Paris. Die Wettbewerbe in Paris sind grandios und begeistern die Bevölkerung. Aber: Das sollten sie nicht auf Kosten der Athleten. Ein Kommentar.

Der Himmel war wolkenverhangen zur Eröffnung der Olympischen Spiele. Natürlich kam es, was kommen musste, am Tag, auf den alles ausgerichtet war: Es krachte gewaltig. Nicht Blitz und Donner, sondern Raketen. Und auch nicht in Paris, sondern in Peking. Damit die spektakuläre Show nicht ins Wasser fällt, wurden die Wolken am 8. August 2008 aus 1104 Kanonen mit Silberjodid und gefrorenem Kohlendioxid beschossen, damit die flüssige Fracht bereits abregnet, weit bevor sie Peking erreichte.

Es war schon damals ein Olympia der Bilder. Und Paris ist das Louvre der größten Sportveranstaltung der Welt. Die Impressionen, die dieser Tage aus der französischen Hauptstadt entsendet werden, sind an Phänomenalität unübertrefflich. Den Organisatoren ist es auf spektakuläre Weise gelungen, die Wettbewerbe ins Stadtbild einzubinden, die Wahrzeichen einer der magischsten Städte der Welt zu Sportstätten umzufunktionieren.

Olympia in Paris entsendet spektakuläre Bilder, vergisst aber die Sportler

Beachvolleyball zu Fuße des Eiffelturms im derzeit zweifellos schönsten Stadion der Welt; Skateboard, BMX, Breakdance und 3x3-Basketball auf dem Place de la Concorde; Fechten im Grand Palais – man ist schon fast enttäuscht, wenn eine Entscheidung „nur“ in einer handelsüblichen Halle fällt, selbst wenn es dann solch ein Schmuckkästchen ist wie die funkelnagelneue Adidas-Arena am Porte de la Chapelle.

Selbst der Deutsche Olympische Sportbund will sich nicht lumpen lassen. Das Deutsche Haus, in dem Athleten, hohe Gäste, Sponsoren und hungrige Journalisten empfangen werden, ist bei diesen Spielen ins Stade Jean Bouin, ein Rugby-Stadion direkt neben dem Prinzenpark, eingebettet. Auf dem Rasen wurde eine gewaltige Fanzone für deutsche Anhänger geschaffen.

Sport ins Stadtbild einzubetten, ist eine grandiose Idee

Die Idee, Sportwettbewerbe nahbar im urbanen Raum auszutragen, ist genial. Es muss nicht einmal Olympia sein. Bereits München machte es bei den European Games 2022 vor, sorgte für eine Euphorie und Begeisterung unter den Einwohnern. Paris fühlt sich momentan an wie ein riesiges olympisches Dorf. Einwohner, die anfangs aus Sorge vor Chaos aufs Land geflüchtet waren, kommen teilweise wieder zurück, um es mitzuerleben.

Erfordert keiner weiteren Kommentierung. BMX vor dem L‘obélisque de Louxor auf dem Place de la Concorde.
Erfordert keiner weiteren Kommentierung. BMX vor dem L‘obélisque de Louxor auf dem Place de la Concorde. © Getty Images | Tim De Waele

Was bis hierhin keine Erwähnung fand: die Sportler. Bei allem Lob dieser wahrhaft fantastischen Veranstaltung darf genau das aber nicht vergessen werden. Olympia gehört in erster Linie ihnen, dieser Eindruck entsteht jedoch nicht immer. Bester Beleg ist der Triathlon.

Die Seine gleicht einer Kloake, schwimmen mussten die Triathleten dennoch in ihr

Die Schwimmstrecke musste nämlich unbedingt in der Seine ausgetragen werden, einem Fluss, gegen den manche Kloake nicht anstinken kann. Man glaubt es anno 2024 kaum, aber bis vor Kurzem gab es noch Haushalte, deren Abwässer direkt dort hineingeleitet wurden.

Eau de Toilette mal anders: Die Triathleten stürzen sich in die Seine.
Eau de Toilette mal anders: Die Triathleten stürzen sich in die Seine. © UPI | Paul Hanna

Olympia schaffte Abhilfe. Beziehungsweise versuchte das zumindest. 1,4 Milliarden Euro wurden in die Säuberung der Seine investiert. An sich eine nachhaltige wie sinnvolle Sache, von der Paris und seine Bewohner langfristig profitieren. Wer an dieser Stelle wieder egal waren: die Sportler. Denn die Wasserwerte und Bakterienbelastung waren zum avisierten Starttag immer noch zu schlecht. Zweimal wurde der Wettkampf verschoben. Am Mittwoch musste sich die Athleten trotzdem in die Fluten des Eau de Toilette stürzen. Hauptsache, die Kulisse passt ins Bild.

Bei der Eröffnungsfeier achteten die Zuschauer mehr auf die Screens als auf die Sportler

Mit Abstrichen lässt sich das auch über die Eröffnungsfeier behaupten. Nicht falsch verstehen: Was die Choreografen auf die Beine stellten, war bis auf kleinere Ausnahmen optisch Maßstäbe setzend. Man möchte das Planungskomitee von Los Angeles 2028 nicht darum beneiden, diese Show jemals toppen zu können. Wer dabei war, wird es nie vergessen.

Rupert Fabig (34) ist Sportredakteur beim Abendblatt und berichtet von den Olympischen Spielen in Paris.
Rupert Fabig (34) ist Sportredakteur beim Abendblatt und berichtet von den Olympischen Spielen in Paris. © Funke Foto Services | Marcelo Hernandez

Doch bei allen Lasershows, Tanz- und Gesangseinlagen fiel fast hinten über, dass bei der Eröffnungszeremonie primär die Athleten präsentiert werden sollten. Die schipperten in Booten – klasse Idee, die x-te – über die Seine und wurden vom Publikum bejubelt, wenn es denn eben mal nicht vom Unterhaltungsprogramm auf den Screens abgelenkt war.

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Eines wurde aus Sicht der Anwesenden übrigens auch vergessen: Raketen in die Wolken zu jagen. Mancher ging nicht trockenen Auges nach Hause, niemand trockener Klamotten.