München. Deutschland feiert zum EM-Auftakt einen nie gefährdeten Sieg in Überzahl. Kurz muss das Team um seinen Kapitän Ilkay Gündogan bangen.

Keine 20 Minuten brauchte es am Freitagabend, bis die deutschen Fans einen altbekannten Gassenhauer anstimmten. „Oh wie ist das schön“, schallte es durch das Münchner Stadion. Und der Zusatz war wortwörtlich zu verstehen. „So was hat man lange nicht gesehen.“ In der Tat.

Seit acht Jahren ist die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr erfolgreich in ein großes Turnier gestartet, es gab Pleiten zum Auftakt und anschließend eine Menge Pech und Pannen. Zum Start der Heim-Europameisterschaft allerdings nicht. Beim 5:1 (3:0) über Schottland gelang der DFB-Elf nach Toren von Florian Wirtz (10.), Jamal Musiala (19.) Kai Havertz (45.+1, Foulelfmeter), Niclas Füllkrug (68.) und Emre Can (90.+3) ein perfekter Auftakt.. Antonio Rüdiger traf spät ins eigene Tor (87.).

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Die harmlosen Schotten, die nach dem Platzverweis für Ryan Porteous unmittelbar vor Havertz‘ 3:0 eine Halbzeit lang in Unterzahl überstehen mussten, waren jedoch an diesem Abend kein ernstzunehmender Gegner – ganz anders als etwa schon Ungarn im zweiten Gruppenspiel am kommenden Mittwoch (18 Uhr/ARD) in Stuttgart.

DFB-Team mit der erwartbaren Startelf gegen Schottland

Bundestrainer Julian Nagelsmann schickte die zu erwarten gewesene Startelf auf den Rasen. In der stand Manuel Neuer trotz des einen oder anderen Wacklers zwischen den Pfosten. Vier Spieler gaben vor ihm ihr Turnier-Debüt: Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt, Innenverteidiger Jonathan Tah, Toni Kroos‘ Bodyguard Robert Andrich sowie Dribbelkünstler Florian Wirtz. „Ich bin mir sicher, dass wir das Spiel gewinnen werden“, meinte Nagelsmann. Für seinen Kapitän Ilkay Gündogan hatte der Bundestrainer dabei eine Schlüsselrolle vorgesehen. „Die Schotten verteidigen extrem aggressiv und geben viel Raum hinter der Kette frei. Wir haben mit Ilkay einen Überzahlspieler“, sagte Nagelsmann vor Anpfiff im ZDF. „Wenn wir den finden, wird es gefährlich.“

Julian Nagelsmann gibt an der Seitenlinie Anweisungen.
Julian Nagelsmann gibt an der Seitenlinie Anweisungen. © Getty Images | Alexander Hassenstein

Die schottische Mannschaft wollte sich derweil auf ihre „Tartan Army“ verlassen, die sich in der Nordkurve des Münchner Stadions versammelt hatte. Eine Lied nach dem anderen schmetterten sie an diesem Abend. Die bayerische Landeshauptstadt war schon den gesamten Tag über fest in schottischer Hand, Zehntausende feierten friedlich rund um den Marienplatz, der am Nachmittag von den örtlichen Sicherheitsbehörden wegen Überfüllung geschlossen werden musste.

Frühes 1:0 durch Wirtz: DFB-Team legt perfekten Start hin

Vor Wirtz‘ erster Großchance nach 58 Sekunden, allerdings in Abseitsposition, gab es in der Arena einen bewegenden Moment. Heidi Beckenbauer, Witwe der verstorbenen Fußball-Ikone Franz Beckenbauer, trug gemeinsam mit den beiden Europameister-Spielführern Jürgen Klinsmann und Bernard Dietz nach einer wenig berauschenden Eröffnungsshow den silbernen EM-Pokal ins Stadion.

Lange warten mussten die Ehrengäste nicht, bis sie jubeln konnten. In der 10. Minute nämlich stand Wirtz nicht im Abseits, sondern an der perfekten Stelle an der Strafraumkante. Dort verarbeitete er die Hereingabe von Joshua Kimmich, schoss zwar nicht platziert aufs Tor, doch der Ball sprang über den Innenposten trotzdem hinter die Linie. Schottlands Torwart Angus Gunn, der den Ball abfälschte, sah nicht gut aus. 1:0 – der perfekte Start für den EM-Gastgeber.

DFB-Elf muss kurz um Kapitän Ilkay Gündogan bangen

Und es sollte noch besser kommen. Kroos steckte zu Gündogan durch, der Kapitän spielte einen perfekten Pass in die Tiefe zu Havertz. Der legte ab zu Jamal Musiala. Der Münchner schoss wuchtig unter die Latte – 2:0 (19.). Nagelsmanns Idee mit Gündogan als Schlüsselspieler gegen die Schotten, die sich in der ersten Halbzeit ihrem Schicksal ergaben, ging bereits auf.

Ein perfekter Abend: Julian Nagelsmann gratuliert Torschütze Jamal Musiala.
Ein perfekter Abend: Julian Nagelsmann gratuliert Torschütze Jamal Musiala. © AFP | Thomas Kienzle

Kurz vor der Pause stand Deutschlands Kapitän wieder im Fokus, und es lag ein Drama in der Luft. Ryan Porteous räumte Gündogan mit gestreckter Sohle ab, mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte sich der Profi des FC Barcelona am Boden. Der französische Schiedsrichter Clement Turpin zückte nach Ansicht der Videobilder die Rote Karte. Und Gündogan? Der gebürtige Gelsenkirchener musste lange behandelt werden, hatte offensichtlich aber Glück im Unglück. Es konnte weitergehen, und Gündogan sah schon wieder auf dem Rasen stehend zu, wie Kai Havertz den fälligen Foulelfmeter im Tor unterbrachte. 3:0, die Partie war entschieden (45.+1).

In der zweiten Halbzeit brachte eine nie so recht geforderte deutsche Mannschaft, nun mit Pascal Groß für den gelb-rot-gefährdeten Andrich, den Sieg locker nach Hause. Wirtz hätte noch sein zweites Tor schießen können, zielte aber drüber. Der eingewechselte Füllkrug knallte den Ball schließlich zum 4:0 (68.) in den Winkel. Und die Fans träumen nach der ersten großen EM-Party, die nach Rüdigers Schönheitsfehler mit dem 5:1 durch Emre Can (90.+3) seinen Höhepunkt erlebte, längst von mehr.

Niclas Füllkrug freut sich über seinen ersten EM-Treffer.
Niclas Füllkrug freut sich über seinen ersten EM-Treffer. © DPA Images | Federico Gambarini

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