DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke macht Hamburgs Torhüter große Hoffnungen auf ein baldiges Comeback in der deutschen Nationalmannschaft.
Frankfurt am Main. Im Café der Villa Kennedy, dem Hotel der deutschen Nationalmannschaft, gab es gestern Vormittag ordentlich Trubel. An einem Tisch saß Bastian Schweinsteiger und ließ sich über eine neue Universitätsstudie informieren, an einem anderen Tisch musste Thomas Müller noch mal erklären, warum er wie ein angeknockter Boxer aussah. Mittendrin traf sich das Abendblatt mit DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke, um über HSV-Keeper René Adler zu sprechen. Köpke bestellte sich einen Kaffee und musste zunächst mal schmunzeln, als er Tischnachbar Manuel Neuer entdeckte.
Hamburger Abendblatt: Herr Köpke, es gibt kaum ein Mitglied der Nationalmannschaft, das weniger Interviews gibt als Sie. Warum?
Andreas Köpke: Das könnte den Grund haben, dass ich als Torwarttrainer zuletzt weniger gefragt war als während des brisanten Zweikampfs um die Nummer eins zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann. So einen Zweikampf gibt es nicht mehr. Manuel Neuer ist unsere Nummer eins, nur dahinter ist es einigermaßen spannend.
Einigermaßen spannend ist einigermaßen untertrieben.
Köpke: Na ja, es stimmt schon, dass wir selten zuvor so viele gute Torhüter in Deutschland hatten wie zurzeit: Marc-André ter Stegen, Ron-Robert Zieler, René Adler, Kevin Trapp, Oliver Baumann. Diese Dichte an erstklassigen Torhütern ist wohl einmalig in der Welt.
Der einzige Routinier in Ihrer Aufzählung ist Hamburgs René Adler. Sind Sie gar nicht überrascht darüber, wie schnell er nach seiner langen Verletzungspause wieder zu alter Stärke gefunden hat?
Köpke: Wirklich überrascht hat mich das nicht, weil ich René ja sehr gut kenne. Er war vor seinen ganzen Verletzungen ein überragender Torhüter, und er ist es jetzt wieder. Natürlich war er lange Zeit verletzt, aber das Torwartspiel verlernt man ja nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er Vertrauen in seinen Körper findet und die alte Sicherheit wieder hat. Beeindruckt hat mich allerdings schon, wie souverän er gleich in den ersten Bundesligaspielen für den HSV aufgetreten ist. Das hat wohl selbst den einen oder anderen Hamburger überrascht.
Wie meinen Sie das?
Köpke: René ist ja nun nicht von allen mit offenen Armen aufgenommen worden. Die Skepsis war ja schon groß, was aufgrund seiner Verletzungshistorie ja auch verständlich ist. Zudem hatte und hat der HSV ja auch noch Jaroslav Drobny. Im Nachhinein kann man aber sowohl dem HSV als auch René zu dem Transfer gratulieren.
Was macht Adler denn zu einem überdurchschnittlichen Torwart?
Köpke: René kann sich wie kaum ein Zweiter auf den Punkt genau fokussieren. Er strahlt eine innere Ruhe und Konzentration aus, ist aber gleichzeitig sehr viel lauter und bestimmter als früher. Mir ist aufgefallen, dass er in Hamburg mehr dirigiert als noch in Leverkusen. René verkörpert eigentlich genau das Torwartspiel, was wir hier bei der Nationalmannschaft sehen wollen.
Vor seiner Verletzungspause galt Adler als einer der besten Torhüter der Welt. Kann er daran noch mal anknüpfen?
Köpke: Ich halte nicht viel von diesen Superlativen, aber natürlich muss man sagen, dass er vor seinen Verletzungen eine richtig gute Phase hatte. Wenn ich nur an sein tolles Länderspiel 2009 gegen Russland denke. Da hat er unter extremer Nervenbelastung ein herausragendes Spiel gemacht. Und wenn er jetzt konstant seine Leistung beim HSV bringt und verletzungsfrei bleibt, dann wird er an dieses Niveau wieder rankommen. Er wird wieder der Alte sein.
Dann darf er sich also Hoffnungen machen, bald wieder in den Kreis der Nationalmannschaft zurückzukehren?
Köpke: Selbstverständlich. Unsere Aufgabe ist es doch, innerhalb der kommenden zwei Jahre die besten drei Torhüter für die WM 2014 in Brasilien zu finden. Und warum sollte René in der aktuellen Form keine Chance haben? Man darf nicht vergessen, dass er nur aus einem einzigen Grund in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr bei uns war: Weil er verletzt war.
Heißt das, dass ein Comeback schon beim nächsten Länderspiel gegen die Niederlande realistisch ist?
Köpke: Diese Frage kann ich heute noch nicht beantworten. Ron-Robert Zieler wird zwar gesperrt fehlen, aber wir werden dann wohl nur mit zwei statt mit drei Torhütern anreisen. Bis dahin ist ja aber noch ein wenig Zeit.
Hatten Adler und Sie schon Kontakt?
Köpke: Nein. Intensiven Kontakt suche ich immer erst dann, wenn ein Spieler auch nominiert ist. Aber während seiner Verletzungspause hatten wir selbstverständlich per Telefon losen Kontakt. Ich wollte ihn aber auch nicht ständig nerven. Aber ich freue mich sehr, dass er nun wieder auf dem besten Weg ist, der Alte zu werden. In Hamburg scheint er in guten Händen zu sein.
HSV-Sportchef Frank Arnesen hat behauptet, dass Adler und Neuer bereits wieder auf einem Level seien. Übertreibt er da ein bisschen?
Köpke: René ist auf einem richtig guten Weg, aber man muss schon auch sehen, dass Manuel seit Jahren konstant auf sehr hohem Niveau spielt. In der Spitze ist es eben entscheidend, dass man nicht ein-, zwei-, drei- oder viermal richtig gut hält, sondern über einen langen Zeitraum. Aber das Schöne ist, dass Manuel und René schon immer ein sehr kollegiales Verhältnis hatten. Und René bringt ja auch die nötige Geduld mit. Stress wird es da keinen geben.