Hamburg. Von Sonnabend bis Montag schlägt Deutschlands bester Golfprofi bei den Porsche European Open in Winsen ab.
Nach seiner Ankunft ist Martin Kaymer erst einmal um die Alster gejoggt, noch bevor er sich seiner Arbeit mit dem Golfschläger zuwandte. Er wollte die Atmosphäre aufsaugen, wieder ein Gefühl bekommen für den Norden. „Mir gefällt es hier, Hamburg ist so freundlich, ich mag auch den Akzent, da kommt so eine Lockerheit rüber“, erzählt der beste deutsche Golfprofi im Gespräch mit dem Abendblatt: „Hamburg ist eine herrliche Stadt.“
Der 36-Jährige aus dem rheinischen Mettmann hat als Sportler überwiegend gute Erinnerungen an Norddeutschland. Noch immer hält Martin Kaymer mit 63 Schlägen den Platzrekord beim Golf Club Am Hockenberg. „Das muss 2006 in meinem Rookiejahr auf der EPD-Tour gewesen sein“, sagt er. Die heißt heute ProGolf-Tour und ist eine unterklassige Serie für Profieinsteiger, die Kaymer in jenem Jahr gewann. „2006 und 2007 durfte ich als junger Spieler auch beim Players Championship of Europe in Gut Kaden spielen“, erzählt Kaymer, „ich erinnere mich gut.“
Martin Kaymer seit 2012 nicht in Hamburg aufgeschlagen
Trotzdem war er seit 2012 nicht mehr beruflich in Hamburg. An den Porsche European Open 2017 bis 2019 nahm er wegen vertraglicher Verpflichtungen nicht teil. Bei der vierten Auflage aber von Sonnabend bis Montag auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen schlägt er nun als einer der Topstars ab. „Ich möchte auch gerade in dieser Zeit die Turniere in Deutschland unterstützen“, sagt er.
Für den zweimaligen Major-Sieger ist das mit 1,2 Millionen Euro dotierte Turnier der European Tour aber vor allem für seine eigene Karriere wichtig: „Das kurzfristige Ziel ist es, mich für die British Open in zwei Monaten zu qualifizieren, und ich möchte bis Ende des Jahres wieder unter die Top 50 der Weltrangliste kommen.“ Derzeit belegt er im Ranking nur Platz 96, das ist für jemanden, der vor zehn Jahren die Nummer eins war, natürlich viel zu wenig: „Die nächsten Wochen sind deshalb sehr wichtig für mich.“
Kaymer seit 2014 kein Turnier mehr gewonnen
Kaymer ist seit über fünf Jahren auf der Suche nach seinem alten Ich – einem Spieler, der gezeigt hat, dass er zur absoluten Weltelite gehören kann. Dieses Wissen definiert auch immer die eigenen Ansprüche. Tatsächlich aber hat er seit den US Open Mitte Juni 2014 kein Turnier mehr gewonnen – nicht eines. Seit 2016 zählt er nicht mehr zu den besten 50 der Welt, Ende 2018 war er sogar auf Rang 172 abgerutscht. Kaymer ist ein sehr reflektierter Mensch, er denkt, versucht, probiert.
Er hat Trainer getauscht, an seinem Schwung gearbeitet, Caddies ersetzt. Alles um wieder auf das Gleis zu kommen, auf das er gehört. „Das Aller-wichtigste ist, dass man sich die Freude und den Grund, warum man sich entschlossen hat, Berufsgolfer zu werden, immer wieder vor Augen hält und sich hinterfragt, ob das noch so ist“, sagt er. „Die Aufs und Abs sind völlig normal. Es gibt keine Sportart oder keinen Job, wo man immer nur Spaß hat.“
Spaß und Motivation während Corona
Sich Spaß und Motivation zu erhalten, war auch gerade in der Pandemie mit all den Einschränkungen nicht leicht. Auf der European Tour reisen alle Beteiligten, vom Spieler über Caddie bis zum Tontechniker der TV-Produktion, in einer Blase. In den USA geht es mittlerweile etwas lockerer zu. „Ich versuche deshalb, nicht mehr als zwei Turniere in Europa hintereinander zu spielen“, sagt Kaymer: „Bei manchen Turnieren gibt es wirklich sieben Tage lang das gleiche Abendessen, Frühstück, Mittagessen. Wenn du dich außerdem immer nur mit einer Person treffen darfst, ist es auch schwierig. Irgendwann gehen dir dann auch die Bücher und Netflix-Serien aus.“
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Während der gesamten Woche wird sein Bruder Philipp als Caddie an seiner Seite sein. Wenigstens ein kleiner familiärer Bezug für den Familienmenschen. Überraschend war, mit welcher Offenheit Kaymer sich vor wenigen Wochen bei einem Turnier in Österreich mit seiner neuen Freundin gezeigt hat. Mit der Fitnesstrainerin Irene Scholz an der Seite wurde er Dritter, das beste Ergebnis seit Monaten.
Rückschlag bei British Masters und PGA Championship
„Leider habe ich danach beim British Masters und der PGA Championship einen kleinen Rückschlag erlitten“, sagt Kaymer mit Blick auf zwei verpasste Cuts in Folge. Um so wichtiger, dass in Winsen der Driver präzise ist und der Putter „heiß“. „Ich habe mich ganz gut vorbereitet. Jetzt versuche ich, diese Tage noch ganz gut zu nutzen, um hier einen soliden Start für die nächsten Wochen hinzulegen.“
Dass dabei bis zu 2000 Zuschauer pro Tag zugelassen sind, ist für alle Spieler und die Veranstalter eine Erleichterung. Titelverteidiger Paul Casey (England) meint, er spiele sogar besser vor Fans. Kaymer sieht das ähnlich: „Du hast auch ein bisschen mehr Adrenalin. Du spürst die positiven Effekte mehr. Es macht mehr Spaß.“
Kaymer freut sich auf Golf in Winsen
Unter anderem deswegen sieht er die Olympischen Spiele in Tokio noch skeptisch. „Die Auflagen, die wir haben, das hat wenig mit dem olympischen Gedanken zu tun“, sagt er, „der Austausch mit anderen Sportlern, dass man sich unterstützt und voneinander lernt im Team Germany, das ist total weg.“
Jetzt ist aber erst mal Hamburg, Winsen, der Porsche Nordkurs. „Ich freue mich darauf, diesen Platz kennenzulernen“, sagt Martin Kaymer, „es wird eine Herausforderung – und es ist schön, im eigenen Heimatland zu spielen.“