Paris. Die große Karriere von Angelique Kerber ist beendet. Im Viertelfinale unterlag der deutsche Tennis-Star der Chinesin Qinweng Zheng.
Der Weg in ihr neues Leben führt durch eine Türe in der Ecke des Court Philippe Chatrier. Angelique Kerber geht müde, mit Tränen in den Augen, aber erhobenen Hauptes durch sie hindurch. Die Gedanken bei diesen letzten Metern ihrer Tenniskarriere? Es fällt ihr schwer, Worte zu finden, aber auch jetzt landet sie noch einmal ein Ass: „Paris und ich, wir konnten uns nie richtig anfreunden“, sagt die 36-Jährige, „aber ich denke, ich werde in Frieden gehen.“
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Die schwere Schlägertasche ist geschultert, eine kleine Pirouette noch auf dem Weg, dann winkt sie in die Menschenmasse, die in diesem Augenblick zu einem diffusen Bild verschwimmt. Glasklar ist hingegen, was die Zukunft der 36-Jährigen an diesem frühen Pariser Abend bereithält: stolz sein zu können auf ihre Laufbahn, umsorgende Mutter sein zu dürfen für die 17 Monate alte Liana, vor allem aber: glücklich zu sein. Ein ohrenbetäubender Lärm begleitet Kerber in die Katakomben. Roland Garros und die Tenniswelt sagen: Merci, Angie.
Diese terre battue im 16. Pariser Arrondissement, die dunkelrote Asche auf dem Court Philippe Chatrier, hat schon viele denkwürdige Tennisschlachten erlebt. Der Sand am Bois de Boulogne zählte nie zu den liebsten Untergründen ihres Sports. Und doch entdeckte Angelique Kerber bei diesem olympischen Tennisturnier noch einmal ihr Kämpferherz. Privatière zu werden, wollte sie in diesen Tagen ja so lange wie möglich hinausziehen. Eine Medaille bei diesem Fünf-Ringe-Spektakel, die zweite nach der silbernen 2016 in Rio, sollte es werden. Und die Kielerin war dicht dran.
Olympia: Boris Becker gratuliert Angelique Kerber zu ihrer Karriere
Doch nach dem Drei-Stunden-Drama im Viertelfinale mit dem 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (6:8) gegen die fast 15 Jahre jüngere Chinesin Qinwen Zheng, als drei Matchbälle gegen die Nummer sieben der Welt abgewehrt und jegliche Kraft aus ihrem Körper gesogen waren, endete der Traum vom Edelmetall-Coup. Trotz der Unterstützung ihrer Mutter Beata, ihres Lebensgefährten Franco Bianco, ihres Trainers Torben Beltz und ihres Managers Aljoscha Thron auf der Tribüne unter dem im Laufe des Spiels wegen des Regens geschlossenen Dachs. Trotz der vielen Fans, die sie mit ihren „Angie, Angie“-Rufen noch mal antreiben wollten. Boris Becker ließ gleich in Paris wissen: „Du kannst stolz auf deine Leistung sein! Wir werden dich sehr vermissen.“
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Es bleibt ein würdiger Abschied für Deutschlands erfolgreichste und bedeutendste Tennisspielerin seit Steffi Graf. „Ich habe mein Herz in Paris gelassen“, sagt Angelique Kerber. „Es ist vorbei, aber ich liebe es, Tennis zu spielen – und werde das immer machen.“ Drei Grand-Slam-Turniere – 14 auf der WTA-Tour insgesamt – gewann die Kielerin: die Australien Open vor und die US Open nach ihrem Olympia-Silber 2016, dazu Wimbledon, auf dem heiligen Rasen, 2018. Eine Zeit lang führte sie die Weltrangliste an, wurde in Deutschland zu einer der populärsten und meistgeschätzten Sportlerinnen. Das Comeback nach der Geburt von Liana im Februar 2023 mit anschließender Babypause dauerte letztlich nur sieben Monate. Drei Siege wie jetzt in Paris – darunter zu Beginn gegen Naomi Osaka – gelangen ihr in der Zeit nur selten.
Angelique Kerber: Mama sein statt durch die Welt tingeln
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Dem Anspruch, den sie an sich mit dem Tennisschläger in der Hand hatte, will sie nun auch in ihrer Rolle als Mutter gerecht werden: „Für mich ist einfach wichtig, dass ich bei beidem gut bin. Ich glaube auch, mein Team weiß genau, was das für mich bedeutet und ist bei jedem Punkt dabei. Und egal, was passiert, ich weiß, dass ich auf alle zählen kann.“ Vielleicht wird die kleine Liana schon bald die Befreiung ihrer Mutter spüren, die diese nach der Ankündigung ihres Karriereausklangs erleichtert hat. Mutter Angelique muss jedenfalls nicht mehr für ein Turnier hier und ein Turnier dort durch die Welt tingeln. „Ich weiß, es geht demnächst nicht mehr nach Amerika und nicht mehr in den Flieger nach Kanada. Deshalb konnte ich noch einmal alles hierlassen.“
In der sengenden Hitze von Roland Garros nutzte Kerber anfangs die vielen unnötigen Fehler ihrer Widersacherin, um im Tie-Break in Führung zu gehen. Auf ihre Vorhand die Linie entlang war Verlass, Kerber diktierte von der Grundlinie das Tempo. Nach dem Satzausgleich durch Zheng war die Deutsche im Entscheidungsdurchgang mit dem 3:1 und 6:5 dem Sieg näher. Am Ende besiegelte ein Vorhandfehler das Aus, nichts wurde es aus der Medaille. Ihre Fans schwenkten dennoch die Fahnen. „Wegen dieser Emotionen bin ich zurückgekommen“, sagte Kerber und entschwand in ihr neues Leben.
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