Der Formel-1-Weltmeister ist nach dem Sieg beim Nachtrennen in Singapur zurück im Titelrennen. Zum tragische Helden wurde Lewis Hamilton.
Singapur. Fünf sieglose Monate sind für einen Formel-1-Weltmeister eine lange Zeit. Vielleicht war Sebastian Vettel deshalb nach seinem Triumph beim Nachtrennen um den Großen Preis von Singapur so ergriffen. Zärtlich streichelte er seinen Red-Bull-Rennwagen, dann stimmte er mit feuchten Augen die deutsche Nationalhymne an. Ein Feuerwerk über dem Nachthimmel des asiatischen Stadtstaates signalisierte dem Titelverteidiger: Er ist zurück im Rennen um die Weltmeisterschaft. Vor den sechs abschließenden Saisonrennen verkürzte Vettel den Rückstand auf den führenden Ferrari-Piloten Fernando Alonso um zehn Zähler auf 29 Punkte. Der Spanier hatte in einem turbulenten Rennen hinter dem britischen McLaren-Fahrer Jenson Button den dritten Platz belegt.
"Es hat lange gedauert, bis ich wieder ein Rennen gewinne, aber jetzt bin ich hier", sagte Vettel, der zuletzt am 22. April in Bahrain triumphiert hatte. "Es ist eines der härtesten Rennen im ganzen Jahr. Das ist ein Killer." Sein Teamchef Christian Horner gratulierte per Funk: "Du bist zurück in der WM!"
Zum tragischen Helden bei der spektakulären Flutlichtshow wurde der Engländer Lewis Hamilton. Der Trainingsschnellste hatte das Rennen komfortabel angeführt und schien auf dem Weg zum vierten Saisonsieg, als ihn kurz vor Hälfte der Renndistanz sein Getriebe im Stich ließ und er seinen McLaren neben der Piste abstellen musste. "Es war eigentlich ein ganz leichtes Rennen für mich", sagte Hamilton, der die Chance verpasste, zum schärfsten Titelrivalen für Alonso aufzurücken. Dennoch will Hamilton weiterkämpfen: "Ich werde nicht aufgeben. Es wird allerdings härter und härter." Ohne die Panne des Briten hätte Vettel an diesem Abend wohl nicht gewinnen können. Der Weltmeister hatte das Unheil des WM-Rivalen schon kommen sehen. "Ich habe zwei Runden vor dem Ausfall von Lewis gemerkt, dass er Öl verliert. Sonst wäre es sicher schwer geworden", gab Vettel zu.
Eine Schrecksekunde hatte er selbst aber noch zu überstehen, als ihm kurz vor dem Ende der ersten Safety-Car-Phase Jenson Button beim Aufwärmen der Reifen beinahe ins Heck gefahren wäre. "Seb hat immer mal wieder verlangsamt und beschleunigt, das hatte ich nicht erwartet", meinte Button. Es ging aber glimpflich aus, und am Ende hatte Vettel fast neun Sekunden Vorsprung. "Das Safety Car hat uns nicht geholfen", meinte Vettel. "Trotzdem hatten wir das Rennen am Schluss unter Kontrolle und konnten entspannt ins Ziel fahren."
Nico Rosberg hielt sich mit seinem Mercedes-Silberpfeil im Vorderfeld, konnte aber in den Kampf um die Spitze nie eingreifen und belegte am Ende den fünften Platz. Michael Schumacher produzierte im zweiten Mercedes wieder einmal Schrott. In der 39. Runde rauschte der Rekordweltmeister mit qualmenden Reifen in das Heck des Toro Rosso des Franzosen Jean-Eric Vergne. Dennoch behauptete er nach dem Rennen zunächst: "Ich habe definitiv nicht zu spät gebremst." Die Sportkommissare sahen das anders. Sie gaben Schumacher die Schuld, der beim nächsten Rennen in Japan um zehn Startplätze zurückversetzt wird.
Nico Hülkenberg kam nach einem forschen Rennen wegen eines Reifendefekts im Force India nicht über Rang 14 hinaus. Zwei Plätze davor feierte Timo Glock als Zwölfter sein bislang bestes Ergebnis im Marussia. So nah an WM-Punkten war das Team noch nie.
Weil das Safety Car zweimal ausrücken musste - vor Schumachers Crash hatte bereits der Inder Narain Karthikeyan seinen HRT an der Mauer geparkt -, wurde die vorgesehene Distanz von 61 Runden auf dem Marina Bay Street Circuit nach Erreichen der Maximalzeit von zwei Stunden auf 59 Umläufe verkürzt. Vettel fuhr zehn Kilometer weniger als geplant.