Saarbrücken/Hamburg. Das ‚One-Village-Konzept‘ des DOSB sorgt für Diskussionen. Eine Enthaltung des HSB ebenfalls. Wer nun in der Favoritenrolle ist.
Bei ihrem emotionalen Plädoyer für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland kamen Laura Ludwig (38) die Tränen. „Ich wünsche es mir so sehr für die Generation, die jetzt kommt, und die Generation danach“, sagte die Hamburger Beachvolleyball-Olympiasiegerin mit brüchiger Stimme während der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Saarbrücken. Wenige Minuten später folgten ihr die Delegierten.
Ohne Gegenstimme mit fünf Enthaltungen entschied die Versammlung, dass der DOSB für eine Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele in den „Continuous Dialogue“ mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eintreten solle – ein formaler Zwischenschritt auf dem sehr langen Weg zum Ausrichter des Weltereignisses in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 gegen starke internationale Konkurrenz. Am Ende des Prozesses entscheidet die IOC-Exekutive über den Austragungsort. Über den deutschen Bewerber will der DOSB in einem Jahr abstimmen lassen. Die Stadt/Region soll sich dann 2026 einem Referendum stellen.
Olympia-Bewerbung: Hamburgs Chancen sinken
Auch der Hamburger Sportbund (HSB) hat mit fünf Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen dem DOSB-Vorhaben zugestimmt. Die vier Enthaltungen sorgten indes für Irritationen. Die Gründe sind formaler Natur. Es geht dabei um das „One-Village-Konzept“, nur ein olympisches Dorf mit einem Mindestfassungsvermögen von 65 Prozent der Athletinnen und Athleten selbst bei mehreren Ausrichterstädten. Ob dieses „One-Village-Konzept“ mit der „Frankfurter Erklärung“, die der DOSB vor einem Jahr verabschiedete, in Einklang steht, da ist sich der HSB-Vorstandsvorsitzenden Daniel Knoblich „unentschieden“. Er habe auf der Konferenz der Landessportbünde das DOSB-Präsidium gefragt, ob das „One-Village-Konzept“ mit dem Beschluss der vergangenen Mitgliederversammlung vereinbar sei, sagte Knoblich dem Abendblatt. „Darauf wurde mir ohne Begründung mit ,Ja’ geantwortet.“ Er habe hierzu jedoch noch offene Fragen.
Das DOSB-Präsidium habe deutlich gemacht, dass es sich bewerben will, um zu gewinnen, aktuell könne beim IOC nur mit einem „One-Village-Konzept“ gewonnen werden. Das stellt Knoblich nicht in Abrede, hinterfragt jedoch, ob man im Prozess ohne Beteiligung der Mitglieder die Prämissen der Bewerbung verändern könne. „Daher habe ich mich enthalten. Darüber hinaus sinken bei einem echten ,One-Village-Konzept’ dramatisch die Chancen Hamburgs.“ Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD) wollte auf Abendblatt-Anfrage Knoblichs Enthaltung nicht kommentieren.
Hamburg und Berlin halten an Idee des olympischen Dorfs im Landkreis Prignitz fest
Hamburg hatte zuletzt bei einer gemeinsamen Olympiabewerbung mit Berlin ein olympisches Dorf im Landkreis Prignitz vorgeschlagen, der von beiden Städten etwa gleich weit entfernt sei. Diese Idee lehnt DOSB-Präsident Thomas Weikert ab. Bei einer Veranstaltung auf Einladung der Alexander-Otto-Sportstiftung am 21. November in der Handelskammer Hamburg sagte er, dieses Konzept sei dem IOC nicht vermittelbar – und ohnehin würde kein Sportler dorthin wollen.
Hamburg hält vorerst an seinen Überlegungen fest, die Stadt werde nicht nach jeder Meinungsäußerung alles infrage stellen, hieß es. Wer, was, wann beim IOC plane, sei derzeit nicht abzusehen. Sechs Bewerber und eine Bewerberin streben im Frühjahr die Nachfolge des IOC-Präsidenten Thomas Bach an. Es ergebe jetzt keinen Sinn, sieben unterschiedliche Szenarien vorzubereiten. Der Hamburger Senat arbeitet in Abstimmung mit Berlin an Plänen für Spiele in den beiden größten deutschen Städten, Berlin erstellt ein Konzept mit auch anderen Satelliten, etwa Leipzig.
München der klare deutsche Favorit als Olympia-Bewerber
Klar ist, dass Hamburg bei Olympia höchstens eine Nebenrolle spielte. Die Stadt würde nur im Zusammenhang mit dem Hauptausrichter Berlin den Zuschlag erhalten, könnte allenfalls vier Sportarten (Tennis, Triathlon, Straßenrad, Beachvolleyball) ausrichten, dazu möglicherweise Vorrundenspiele in den Mannschaftssportarten. Mindestens 65 Prozent der Wettbewerbe müssten in Berlin stattfinden, Wildwasserkanu im sächsischen Markkleeberg, die olympischen Reiterspiele wiederum sollen nach Aachen vergeben werden. Darauf drängt das deutsche IOC-Mitglied Michael Mronz, der Spiritus rector Olympischer Spiele in der Region Rhein-Ruhr (NRW).
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Klarer deutscher Favorit bleibt München. Dort sind die meisten intakten Sportstätten, und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will die Spiele unbedingt – auch als Kompensation für seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur.
Die internationale Konkurrenz 2036, 2040 und 2044 ist groß
International ist die Konkurrenz allerdings gewaltig. Indien galt lange als Favorit für 2036, die Machbarkeitsstadien des bevölkerungsreichsten Staates der Welt deuten jedoch nun eher auf eine Kandidatur für 2044 hin. Stattdessen stehen Saudi-Arabien und Katar in den Startlöchern, infrastrukturell und finanziell wären keine Hürden zu hoch. Sofern Südafrika die Herausforderung stemmen könnte, könnten erstmals Olympische Spiele nach Afrika gehen.
2040 wäre dann turnusgemäß wieder Europa an der Reihe. Neben Deutschland werden Bewerbungen von Budapest, Warschau und Istanbul erwartet. Während Polen bei der erstmaligen Bewerbung Außenseiter wäre, und Istanbul sich aus politischen Gründen mal wieder selbst ein Bein stellen könnte, verfügt Budapest über sehr gute Voraussetzungen, als ernsthafter Anwärter zu gelten.