Winsen/Luhe. Der Brite sicherte sich bei den Porsche European Open mit einer 65er Runde den Triumph. Schneider bester Deutscher auf Rang sieben.
Es gibt sie immer wieder, diese Momente im Sport, in denen die gesamte professionelle Arbeit, das Umfeld, das Geld kurzzeitig völlig unwichtig werden. Wenn nur noch die Emotionen zählen, die persönliche Geschichte. „Meine Mutter ist vor 20 Jahren gestorben“, stammelte Profi-Golfer Marcus Armitage nach seinem Sieg bei den Porsche European Open den Tränen nahe in ein TV-Mikrofon: „Sie wäre so stolz auf mich.“
33 Jahre alt ist der Engländer aus Salford bei Manchester, seit zwölf Jahren ist er Profi, es ging oft hin und her. Die Spielberechtigung für die European Tour musste er sich sechsmal auf Qualifikationsturnieren erkämpfen, gewonnen hatte er noch nie. Bis Montag.
Winsen-Sieger Marcus Armitage spielte eine 65er Traum-Runde
Nach einer Traumrunde von 65 Schlägen auf dem Par-72-Kurs triumphierte er mit 208 Schlägen vor Thomas Detry (Belgien), Edoardo Molinari (Italien), Matthew Southgate (England) und Darius van Driel (Niederlande/alle 210). 179.600 Euro Preisgeld hatte er auch noch nie verdient.
Nach seinem finalen Putt musste Armitage noch rund eine Stunde warten, bis er als Sieger feststand. Der Engländer hatte sich mit seiner großartigen Schlussrunde von Rang elf an die Spitze gespielt. Bis zur letzten Bahn hatte sein Landsmann Matthew Southgate allerdings noch die Chance, ihn einzuholen. Und schlug dann seinen Abschlag ins Wasser. „Ein Traum ist wahr geworden“, strahlte Armitage.
Zum dritten Mal, seit das Traditionsturnier 2017 erstmals vor den Toren Hamburgs ausgetragen wurde, gewann damit ein Außenseiter mit einer Außenseitergeschichte. Auch Richard McEvoy (2018) und Jordan Smith (2017) haben erstmals in Winsen gewonnen – und danach nie wieder. „Ich hoffe, das war jetzt der Schlüssel für mehr Erfolge“, meinte Armitage, „eigentlich wollte ich die US Open nächste Woche im TV schauen – jetzt spiele ich da mit. Fantastisch.“
Viele Stars enttäuschten in Winsen
Die Underdogs können groß aufspielen auf dem längsten und wohl schwersten Kurs in Europa, seltsam. Die – zum Teil teuer eingekauften – Stars dagegen enttäuschen öfter. In diesem Jahr mussten Martin Kaymer (Mettmann), Abraham Ancer (Mexiko) und Henrik Stenson (Schweden) schon am Sonntag nach dem Cut aus Winsen abreisen. Auch die deutschen Spieler nutzten ihre Chance nicht. 18 waren im Feld am Sonnabend dabei, aber nur Marcel Schneider (7. Platz), Sebastian Heisele (29.), Maximilian Kieffer (45.) und Bernd Ritthammer (60.) erreichten die Finalrunde.
Titelverteidiger Paul Casey (44) lieferte dagegen wieder Leistung. Nach seinem Titelgewinn 2019 wurde der Engländer in diesem Jahr mit 212 Schlägen guter Sechster. Sein Vertrag mit Hauptsponsor Porsche verpflichtet allerdings auch zu besonderem Einsatz. „Wir Spieler lieben diese Herausforderungen hier“, sagte Casey über den gerne als „grünes Monster“ titulierten Nordkurs des Golfclubs Green Eagle Golf Courses, „jeder Fehlschlag wird bestraft. Der Platz ist hart, aber fair, das hat Major-Niveau.“
2000 Besucher durften jeden Tag auf den Golfplatz
Turnierdirektor Dirk Glittenberg, der mit seiner Agentur U.COM erstmals für die Ausrichtung verantwortlich war und noch bis 2024 einen Vertrag mit Porsche und der Tour hat, hörte dieses Lob natürlich gern und war nach drei Turniertagen und Wochen anstrengender Vorbereitung sehr zufrieden.
„Es war wirklich einzigartig und ist wirklich gut gelaufen. Die Rückkehr der Zuschauer hat es zu einem besonderen Event gemacht“, sagte Glittenberg, „wir haben fast alle Eintrittskarten verkauft, und unsere Garden Lounge wurde super angenommen. Man hat gemerkt, wie sehr die Leute diese Rückkehr in die Normalität herbeigesehnt haben.“
2000 Besucher durften jeden Tag auf das Gelände, wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen konnten. Zudem bestand Maskenpflicht, wenn sich die Leute an Abschlägen oder rund um Grüns drängten. Am Sonnabend und Sonntag war natürlich noch mehr los als am Finaltag, insbesondere bei der Gruppe mit Kaymer, aber auch am Montag verfolgten zahlreiche Fans das Spiel auf dem erneut erstklassig gepflegten Platz und ließen ahnen, wie großartig die Atmosphäre rund um das „Amphitheater“ am 18. Loch wird, wenn es denn mal wieder richtig voll werden darf.
Das Golf-Turnier in Winsen soll weiterwachsen
Das Turnier war als Modellprojekt auch ein Test für weitere Öffnungsmöglichkeiten bei Sport- oder Kulturveranstaltungen. „Das Gesundheitsamt aus dem Kreis Harburg war mehrmals hier“, berichtet Glittenberg, „sie waren sehr zufrieden.“ Die Verlegung um zwei Tage nach hinten und die Verkürzung auf drei Tage war angesichts der Quarantänebestimmungen für Reisende aus dem Vereinigten Königreich alternativlos. Zu viele Spieler hätten es sonst nicht geschafft, die internationale TV-Produktion wäre auch gefährdet gewesen.
„Die Veranstalter haben einen tollen Job gemacht, wie sie das alles noch organisiert haben“, lobte Champion Armitage. Das alles könnte sich herumsprechen in der Szene.
Glittenberg ist da sehr zuversichtlich, das Turnier soll weiterwachsen und sich über 2024 in Winsen etablieren: „Wir möchten gerne auf dem Juni-Termin bleiben und den Beginn der Saison in Europa mitbestimmen.“