Hamburg. Geschäftsführer Frank Bohmann kündigt eine Verschärfung der Hygienemaßnahmen an und spricht über die Gefahr eines Saisonabbruchs.
An Themen wird es Frank Bohmann nicht mangeln, wenn sich der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) an diesem Mittwoch zum wöchentlichen Corona-Meeting mit den Clubverantwortlichen der Ersten und Zweiten Liga zusammenschaltet. Seit Freitag befinden sich insgesamt sechs Zweitligisten sowie zwei Erstligisten in Quarantäne. Auch die Spiele des HSV Hamburg (HSVH) gegen den TV Hüttenberg und den ASV Hamm-Westfalen mussten abgesagt werden, der Zweiten Liga droht ein Terminchaos.
Herr Bohmann, am Freitag mussten mit dem TV Hüttenberg und dem ThSV Eisenach erneut zwei Zweitligisten in Quarantäne. Kommen Sie mit dem Zählen überhaupt noch hinterher?
Frank Bohmann: Das wird schon schwer. Neben Elbflorenz Dresden haben wir mit Hamm jetzt auch eine Mannschaft, die in Quarantäne muss, weil sie gegen Elbflorenz gespielt hat. Das sind drastische Vorsichtsmaßnahmen der Gesundheitsbehörden, denen wir uns aber beugen müssen. Das stelle ich überhaupt nicht infrage. Aber wenn das in der Schärfe weitergeht, wird es schwer, alle Spiele der Saison zu absolvieren.
Überrascht es Sie, dass es innerhalb kurzer Zeit so viele Mannschaften trifft?
Natürlich geht das auch mit den steigenden Inzidenzzahlen und der höheren Infektiosität der aktuellen Virusvariante einher. Wir werden uns jetzt entscheiden, das Hygienekonzept noch einmal zu verschärfen. Dabei geht es vor allem um eine engere Taktung der Tests. Der Test selbst vermeidet allerdings nicht die Infektionen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in einigen Mannschaften Ermüdungserscheinungen bei der Einhaltung der Präventionsmaßnahmen gibt. Da müssen wir bei allen Beteiligten noch einmal eindringlich darauf drängen, den Pflichten nachzukommen.
In dieser Woche steht eine Länderspielpause an. In der Vergangenheit ist es danach vermehrt zu Coronafällen gekommen ist. Bereitet Ihnen das zusätzliche Sorgen?
Zunächst einmal ist es gut, dass wir jetzt angesichts der vielen Quarantänen einen Spieltag nicht austragen müssen. Da macht es seitens der Spielorganisation nicht ganz so viel aus, wenn diese Mannschaften jetzt erst mal ausfallen. Trotzdem sind die Länderspielreisen ein zusätzliches Risiko. Die Clubs bringen aber auch in ihrem Spielalltag Infektionen nach Hause. Es gibt derzeit wenig Anlass, mit dem Finger auf die Verbände zu zeigen und zu verlangen, dass sie die Länderspielreisen ohne Infektionen hinbekommen müssen.
Geben Ihnen die Fälle mitunter das Gefühl, trotz aller Maßnahmen und Tests ab einem bestimmten Punkt machtlos zu sein?
Wenn es das perfekte Vorgehen zur Vermeidung von Infektionen gäbe, würden wir es einsetzen. Ich halte trotz der Zunahme der Infektionen in der vergangenen Woche unser Vorgehen aber nach wie vor für richtig und verantwortungsvoll, weil wir uns an ein Leben mit dem Virus gewöhnen müssen und nicht ewig alles abstellen können. Trotzdem ist jeder infizierte Spieler einer zu viel.
Fußballclubs wie der HSV, der FC St. Pauli oder der VfL Wolfsburg testen bereits vor jedem Training. Ist eine tägliche Testung auch im Handball denkbar?
Tägliche Schnelltests werden von vielen Handballclubs auch bereits eingesetzt. Außerdem werden wir den PCR-Testrhythmus verstärken, weil Schnelltests nur bedingt die nötige Sicherheit von stets korrekten Ergebnissen bieten können. Da ist der PCR-Test sehr viel zuverlässiger. Momentan sind zwei PCR-Tests pro Woche verpflichtend. Ich gehe davon aus, dass wir uns an diesem Mittwoch für eine engere Taktung entscheiden werden.
Welche Taktung schwebt Ihnen da vor?
Mindestens dreimal pro Woche. Die täglichen Schnelltests könnten ein zusätzliches Mosaiksteinchen sein. Das werden wir kommenden Mittwoch mit den Clubs besprechen.
Inwiefern ist eine höhere Testfrequenz auch ein Kostenproblem für die Clubs?
Natürlich ist das auch ein Kostenproblem. Das hat aber eine untergeordnete Priorität. Die Gesundheit der Beteiligten steht klar im Vordergrund.
Manche Clubs bekommen es logistisch nicht hin, die Testergebnisse am Tag vor dem Spiel vorliegen zu haben. Warum nicht?
Bei Spielen am Wochenende stehen wir vor dem Problem, dass große Testlabore in der Regel in Metropolen verortet sind, die am Wochenende für einige Clubs kaum zeitnah erreicht werden können. Bei Vorliegen positiver Testergebnisse ist der Zeitraum zur Kontrollüberprüfung zu eng, und viele Gesundheitsämter sind bezüglich der Entscheidungsfindung, ob eine Quarantäne ausgesprochen werden muss, nicht zu erreichen.
Auch sollen die Dokumentationspflichten verschärft werden, um Infektionsketten besser nachzuvollziehen. Wieso war die Dokumentation vorher nicht ausreichend?
Die Dokumentationspflichten haben wir anfangs teilweise nicht als Verpflichtung, sondern als Empfehlung gegeben. Durch die Verschärfung wollen wir vermeiden, dass bei einem infizierten Spieler die ganze Mannschaft – und neuerdings auch noch der Gegner – für 14 Tage in Quarantäne muss. Das wäre der Fall, wenn man feststellen kann, dass der Infizierte nur zu einer kleinen Gruppe innerhalb der Mannschaft Kontakt hatte.
Wenn man das Beispiel aus Hamm betrachtet, ist das nicht wirklich gelungen, oder?
Möglicherweise, allerdings habe ich keine Kenntnis über die Entscheidungsumstände, und ich kann nicht genau sagen, woran es in dem konkreten Fall lag. Wir sehen, dass die Gesundheitsämter häufig sehr restriktiv vorgehen. Als Nicht-Mediziner will ich das auch nicht infrage stellen, sondern unseren bestmöglichen Beitrag leisten, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Trotzdem hat der Spielbetrieb nach der Gesundheit erst die zweite Priorität.
Wichtige HSV-Hamburg-Themen im Überblick
- So stellen sich Hamburgs Handballer für einen Aufstieg auf
- Johannes Bitter – die Hintergründe eines Transfercoups
- HSVH: Hamburg feiert eine Handball-Renaissance
- Alles Wichtige zum Handball-Sport-Verein Hamburg
Im Fußball hat man den Eindruck, dass meistens nur einzelne Personen, selten aber die ganze Mannschaft in Quarantäne muss.
In der 2. Fußball-Bundesliga sind jetzt auch vermehrt Teams in Quarantäne. Das spricht auch für die verschärfte Bewertung der Gesundheitsämter. Ich habe trotzdem lange Zeit das Gefühl gehabt, dass die Gesundheitsämter Outdoor-Sport wie Fußball anders behandeln als Indoor-Sport. Wir halten das Risiko beim Handball aber keinesfalls für größer. Die Mannschaften spielen in professionellen Hallen, die über Lüftungssysteme verfügen. Möglicherweise sind die Dokumentationspflichten im Fußball auch stringenter durchgesetzt worden.
Trotzdem sitzen Profifußballer auch gemeinsam im Bus und in der Kabine, nicht alles findet draußen statt. Haben Sie das Gefühl, dass der Fußball im Vergleich zum Handball priorisiert behandelt wird?
Das Gefühl konnte man mitunter haben. Trotzdem kann ich das nicht wirklich erhärten, weil ich mir die genauen Protokolle nicht angeschaut habe. Insofern will ich da nicht in irgendwelche Thekendiskussionen abgleiten. Fakt ist, dass Indoor-Sportarten häufiger von Quarantänen betroffen sind als der Fußball.
In der Zweiten Liga hat der TuS Ferndorf nach mehrfacher Quarantäne noch immer fünf Nachholspiele, viele Teams müssen in kurzer Zeit viele Spiele absolvieren. Haben Sie Sorge, dass sich die hohe Belastung auch gesundheitlich auswirken wird?
Die Belastung ist schon immer hoch gewesen. Wenn man diese Saison mit der vor zwei Jahren vergleicht, hatten die Teams zu diesem Zeitpunkt schon sehr viel mehr Spiele gespielt. Die Belastung in den kommenden zwei Monaten wird aber definitiv hoch sein. Da müssen die sportlichen Leitungen die Einsatzzeiten der einzelnen Spieler gut steuern. Trotzdem gibt es in der Zweiten Liga sehr viel mehr Raum, Nachholspiele anzusetzen, weil es keinen internationalen Wettbewerb gibt. In der Ersten Liga werden wir hingegen an Grenzen stoßen.
Fürchten Sie, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, wenn manche Mannschaften im Saisonendspurt jeden dritten Tag spielen müssen?
Gerecht ist es auf jeden Fall nicht. Auch wenn manche Mannschaften in der Ersten Liga am Ende beispielsweise nicht alle 38 Spiele absolvieren können und wir mittels Quotienten werten müssen, ist das nicht gerecht. Aber das ist der Weg, den wir vorher miteinander vereinbart haben, und die gerechteste unter den ungerechten Lösungen.
Muss die Saison in Ersten und Zweiten Liga zwingend bis Ende Juni beendet sein, oder könnte sie notgedrungen um wenige Wochen verlängert werden?
Eine Verlängerung steht nicht zur Debatte. Einerseits, weil viele Verträge am 31. Juni auslaufen. Andererseits darf man auch nicht vergessen, dass am 11. Juli der Abflug zu den Olympischen Spielen ist. Wir werden irgendwann aufhören müssen. Stand jetzt endet die Saison am Sonntag, den 27. Juni. Man könnte gegebenenfalls überlegen, bis zum 30. Juni zu verlängern. Alles, was darüber hinausgeht, halte ich für ausgeschlossen.
Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt, ab dem die Quotientenwertung greift?
Wir werden so lange und so viel wie möglich spielen, wie es zu verantworten ist. Das ist der Konsens unter allen Clubs der Ersten und Zweiten Liga. Wenn irgendwann keine Spiele mehr möglich sind, müssen wir quotal werten.
Die Fußball-Bundesligisten werden am Saisonende ein Quarantäne-Trainingslager beziehen. Ist das auch eine Option für den Handball?
Das ist keine Option, die wir konkret in Erwägung gezogen haben. Stattdessen haben wir überlegt, ein Abschlussturnier zu spielen, wo die Mannschaften in einer Quarantäneblase zusammengezogen werden. Die Idee haben wir aber verworfen, weil nur ein Infizierter einen gewaltigen Schneeballeffekt auslösen würde. Es ist aber denkbar, die Hygieneregeln noch weiter zu verschärfen, um das Risiko noch weiter zu reduzieren. Ob das ein Trainingslager wird, halten wir uns noch offen.