbar schien, spürbar gelitten. Vom allseits beliebten Bundes-Jogi hin zum Stress-Jogi entwickelte er sich, nachdem sich seine Pläne beim EM-Halbfinale gegen Italien als falsch entpuppt hatten.
Nach auskurierter Erkältung gab sich Löw jetzt kämpferisch. "Wir bleiben unserer großen Linie treu", kündigte er nach den jüngsten Angriffen von außen an. Auch er selbst werde sich treu bleiben: "Ich habe mich definitiv nicht verändert. Meine Motivation ist ungebrochen, wir schauen nach vorne. Es gibt keinen Grund, verzweifelt zu sein." Vielmehr ginge es ihm ausschließlich darum, "dass wir gegen die Schweden gewinnen. Das wäre ein guter Abschluss des Pflichtspieljahres."
Zwar steht nach dem Schweden-Spiel am 14. November noch das Prestige-Duell in Amsterdam gegen die Niederlande an, doch ein vierter Erfolg im vierten WM-Qualifikationsspiel würde Löw Ruhe verschaffen vor der zweieinhalbmonatigen Winterpause. Erst am 2. Februar 2013 steht das nächste Länderspiel in Paris gegen Frankreich an.
Unerwartete Schützenhilfe erhielt der Bundestrainer von Lothar Matthäus. "Jeder Trainer hat sein eigenes Konzept und seinen eigenen Führungsstil", sagte der Rekord-Nationalspieler (150 Einsätze), "Wir sollten alle nicht immer mit dem Finger auf jemanden zeigen und ihm sagen, was er zu tun und zu lassen hat." Der Weltmeister von 1990 weiter: "Vor drei Wochen habe ich auf dem Trikot der Bundesligisten einen schönen Slogan gesehen: Geh deinen Weg. Also sollten wir doch jeden seinen Weg gehen lassen, ohne uns einzumischen." Auch sein früherer Mitspieler Olaf Thon meinte: "Ein Bundestrainer muss auch mal Tacheles reden."
Gegen den schärfsten Gruppengegner wird Löw bis auf eine Ausnahme dieselbe Elf wie in Irland auf den Platz schicken. Da Sami Khedira seine Muskelverhärtung im linken Oberschenkel noch immer nicht auskuriert hat, wird der Profi von Real Madrid wohl durch Toni Kroos ersetzt. So erfüllt sich für den Münchner auf elegante Art und Weise dessen öffentliche Forderung nach einem Startplatz.
Löw nahm das Maulen von Kroos zum Anlass, den internen Wettstreit um die elf Plätze zu loben. "Es ist extrem wichtig, dass es einen internen Konkurrenzkampf gibt. Sicher ist es für die Spieler schwierig, die erst einmal auf der Bank sitzen. Aber wichtig ist, dass sie, wenn sie reinkommen, auch wichtige Impulse geben", sagte er. Die Impulsgebung hatte Kroos tatsächlich gegen die Iren in idealer Weise bestätigt, als ihm mit zwei Toren erstmals ein Doppelpack in der Nationalelf glückte.
Löw sprach noch einmal den Auftritt seines Personals in Dublin nach den schwächeren Vorstellungen im August und September an. "Der Abwehrverband hat mir sehr gut gefallen. Im Mittelfeld hatten wir mit der Rückkehr von Schweinsteiger eine sehr gute Organisation", sagte Löw, der vor den Schweden und speziell vor Zlatan Ibrahimovic großen Respekt hat. "Sie haben eine höhere Durchschlagskraft im Angriff als Irland. Ihr Offensivspiel ist natürlich sehr stark auf Ibrahimovic fokussiert."
Die Glamourfigur des "Drei-Kronen-Teams" sei "völlig unberechenbar" und finde als "Schlüsselspieler" meist auch "in schwierigen Situationen Lösungen". Doch wie bei der WM 2006 sollen die Skandinavier chancenlos bleiben. Im Achtelfinale wurden sie nach zwei Podolski-Toren 2:0 geschlagen. Das gleiche Resultat heute Abend, und der "Stress-Jogi" könnte sich deutlich entspannen.
Mit Material von sid und dapd