Drei Hamburger bewerben sich für den Platz von Holger Badstuber. Im Angriff wird voraussichtlich Cacau für Miroslav Klose stürmen.
Erasmia. Im Nachhinein war es wie ein Zeichen. Als Cacau am 29. Mai 2009 in Shanghai gegen China sein Länderspiel-Debüt gab, musste für ihn Mario Gomez vom Platz. Jener Mario Gomez, dem der gebürtige Brasilianer während der gemeinsamen Zeit beim VfB Stuttgart als Zuarbeiter zu so vielen Toren verhalf, dass dem FC Bayern München die Verpflichtung des Torjägers 35 Millionen Euro wert war.
Ein gutes Jahr später ist alles anders. Nach der Gelb-Roten Karte von Miroslav Klose im Serbien-Spiel ist Joachim Löw gezwungen, seinen Angriff neu zu besetzen. Was der Bundestrainer dringender als alles andere braucht, sind Tore. Gewinnt Serbien sein letztes Gruppenspiel gegen Australien, benötigt die DFB-Auswahl einen Sieg für den Einzug ins Achtelfinale.
Derzeit läuft alles auf Cacau hinaus. Der 29-Jährige präsentierte sich in den jüngsten Spielen wesentlich formstärker als Gomez, der nur noch ein Schatten von früher ist. "Von allen Einwechselspielern hat mich Mario Gomez am meisten enttäuscht. Er ist am weitesten weg von einem Platz im Sturm", kritisierte Günter Netzer in der "BamS". Dabei wäre ein funktionierender Gomez mit seiner Durchsetzungskraft und den körperlichen Vorteilen gerade für die anfällige Abwehr Ghanas wie gemacht.
Gomez und auch Stefan Kießling, der immerhin mit der Empfehlung seiner 21 Bundesliga-Tore zur Nationalmannschaft anreiste, haben nur dann eine Chance, wenn Löw Cacaus vorhandene Joker-Qualitäten in der Hinterhand behalten möchte.
Zwei weitere Varianten kämen für Löw theoretisch infrage: Er könnte Lukas Podolski, der gegen Serbien zwar vor dem Tor versagte, aber insgesamt ein Aktivposten war, ins Sturmzentrum beordern. Allerdings wäre Podolski dann seiner Stärke, mit viel Tempo aus dem Raum auf die Defensive zu treffen, beraubt. Ebenso unwahrscheinlich erscheint, dass Löw sein Spielsystem auf zwei Stürmer, zum Beispiel Gomez und Cacau, umstellt und zu dem früher favorisierten 4-4-2-System zurückkehrt.
Mindestens genauso spannend wird sein, ob Löw in der Abwehr Konsequenzen aus dem Serbien-Spiel zieht. Nachdem der im DFB-Trikot noch unerfahrene Holger Badstuber mehrfach schlecht gegen Milos Krasic ausgesehen hatte und auch das 0:1 über seine Seite fiel, verteidigten sowohl Löw als auch Kapitän Philipp Lahm den 21-jährigen Bayern-Profi. "Badstuber hat den einen oder anderen Fehler gemacht, aber er alleine war nicht schuld an dem Gegentor. Das war eine Kettenreaktion", sagte Lahm. Löw wiederum bat die Medien darum, "vorsichtig" mit Badstuber umzugehen, und prophezeite dem Linksfuß eine große internationale Zukunft: "Er ist eines der größten Talente und wird für Deutschland in den nächsten Jahren sehr wichtig sein. Von dieser Güte haben wir nicht so viele Spieler."
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Dennoch wird Löw in den kommenden Tagen ganz genau beobachten, ob er das Risiko eingehen kann, den gelernten Innenverteidiger noch einmal auf die linke Abwehrseite zu beordern. Eine erneute Nominierung Badstubers gilt jedoch als wahrscheinlich. Als Ersatz böte sich vor allem Jerome Boateng an, der schon häufiger beim HSV links verteidigte und beim letzten Auswärtsspiel gegen Bayern München gegen Arjen Robben eine starke Leistung ablieferte. Aber auch Marcell Jansen, den Löw trotz dessen noch nicht auskurierter Verletzung unbedingt im Kader dabeihaben wollte, wäre eine weitere offensive Variante, Dennis Aogo die defensiv orientierte Option.
Dass alle drei Spieler während des Turniers noch keine Einsatzminuten erhielten, ist dabei ein Nachteil, der aber nicht entscheidend ist. Schließlich bewies Löw seinen Mut bei seinen Aufstellungen schon häufiger, zum Beispiel als er Boateng im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel in Russland zu seinem Länderspiel-Debüt kommen ließ.
Viel Kopfarbeit für Löw. Die Spieler dagegen sollten selbigen freibekommen. Einige Nationalspieler besuchten am Sonnabend ihre angereisten Frauen oder Freundinnen in Pretoria und gingen - unter Sicherheitsschutz - in Privatkleidung in einem Restaurant essen. Bis 23.30 Uhr war Ausgang.
Noch nicht alle Nationalspieler nutzten die Freizeit außerhalb der Hotelmauern. Piotr Trochowski, dessen Freundin Melanie erst nach dem Erreichen des Achtelfinales nachreisen will, schaute sich mit einigen Kollegen im Hotelkino den Actionfilm "Payback" mit Mel Gibson an. Nach dem Mittwoch hat auch der Kapitän a. D., Michael Ballack, sein Kommen angekündigt. Die Zuversicht und Gelassenheit rund um das deutsche Team scheinen ungebrochen. Gefahr, so scheint es, droht nur vom Ufer des nahe gelegenen Hennops Rivers, wie DFB-Manager Oliver Bierhoff vermeldete: "Dort liegen Leguane, die durch Schwanzschläge Knochen brechen können."