Hamburg. US-Runningback Xavier Johnson hat bereits einen steinigen Karriereweg hinter sich. Private Schicksalsschläge warfen ihn zurück.
Xavier Johnson stöhnt wie ein gebrechlicher Mann, als er sich am Montagnachmittag auf eine Bank am Jungfernstieg setzt. Der Muskelkater mache ihn fertig, sagt der Runningback der Hamburg Sea Devils und lacht.
Am Tag zuvor hatte Johnson, den eigentlich alle nur „X“ nennen, beim 17:15-Heimsieg gegen die Frankfurt Galaxy großen Anteil am erfolgreichen Saisonstart in der neu gegründeten American-Football-Europaliga ELF. Dass sich der 27 Jahre alte Modellathlet nach seinem ersten Spiel seit mehr als drei Jahren erst einmal erholen musste, war ihm auch angesichts von 22 Laufversuchen und starken 96 Yards Raumgewinn nachzusehen.
„Ich habe nicht erwartet, dass 1586 Fans kommen würden. Es war verrückt. Es hat sich angefühlt, als wenn Football wieder zurück wäre“, sagt Johnson, der die Offense der Sea Devils insbesondere im letzten Viertel entscheidend anführte. „Ich habe einfach nur gedacht, dass ich in die Endzone kommen muss. Ich mag es, wenn der ganze Druck auf meinen Schultern lastet“, sagt der gebürtig aus Tampa (Florida) stammende Runningback, der es eigentlich in die NFL hätte schaffen können.
2018 starb sein Sohn kurz nach der Geburt
Nachdem er innerhalb von vier Jahren an der University of South Alabama in der höchsten US-Collegeliga (NCAA Division 1) den Rushing-Rekord der Universität brach, hoffte Johnson auf einen Anruf aus der US-Eliteliga. Obwohl er in seiner letzten Collegesaison 2017 beeindruckende 24 Touchdowns erzielte, platzte der große Traum aber.
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„Es waren vor allem auch private Gründe, warum ich es nicht in die NFL geschafft habe“, sagt er. 2018 starb sein Sohn kurz nach der Geburt, Johnson sah ihn nur ein einziges Mal in einem Videotelefonat. „Es war eine sehr schwere Zeit. Ich musste aber nach vorne blicken, beten und von Tag zu Tag schauen“, erzählt Johnson. Heute sei sein Sohn der Grund für seine Motivation.
Johnson wartete bis zum Jahr 2020 vergeblich auf einen Anruf aus der NFL
„Ich arbeite so hart, als wäre er immer noch hier“, sagt er. Anstatt ins Trainingscamp eines NFL-Teams eingeladen zu werden, suchte sich Johnson einen einfachen Job. Um sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen, wie er sagt. 2018 machte er sein letztes Spiel, danach arbeitete er in der Logistik einer Eisenbahnfirma, fuhr Autos von Zügen und verlud sie auf Lkw. „Ich hatte die Karriere schon fast aufgegeben, weil ich keinen Anruf von einem NFL-Team bekommen habe. Ich habe nur noch allein trainiert und mich auf meinen Job konzentriert“, sagt er.
Obwohl ihm Freunde empfohlen hatten, es woanders mit einer Profikarriere zu versuchen, wartete Johnson bis zum Jahr 2020 vergeblich auf einen Anruf aus der NFL. Dann wagte er den Schritt nach Deutschland, unterschrieb bei Zweitligist Straubing Spiders. Die Saison in der GFL 2 fiel jedoch der einsetzenden Corona-Pandemie zum Opfer, Johnson machte kein einziges Spiel für Straubing. Am Ende war es der ebenfalls aus Florida stammende Quarterback Jadrian Clark, der ihn nach Hamburg holte.
Das nächste Spiel bestreiten die Sea Devils erst am 3. Juli. Dann reist das Team zu den Barcelona Dragons. Xavier Johnson dürfte das freuen – sein Muskelkater dürfte sich nach der Spielpause wieder gelegt haben.