Formel-1-Weltmeister sammelt durch Sieg in Yeongam 75 Punkte in drei Rennen und übernimmt Gesamtführung von Fernando Alonso.
Yeongam. Adrian Newey schützte sich mit einer Taucherbrille. Der geniale britische Designer, Konstrukteur des derzeit besten Formel-1-Rennwagens, wurde auf dem Siegerpodest in Yeongam zur Zielscheibe von Weltmeister Sebastian Vettel. Der Sieger des Großen Preises von Südkorea spritzte den Sieger-Champagner dem Technik-Guru des Red-Bull-Teams auf die hohe Stirn. Vettel hatte allen Grund zur Ausgelassenheit. Mit seinem überlegenen Triumph auf der Piste im Korean Auto Valley, dem dritten Rennerfolg hintereinander, hat der Titelverteidiger zum ersten Mal seit dem 13. Mai die Führung in der Weltmeisterschaft erobert. "Das ist einfach nur fantastisch", sagte er. "Das war ein wirklich tolles Rennen, es lief perfekt für uns."
Und bei noch vier ausstehenden Rennen in Indien, Abu Dhabi, den USA und Brasilien spricht alles dafür, dass der 25 Jahre alte Deutsche am Ende der Saison zum jüngsten Dreifach-Weltmeister der Geschichte werden kann, zum erst dritten Piloten in 63 Jahren Formel 1, der dreimal in Folge die Krone des Rennsports gewinnt (nach Juan Manuel Fangio und Michael Schumacher). Sechs Punkte liegt er nun vor dem spanischen Ferrari-Piloten Fernando Alonso. Ein Vorsprung, der schnell dahin sein kann - wonach es aber derzeit nicht aussieht. Der Red Bull RB8 ist das Auto der Stunde. Und Vettel leistet sich in der entscheidenden Phase der Saison so gut wie keine Fehler mehr. In der ersten Kurve des Rennens hatte er die Führung von seinem trainingsschnellsten Teamkollegen Mark Webber übernommen und sie die kompletten 308 Kilometer bis zur Zielflagge souverän verteidigt. "Ich hoffe, dass wir den Lauf mitnehmen können in die restlichen Rennen", blickt er voraus. "Aber Garantien gibt es nicht. Wir müssen weiter hart arbeiten, es sind noch viele Punkte zu vergeben."
Kein Wunder, dass Vettel am Abend nach dem Rennen so richtig in Partylaune war. Aus der Red-Bull-Garage dröhnten noch lange Technoklänge in die Einöde von Yeongam. "Wir werden heute noch was trinken, bevor wir zusammenpacken", sagte Vettel nach dem 25. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere. Eine erstaunliche Sammlung von Pokalen, die der Heppenheimer in gerade einmal sechs Formel-1-Jahren und 97 Rennen zusammengefahren hat. Nur der uneinholbare Michael Schumacher (91 Siege) und die Legenden Alain Prost (51), Ayrton Senna (41), Nigel Mansell (31), Fernando Alonso (30) sowie Jackie Stewart (27) liegen vor dem jungen deutschen Himmelsstürmer.
Spätestens seit dem Rennen in Japan vor einer Woche fährt Red Bull wieder in einer eigenen Liga. Wie zum Beweis sorgte Webber als Zweiter für den ersten Bullen-Doppelsieg der Saison. Alonso ist mit 209 Punkten nur noch Vettel-Jäger. "Wir müssen zufrieden sein. Red Bull ist momentan schwer zu schlagen", bekannte der Asturier, der die Siegerehrung missgelaunt und teilnahmslos über sich ergehen ließ. "Wir müssen noch einen Schritt nach vorne machen", versuchte er sein Team zu motivieren. Es klang aber mehr wie ein Pfeifen im Walde.
Nur in den letzten Runden kam noch einmal so etwas wie Spannung auf, weil der rechte Vorderreifen an Vettels Red Bull stark abbaute und die Ingenieure ihrem Fahrer immer wieder Warnmeldungen ins Cockpit funkten. "Brillant, Seb, fantastische Fahrt", lobte dann auch Teamchef Christian Horner, der die letzten Kilometer seines Spitzenfahrers neben Konstrukteur Newey am Red-Bull-Kommandostand mit zunehmender Nervosität verfolgte. "Das Schwierige war, dass ich nicht wusste, wie viel vom rechten Vorderreifen noch übrig war", berichtete Vettel, der mit einem weiteren Reifenwechsel bestenfalls Fünfter geworden wäre. "Die Kunst ist es, den Reifen am Leben zu halten."
Im Ziel bedankte sich Vettel bei jedem Einzelnen seiner jubelnden Mechaniker. "Die Jungs haben Energie und Motivation, das ist unglaublich", sagte er nach dem perfekten Asien-Trip, der mit 75 Punkten in Singapur, Japan und Südkorea die Maximalausbeute gebracht hatte. Lewis Hamilton rettete nach Reifenproblemen als Zehnter gerade noch einen Punkt. Der britische McLaren-Fahrer liegt in der Gesamtwertung nun bereits 62 Punkte hinter Vettel zurück. "Die Logik sagt, dass es das vermutlich für mich war mit der Weltmeisterschaft", schätzte Hamilton seine Titelchancen realistisch ein.
Sein künftiger Arbeitgeber Mercedes erlebte auch in Südkorea einen schwarzen Tag. Wie schon in Suzuka blieb das Werksteam ohne Punkt. Nico Rosberg wurde wieder eine Kollision in der ersten Runde zum Verhängnis, diesmal war Sauber-Pilot Kamui Kobayashi, der gleich auch noch Hamiltons Teamkollegen Jenson Button abschoss, der Übeltäter. "So macht es keinen Spaß", ärgerte sich Rosberg.
Michael Schumacher kam zwar ins Ziel, fuhr aber auf Platz 13 nur im Hinterfeld. "Es gibt Rennen, in denen einfach nichts zusammenpasst. Dies war eines dieser Rennen", klagte Schumacher, dessen Abschiedstournee eine deprimierende Serie aus Pleiten, Pech und Pannen zu werden droht.
Zweitbester Deutscher bei einem ansonsten weitgehend ereignislosen Rennen in der südkoreanischen Einöde war somit wieder Nico Hülkenberg. Der Force-India-Pilot aus Emmerich sicherte sich mit einem grandiosen Überholmanöver gegen Hamilton und Lotus-Fahrer Romain Grosjean in Runde 40 Platz sechs. "Die beiden gerieten sich in die Wolle, bremsten relativ früh, und ich fuhr daneben", erzählte Hülkenberg mit glänzenden Augen. "Lewis versuchte noch mich rauszudrücken, doch ich dachte: Da muss ich jetzt gegenhalten. Ein cooles Manöver." Danach habe er gejubelt, "als wenn ich einen Grand Prix gewonnen hätte".
Hülkenbergs zweitbestes Saisonergebnis war zugleich eine Bewerbung für mögliche neue Arbeitgeber. Der Force-India-Pilot gilt als Kandidat für ein Cockpit bei Sauber, soll aber auch bei Ferrari im Gespräch sein. Felipe Massa hat seine Aussichten bei den Italienern durch zwei starke Rennen - Zweiter in Japan, Vierter in Südkorea - allerdings deutlich verbessert.