Frankfurt/Main. Niclas Füllkrug sorgt gegen die Schweiz für einen Gänsehaut-Moment. Bis dahin allerdings war die EM-Stimmung in Frankfurt ausbaufähig.
Niclas Füllkrug verbrachte am späten Sonntagabend mehr Zeit vor den blauen Sponsoren-Wänden als auf dem grünen Rasen. Der Mittelstürmer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war schließlich erst in der 76. Spielminute des Gruppenfinales gegen die Schweiz eingewechselt worden. Und Füllkrug tat es mit großer Freude. Immer wieder musste der Dortmunder erzählen, wie es gewesen ist, nachdem ihm David Raum eine Flanke perfekt auf den Kopf servierte, wie er zum Jubel abdrehte und der deutschen Nationalmannschaft einen magischen Moment bescherte, der stark erinnerte an 2006.
Da war David Odonkor die Linie entlang gesprintet, gab herein zu Oliver Neuville, und der Stürmer grätschte den Ball zum 1:0-Sieg gegen Polen über die Linie, zum Beginn des Sommermärchens. „Odonkor und Neuville kamen auch beide von der Bank, daher freue ich mich, dass wir heute auch so einen Impact haben konnten“, sagte Füllkrug.
DFB-Team sorgt für „eine kleine Explosion“ im Frankfurter Stadion
Für „eine kleine Explosion“, so Füllkrug, habe er gesorgt, als er zum 1:1 in der zweiten Minute der Nachspielzeit einnickte und Deutschland zurück auf Platz eins in der Gruppe beförderte. Das war leicht untertrieben, denn so einen lauten Moment wie am Sonntag um kurz vor 23 Uhr hatte man bei einem Spiel der DFB-Elf lange nicht mehr erlebt. Zuvor allerdings auch das Gegenteil. „Es war lange Zeit sehr ruhig“, stellte Bundestrainer Julian Nagelsmann fest, was durchaus als Kritik am Publikum zu verstehen war, das zwischendurch den Anschein erweckte, eingenickt zu sein. „So ein kleiner Emotionsexplosionsmoment war nicht verkehrt zum Ende des Spiels.“
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Für die Fans einerseits. Und auch die deutsche Mannschaft soll von Füllkrugs Neuville-Tor beflügelt werden. „Es war ein ganz wichtiger Moment, fürs Land, für uns, für die Mannschaft, für die Spieler“, sagte Füllkrug. Torwart Manuel Neuer meinte: „Das schweißt uns alle noch ein bisschen zusammen.“
Lange war das deutsche Spiel nach dem 0:1 durch den Schweizer Dan Ndoye (28.) schwerfällig und behäbig, die DFB-Elf schien den ersten Dämpfer des Turniers hinnehmen zu müssen, doch sie schlug in der Nachspielzeit zurück. „Wenn du einmal so eine Situation gedreht hast, denkst du auch im nächsten Spiel daran und dann werden alle auf dem Platz den Glauben haben, dass noch etwas passieren kann“, meinte Füllkrug.
DFB-Team: Deutschland sehnt sich nach einem klassischen Neuner
Der Dortmunder hatte daran großen Anteil. 13 Treffer in 19 Länderspielen sind eine bemerkenswerte Quote, mit der der bisher im Turnier eher unauffällig agierende Kai Havertz nicht konkurrieren kann. Eine bessere Quote unter Spielern mit mindestens 15 Einsätzen haben nur Gerd Müller und Max Morlock. Füllkrug befriedet die deutsche Sehnsucht nach einem echten Neuner, der sich mit dem Hintern im Strafraum Platz verschafft, der einfach mal schießt, der ein eingebautes Navigationssystem im Kopf hat, was ihm hilft, stets richtig zu stehen. Und Füllkrug sei zudem „ein Mentalitätsspieler, das wissen wir“, sagte Neuer. „Wie er sich da reinhaut und in jedem Duell da ist.“
Diesmal verschaffte sich Füllkrug im Sechzehner Platz und setzte den Kopfball perfekt in die Ecke, in die der Schweizer Torwart Yann Sommer nicht mehr fliegen konnte. Das Tor erinnert an Füllkrugs Treffer zum 3:2 im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Atlético Madrid, als die Dortmunder Südtribüne einen ähnlichen Lautstärke-Pegel erreichte wie die Frankfurter Arena bei der EM.
DFB-Team: Niclas Füllkrug sammelt Argumente gegen die Schweiz
Der 31-Jährige sammelte damit erneut Argumente, die für einen Startelf-Einsatz im Achtelfinale am kommenden Samstag (21 Uhr) bei seinem Dortmunder Heimspiel sprechen. Eine Chance habe er, doch so einfach ist es nicht, denn Havertz habe gegen die Schweiz „ein gutes Spiel gemacht“, wie Bundestrainer Nagelsmann betonte. Der 36-Jährige schätzt Füllkrugs Joker-Qualitäten, alle seine bisher vier Turnier-Tore sind ihm nach Einwechslungen gelungen. Damit ist er schon jetzt der beste Joker der deutschen Turniergeschichte. Das sei „Freud und Leid für ihn zugleich, dass er die Rolle gut erfüllt“.
Wenn Füllkrug wählen dürfte, würde er sicherlich nicht den Platz auf der Bank bevorzugen. Der Angreifer gab in Frankfurt bei seinen Ausführungen nämlich auch subtil zu Protokoll, dass er es gar nicht gewohnt sei, als Joker zu spielen. Und dass es in Dortmund um den Viertelfinal-Einzug gehen werde, wird „mit Sicherheit ein riesiger Heimvorteil sein“. Für die DFB-Elf, aber natürlich auch für Füllkrug, der beim BVB unangefochtener Stammspieler ist. Bundestrainer Nagelsmann sagte, dass Füllkrug wie Havertz „eine Woche Zeit hat, Gas zu geben. Dann schauen wir, wen wir haben“.
DFB-Team: Achtelfinal-Gegner steht am Dienstag fest
Nagelsmann wird sich über die Stürmerposition Gedanken machen, vermutlich auch schon am Dienstagabend, wenn die finalen Begegnungen in Gruppe C angepfiffen werden, aus der Deutschlands Achtelfinal-Gegner kommen wird. Möglich sind England, Dänemark, Serbien und Slowenien. „Wir sind auf alle Ergebnisse vorbereitet“, versicherte Nagelsmann.
Die Videoanalysten aus seinem Stab haben bereits die wichtigsten Erkenntnisse aus den ersten vier Spielen zusammengeschnitten. Eine Präferenz hat Nagelsmann nicht, „weil ich es auch nicht beeinflussen kann. Das Gesetz eines Turnieres ist es, dass die Gegner tendenziell besser werden, je weiter man kommt. Alle haben Qualität, ich finde alle vier Gegner unbequem.“ Insbesondere, falls die deutsche Mannschaft wieder so behäbig agiert wie gegen die Schweiz. Eventuell wird Julian Nagelsmann dann wieder einen Joker ziehen müssen.
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