Herzogenaurach. Deutschland will Mittwoch ins EM-Achtelfinale einziehen. In der Vergangenheit hielten zweite Spiele selten mit furiosen Auftakten mit.
Der Erfahrungsschatz, aus dem Thomas Müller schöpfen kann, ist immens. Als der Offensivspieler im August 2008 sein Bundesliga-Debüt für Bayern München gegeben hat, war Jamal Musiala noch gar nicht eingeschult. Sein Champions-League-Sieg mit Bayern über Borussia Dortmund 2013 fiel in die Zeit, als Teenager Kai Havertz täglich aus Würselen zum Training nach Leverkusen pendelte. Und als Müller in Rio de Janeiro den WM-Pokal in den Händen hielt, kämpfte sich Chris Führich durch das Dortmunder Nachwuchsleistungszentrum und wird schon das eine oder andere Mal die Prognose vor den noch jungen Kopf geknallt bekommen haben, dass es für den schmächtigen Jugendlichen mit der Profikarriere eher nichts werden würde.
Viele Spieler der deutschen Nationalmannschaft wären also gut damit beraten, Müllers Geschichten nicht genervt unter der Kategorie Opa-erzählt-von-früher abzuheften, sondern genau zuzuhören, wenn der 34-Jährige im EM-Quartier in Herzogenaurach mit Weisheiten wie „Rückschläge kommen schneller, als man denkt“ aufwartet.
DFB-Team kann sich gegen Ungarn für das Achtelfinale qualifizieren
Nach dem 5:1-Aufakterfolg gegen Schottland ist die Stimmung im DFB-Lager bestens, doch davon soll sich das Team, wenn es nach Müller geht, nicht auf die falsche Fährte locken lassen. „Es geht nicht ums Gefühl, es geht um die Punkte“, sagt Müller. „Dieses Emotionsgedusel liest sich immer ganz nett, aber es trägt dich keiner durch das Turnier. Du musste die Spiele gewinnen.“ Auch das am Mittwoch in Stuttgart gegen Ungarn (18 Uh/ARD), denn dann könnte die deutsche Elf bereits mit dem Achtelfinale planen.
Doch Vorsicht vor dem verflixten zweiten Gruppenspiel nach einem fulminanten Turniereinstand. „Wir hatten immer tolle Gefühle“, warnte Müller, „und dann haben wir gegen Serbien verloren und gegen Ghana 2:2 gespielt.“ So war es ja bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2014.
In Südafrika spielte die DFB-Elf 2010 beim 4:0 gegen Australien wie entfesselt. Mesut Özil schwebte über den Rasen, Müller erzielte seinen ersten Treffer bei einer Weltmeisterschaft – am Ende des Turniers sollte er dessen Torschützenkönig sein. Die Ernüchterung allerdings folgte fünf Tage später gegen Serbien. Miroslav Klose sah Gelb-Rot, Lukas Podolski verschoss einen Elfmeter, Deutschland verlor 0:1. Gegen Ghana zitterte man sich mithilfe von Özils Fernschuss ins Achtelfinale.
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DFB-Team kassierte auch 2014 einen Rückschlag im zweiten Spiel
Stichwort Ghana. 2014 hatte man erst Cristiano Ronaldos Portugal mit 4:0 blamiert, konnte gegen die Black Stars aber nicht nachlegen. Klose rettete immerhin noch ein Remis, nachdem Ghana den 0:1-Rückstand durch Mario Götze innerhalb von neun Minuten in ein 2:1 umgewandelt hatte. Klose stellte damit den WM-Tor-Rekord von Ronaldo (dem Echten) ein. „20 Spiele, 15 Kisten – das ist schon nicht schlecht“, befand die deutsche Sturmlegende. Müller machte für die DFB-Elf schließlich im dritten Gruppenspiel gegen Jürgen Klinsmanns US-Amerikaner (1:0) den Einzug in die K.o.-Runde perfekt. Vom WM-Titel, der in Rio folgen sollte, wollte da allerdings noch niemand reden.
Weitere Bespiele: Bei der EM 2016 brachten die Deutsche nur ein biederes 0:0 gegen Polen zustande, nachdem sie zum Start die Ukraine mit 2:0 schlugen. Und in der Prä-Müller-Ära folgte 2008 auf ein 2:0 gegen Polen (Doppeltorschütze: Lukas Podolski) ein 1:2 gegen Kroatien – inklusive eines Platzverweises für Bastian Schweinsteiger in der Nachspielzeit.
DFB-Team: Zuletzt waren die zweiten Spiele die besseren
Zuletzt allerdings war es bei Turnieren eher umgekehrt. Da gingen die Auftaktpartien der DFB-Elf gründlich daneben: 2018 in Russland gegen Mexiko (0:1), 2021 in München gegen Frankreich (0:1) und als Tiefpunkt in Katar gegen Japan (1:2). Dafür aber schenkten die nächsten Partien leichte Hoffnung, wie sich jedoch schon kurze Zeit später herausstellten sollte: unberechtigterweise. Da war Toni Kroos‘ Freistoß-Schlenzer auf den letzten Drücker gegen Schweden (1:1), das unterhaltsame 4:2 gegen Portugal und ein ordentliches 1:1 gegen Spanien.
Diesmal soll es endlich mal wieder eine Bestätigung der guten Auftaktleistung werden. Was Torwart Manuel Neuer Zuversicht gibt: „Wir sind 2014 gegen Portugal vermeintlich gut gestartet, hatten aber nicht die absolute Dominanz“, sagt der Ex-Weltmeister. „Gegen Schottland haben wir von Anfang an Dominanz ausgestrahlt.“ Sein langjähriger Mitspieler Thomas Müller hat schon festgestellt, dass die Energie gut sei. „Am Ende“, schränkte er ein, „vergeht die Energie aber schnell mit einem schlechten Ergebnis im Viertelfinale.“ Oder eben schon mit einem im zweiten Gruppenspiel.
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