Hamburg. Der Argentinier, der mittlerweile für Deutschland spielt, ist der beste Strafeckenschütze der Welt. Wie der Ausnahmespieler tickt.

Nein, sagt Mats Grambusch und blinzelt listig durch seine Brille, die er abseits des Hockeyplatzes trägt, er wisse auch nach Monaten des gemeinsamen Trainings nicht genau, wie er es mache. „Aber ich bin sehr froh, dass er es jetzt für uns macht und nicht mehr gegen uns.“ Er, das ist Gonzalo Peillat. Und es, das ist das Handwerk, das niemand besser versteht als der Mann, der seit März dieses Jahres das Trikot der deutschen Nationalmannschaft trägt. Gonzalo Peillat, geboren im August 1992 in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, gilt als der beste Strafeckenschütze der Welt.

Und dass er diese Qualität nicht mehr gegen, sondern für Deutschland einbringt – an diesem Wochenende in den Pro-League-Duellen mit den Niederlanden am Sonnabend (16.30 Uhr) und Sonntag (14.30 Uhr) auf der Anlage des Clubs an der Alster am Pfeilshof erstmals in Hamburg –, soll sich im Optimalfall in den kommenden Jahren in Medaillengewinnen auszahlen.

Weltstar Peillat ist dankbar, dass er für Deutschland spielen darf

Zunächst jedoch versuchen sie im Deutschen Hockey-Bund (DHB), den Ball flach zu halten, allen voran Peillat selbst. Mag ja sein, dass viele ihn als Weltstar betrachten. Er selbst empfindet sich als Teil einer Mannschaft, für die spielen zu dürfen ihn mit Dankbarkeit erfülle. „Als die Möglichkeit für den Wechsel kam, wollte ich zu 100 Prozent sicher sein, dass das Team mich auch wirklich dabeihaben möchte. Deutschland ist eine große Hockeynation, da ist es nicht selbstverständlich, dass sie mich aufgenommen haben“, sagt der 29-Jährige, dessen Sorgen sich jedoch schon im ersten gemeinsamen Lehrgang in Luft auflösten. „Die Jungs haben es mir sehr leicht gemacht“, sagt er.

Mats Grambusch ist Kapitän des deutschen Feldmeisters Rot-Weiß Köln, er war schon dabei, als die deutschen Hockeyherren 2013 bei der Europameisterschaft in Belgien ihren letzten großen Titel holten. Man muss den 29-Jährigen als einen der populärsten und erfolgreichsten Hockeyspieler der aktuellen Ära bezeichnen. Aber als Markus Weise, als Trainer Olympiasieger mit den deutschen Damen und Herren und nun in Hamburg Bundesstützpunktleiter, dem Abendblatt-Reporter vor dem Gespräch im Teamhotel am Stadtpark viel Spaß beim „Interview mit zwei Weltstars“ wünscht, sagt Mats Grambusch: „Nee, ein Weltstar und ein kleiner Fuzzi.“ Nicht ganz ernst gemeint natürlich. Aber das Getöse, das um Peillats Nationenwechsel gemacht wird, unterstreicht die Bedeutung der Personalie.

Peillat überwarf sich mit dem argentinischen Trainer

Ist ja auch eine verrückte Nummer, das Ganze. 2016, im Halbfinale der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro, war es der bullige Abwehrspieler, der Deutschland mit drei Strafeckentoren in der ersten Hälfte zur Strecke brachte. 5:2 siegten die Argentinier – und holten wenige Tage später sensationell Gold. Im Anschluss an das Turnier wechselte Peillat, der zuvor zwei Jahre in der niederländischen Eliteliga aktiv war, zum Mannheimer HC in die Bundesliga.

Ein Jahr später überwarf er sich mit seinem Nationaltrainer, lief zum letzten seiner 153 offiziellen Länderspiele für Argentinien auf – und war deshalb im März dieses Jahres frei, um nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft für das DHB-Team anzutreten. Tatsächlich gab es anfangs Bedenkenträger, die zwar Peillats Qualität bei den Strafecken anerkannten, aber seine weiteren Fähigkeiten als Hockeyspieler anzweifelten.

„Ich war mir auch nicht sicher, ob meine Qualitäten ausreichen würden, um es in die Mannschaft zu schaffen“, sagt er. Auf der anderen Seite muss ein Spitzenkönner wie er ja auch von den Platzhirschen im neuen Team akzeptiert werden. Niemand darf das Gefühl haben, da werde einer nur deshalb integriert, um erkannte Schwächen bei der wichtigsten Standardsituation im Hockey zu kaschieren.

André Henning, der zeitgleich mit Peillats Einbürgerung das Amt des Bundestrainers übernahm, nimmt derlei Bedenken jegliche Nahrung. „Gonzo ist hier ganz unaufdringlich und bescheiden gestartet. Er hat keinerlei Ansprüche angemeldet und sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt“, sagt er. Mats Grambusch gibt ebenfalls mit Nachdruck Entwarnung: „Innerhalb des Teams ist es überhaupt kein Thema, dass Gonzo als der große Star dargestellt wird. Er ist ein überragender Typ, seine Persönlichkeit und seine Physis sind eine Macht.“

Peillat ist von den langen Taktiksitzungen in Deutschland beeindruckt

Vor allem sei es falsch, den Scharfschützen nur auf seine Strafecke zu reduzieren. „Natürlich ist er der beste Schütze der Welt, aber wir hatten und haben in Deutschland auch sehr gute Eckenschützen. Vor allem ist Gonzo ein überragender Typ, der uns mit seinem Blick auf die Dinge weiterhilft“, sagt Grambusch. Bundestrainer Henning schätzt „seine Außensicht auf das Team und einzelne Spieler, die er genauso klar wie motivierend äußern kann. Dadurch ist er schon ein echter Gewinn für das Team, ohne einen Ball berührt zu haben.“

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Peillat mag am deutschen Hockey die Wertschätzung für das Defensivspiel und die Hingabe für taktische Ausbildung. Beeindruckt habe ihn Häufigkeit und Länge der Besprechungen. „Das gibt es in Argentinien nicht“, sagt er. Dafür würden dort die Auswahlspieler das ganze Jahr über wochentags von 8 bis 12 Uhr gemeinsam trainieren, während im dezentralisierten deutschen System nur wenige gemeinsame Wochen zur Verfügung stehen. Dass auch dieser Weg zum Erfolg führen kann, davon ist Gonzalo Peillat überzeugt.

Die WM im Januar 2023 in Indien und Olympia 2024 in Paris sind seine nächsten großen Ziele. „Das Potenzial in Deutschland ist riesig. Aber wir müssen viel arbeiten, um erfolgreich zu sein“, sagt er. Dass er dafür bereit ist, hat er oft bewiesen. Wie aber wäre es emotional, wenn es in einem großen Finale gegen sein Heimatland ginge und nicht nur in der Pro League wie Ende Mai in Berlin? „Dann will ich mit Deutschland gewinnen“, sagt er ohne Umschweife, „das ist jetzt meine Heimat.“