Rom. Svenja Müller und Cinja Tillmann spielen erst seit gut einem Jahr zusammen. Nun sind sie der Lichtblick im deutschen Beachvolleyball.
Svenja Müller und Cinja Tillmann wussten nicht wohin mit ihren Emotionen. Völlig überwältigt vom größten Erfolg ihrer Karriere sank das Hamburger Beachvolleyball-Duo erst auf die Knie, wälzte sich dann im Sand des glühend heißen Center-Courts von Rom. „Es ist unfassbar, dass wir das wirklich geschafft haben. Meine Gefühle überwältigen mich gerade“, sagte Tillmann mit zittriger Stimme.
Wenige Minuten zuvor hatte die 30-Jährige den fünften Matchball zum 2:1 (21:23, 21:18, 16:14) über das australische Spitzenteam Mariafe Artacho (28)/Taliqua Clancy (29) verwandelt. Erst seit eineinhalb Jahren trainieren Müller und Tillmann zusammen am Bundesstützpunkt in Hamburg-Dulsberg, nun stehen sie im WM-Halbfinale. Dort treffen sie am Samstag (20.00 Uhr) auf die Kanadierinnen Sophie Bukovec und Brandie Wilkerson.
Beachvolleyball-WM: Müller/Tillmann wackeln im Tiebreak
„Ich war so nervös am Ende, habe aber nicht auf den Spielstand geschaut. Wir haben einfach Punkt für Punkt gespielt, das hat gereicht“, sagte die erst 21 Jahre alte Müller, die für den Eimsbütteler TV startet. Vier Matchbälle hatte das letzte verbliebene deutsche Team der WM im Tiebreak vergeben, die australischen Silbermedaillengewinnerinnen der Olympischen Spiele von Tokio 2021 und Bronzemedaillengewinnen der WM in Hamburg 2019 hatten noch einmal ausgeglichen, neue Hoffnung geschöpft. Als die für Düsseldorf startende Tillmann den finalen Punkt zum 16:14 machte, brachen alle emotionalen Dämme.
Auf der nur spärlich gefüllten Tribüne schwitzten die deutschen Fans nicht nur wegen der Hitze – 33 Grad Celsius und die italienische Nachmittagssonne hatten die unüberdachte Arena in einen Glutofen verwandelt –, sondern auch wegen des Krimis auf dem Sand. Als es vollbracht war, feierten Müller/Tillmann mit den Anhängern eine ausgelassene Beach-Party. „Es ist die erste richtige Saison für uns auf der World Tour. Jetzt stehen wir im WM-Halbfinale. Wenn uns das vorher jemand erzählt hätte, hätten wir das nicht geglaubt“, sagte Tillmann.
Müller/Tillmann stoßen im Eiltempo in die Weltklasse vor
Tatsächlich waren Mitte des ersten Satzes berechtigte Zweifel angebracht, ob das unerfahrene Duo den Australierinnen gewachsen sein würde. Taliqua Clancy gilt mit ihren 1,84 Metern als eine der besten Blockspielerinnen der Welt, verfügt zudem über einen brettharten Aufschlag. Ihre Partnerin Mariafe Artacho als ausgemachte Schwachstelle im Team zu bezeichnen, würde der Klasse der Frauen aus Down Under nicht gerecht werden.
Nachdem Müller/Tillmann durch frühe Breaks mit 8:5 führten, sorgten eine Auszeit und ein gnadenloser 0:7-Lauf für einen 10:15-Rückstand. Insbesondere die unerfahrene Müller hatte mit Clancys Aufschlägen Probleme. „Sie haben richtig gut serviert, ich war die ganze Zeit unter Druck“, sagte die ETV-Athletin. Obwohl das deutsche Duo noch einmal ausgleichen konnte, entschied Clancy den Satz standesgemäß per Ass zum 21:23.
Müller/Tillmann waren nach dem Turniersieg in Ostrava (Tschechien) Ende Mai als Weltranglistendritte zwar keinesfalls als Außenseiterinnen in die Partie gegangen. Dass sie sich von dem Satzrückstand aber überhaupt nicht beeindrucken ließen, war angesichts ihrer erst kurzen Partnerschaft nicht unbedingt zu erwarten. „Wir sind gerade dabei, Erfahrung zu sammeln. Auch wenn wir einen Satz verlieren, fokussieren wir uns und kämpfen weiter“, sagte Tillmann, die bereits seit mehreren Jahren für ihre starke Abwehr bekannt ist. Mit ihrer neuen Partnerin Müller hat sie sich nun aber eine Athletin an ihrer Seite, mit der sie sich in einem extremen Tempo zu einem Weltklasseteam entwickelt hat.
Tillmann läuft in entscheidender Phase zu Höchstform auf
Im zweiten Satz führte das Hamburger Duo früh mit zwei Breaks (7:4), fing sich aber erneut einen 0:5-Lauf zum 8:10 ein. Nun war es Tillmann, die auch im Angriff Verantwortung übernahm. Clancy hatte zunehmend Probleme, ihr hohes Aufschlagniveau zu halten, nach einem Müller-Block nutzten die deutschen Frauen den ersten Satzball zum 21:18.
Wie in den Runden zuvor, als Müller/Tillmann ebenfalls mit einem Satzrückstand gestartet waren, ging es in den Tiebreak, der wie ein Déjà-vu daherkam. Erneut gab es die frühe Führung (5:2), erneut kamen die Australierinnen nach einer Auszeit wieder heran (7:7). Und erneut lief Cinja Tillmann in der entscheidenden Phase zur Höchstform auf, antizipierte gut, schloss eiskalt ab. Als das Match beim Stand von 14:14 auf dramatische Art und Weise zu kippen drohte, blieb Tillmann cool.
Müller/Tillmann sind der Lichtblick im deutschen Beachvolleyball
„Man hat gesehen, dass wir am Ende etwas nervös geworden sind. Ich habe mich einfach gefreut, dass wir es geschafft haben. Sonst wären wir auch ziemlich angepisst gewesen“, sagte sie. Der Gegner für das Halbfinale an diesem Sonnabend wurde am Freitagabend zwischen Sophie Bukovec/Brandie Wilkerson (Kanada) und Marta Menegatti/Valentina Gottardi (Italien) ermittelt.
Auch Niclas Hildebrand, der angesichts der bis auf Müller/Tillmann allesamt bereits ausgeschiedenen deutschen WM-Teams insgesamt nicht glücklich sein kann, freute sich über den Erfolg. „Die beiden haben es sensationell gemacht und ihre Chancen genutzt“, sagte der Sportdirektor Beach im deutschen Verband. „Das war herausragend. Und jetzt freuen wir uns auf das, was noch kommt.“
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Müller/Tillmann sind derzeit der Lichtblick im deutschen Beachvolleyball. Insgesamt waren fünf deutsche Paare bei der Weltmeisterschaft gestartet. Die Hamburgerinnen Sandra Ittlinger/Isabel Schneider und die deutschen Meisterinnen Chantal Laboureur/Sarah Schulz aus Stuttgart waren in der Runde der letzten 32 gescheitert.
Auch für das einzige Männer-Team Nils Ehlers/Clemens Wickler (HSV/ETV) kam das vorzeitige Aus in der ersten K.-o.-Runde. Die Stuttgarterinnen Karla Borger und Julia Sude schafften es immerhin bis ins Achtelfinale, bevor sie ausschieden.