Hamburg. Ex-Ruderer Lars Wichert siegt beim Langstrecken-Triathlon in Hamburg souverän. Jackie Hering ist neue Europameisterin.
Lars Wichert tropfte wie ein nasser Schwamm, als er am Sonntagnachmittag verschwitzt-grinsend auf dem Hamburger Rathausmarkt stand. „Try to catch my father“, stand auf einem grünen Plakat, das einer seiner Söhne geschrieben hatte und anschließend stolz durch den Zielbereich trug. Es war niemandem gelungen, Wichert war allen enteilt. In 7:50:42 Stunden pulverisierte der 37 Jahre alte Hamburger den Ironman-Altersklassenweltrekord, unterbot den bisherigen Bestwert von Dan Plews (7:56:55) um mehr als sechs Minuten.
Der frühere Leichtgewichtsruderer des RC Allemannia, der zwischen 2010 und 2012 drei Ruder-WM-Titel feierte und vor ein paar Jahren zum Triathlon überging, hatte bereits 2021 in Hamburg triumphiert. Damals war es Wicherts erstes Rennen über die Ironman-Distanz (3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen), was ihn nicht daran hinderte, auf Anhieb zu gewinnen – mit 17:49 Minuten Vorsprung.
Ironman: Wichert feiert zweiten Sieg in Hamburg
Am Sonntag war Wichert erneut nicht zu schlagen, unterbot seine damalige Zeit (8:12:42 Stunden) noch mal deutlich, was allerdings auch daran lag, dass die Radstrecke in diesem Jahr zwei Kilometer kürzer war. Die Ironman-Organisatoren hatten den Kurs nach einem tödlichen Zusammenstoß zwischen einem Motorradfahrer und einem britischen Radfahrer im vergangenen Jahr angepasst, anstelle einer Wendepunkt-Radstrecke mit gegenläufigen Strecken gab es nun einen großen Rundkurs über Bergedorf.
„Ich bin richtig im Arsch, die letzte Runde war saumäßig hart. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es ein perfektes Rennen war. Irgendwie habe ich meine Uhr schon am Start nicht angedrückt, auch der Pulsgurt hat nicht richtig funktioniert“, sagte Wichert, der für das Schwimmen 57:48 Minuten benötigte. Die Strecke in der Alster hätte er durch die unzähligen Rudertrainings wohl auch mit verbundenen Augen hinter sich bringen können.
Wichert verzichtet auf Hawaii-Startplatz
An die Spitze setzte sich der Ex-Ruderer mit einer starken Leistung auf dem Rad (4:03:55 Stunden), beim abschließenden Marathon (2:41:48 Stunden) lief er ein durchschnittliches Tempo von 3:52 Minuten pro Kilometer. „Die Veranstalter haben das Beste aus der Radstrecke gemacht, sie war wider Erwarten sehr schnell“, sagte Wichert. „Die Laufstrecke an der Alster kannte ich natürlich sehr gut, ich bin zehn Jahre dort zum Rudern gewesen.“
Durch seinen Sieg wäre der mittlerweile südlich von Hamburg lebende Familienvater auch für die WM auf Hawaii (26. Oktober) qualifiziert. Dieses Startrecht werde er jedoch nicht wahrnehmen, „auch wenn es noch mal ein einmaliges Erlebnis wäre. Den Urlaub spare ich mir für irgendwas anderes“, sagte Wichert und lachte. In diesem Jahr stehen noch Ironman-Rennen beim „Norseman“ in Norwegen (3. August) und in Frankfurt (18. August) auf dem Plan. „Ich weiß nicht, ob eine vierte Langdistanz noch funktionieren würde“, so Wichert.
Eine Profikarriere strebt Wichert nicht an
Eine Profikarriere kommt für Wichert, der hauptberuflich bei einem Triathlon-Magazin arbeitet, nicht infrage. „Das, was ich beim Schwimmen mache, ist fernab von dem, was ein Profi macht“, sagt er. Tatsächlich sind die Profi-Männer im Wasser mehr als 15 Minuten schneller als er. Und dann beim Radfahren hinterherhecheln zu müssen, sei keine Option.
„Deshalb ergibt Profitum für mich keinen Sinn“, sagt Wichert. „Ich trainiere nicht mega viel, bin im Schnitt bei neun bis zehn Stunden pro Woche. Es ist immer wieder ein Kompromiss mit der Familie, insbesondere bei längeren Einheiten am Wochenende.“
Daniela Bleymehl holt EM-Bronze bei den Frauen
Bei den Profi-Frauen sicherte sich die Darmstädterin Daniela Bleymehl in persönlicher Bestzeit von 8:28:09 Stunden die EM-Bronzemedaille. Die 35-Jährige landete 6:16 Minuten hinter der Dänin Maja Stage Nielsen (35) und holte nach Bronze 2016 zum zweiten Mal Edelmetall bei einer Langdistanz-EM. Vor den beiden Europäerinnen gewann Jackie Hering aus den USA in 8:19:14 Stunden. Kurios: Trotz ihres US-Passes gilt Hering als neue Europameisterin.
Bei der Siegerehrung war Hering so entkräftet, dass sie es auch mit der Hilfe ihrer Kontrahentinnen nicht stehend auf das Siegerpodium schaffte. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Siegerehrung im Sitzen erlebt. Es war aber großartig“, sagte sie und lachte. „Meine Beine tun so unfassbar weh. Meine Waden brannten schon nach eineinhalb Runden auf der Laufstrecke. Ich dachte, sie würden die ganze Zeit über krampfen.“
Für ihren Erfolg erhält die 38-Jährige zudem 28.000 US-Dollar Prämie und 5000 Punkte für die Wertung der neuen Pro Series. Für die favorisierte Katrina Matthews (33) war das Rennen dagegen nach rund 115 Kilometern auf der Radstrecke beendet. Die Britin wurde nach einem unerlaubten Überholmanöver disqualifiziert.
Bleymehl: „Die Kulisse hat mich getragen“
„Es war am Ende richtig hart, aber die Kulisse hat mich getragen. Ich bin ein bisschen zu schnell losgelaufen, hatte auf den letzten Kilometern Krämpfe“, sagte die drittplatzierte Bleymehl: „Mit dem Heimvorteil war es super cool, ich weiß nicht, wie oft ich meinen Namen heute gehört habe.“
Bleymehl hatte nach dem Schwimmen als Zwölfte bereits einen Rückstand von mehr als sechs Minuten, überholte dann in ihrer Paradedisziplin auf dem Rad mit der besten Zeit die Topathletinnen mit Ausnahme von Fenella Langridge (32). Im Laufen zog die zweifache Mutter auch an der Britin schnell vorbei, doch von hinten konterten Stage Nielsen und Hering bereits vor der Halbmarathondistanz und waren nicht mehr einzuholen. Langridge wurde Vierte.
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Für die Frauen steigt die WM in diesem Jahr erstmals in Nizza, Bleymehl sicherte sich durch ihr Erfolgserlebnis in Hamburg einen Teilnahmeslot für den Jahreshöhepunkt am 22. September. Die derzeit besten deutschen Athletinnen Anne Haug (41) und Laura Philipp (37) waren mit Blick auf die WM in der Hansestadt nicht am Start. Die Ironman-EM der Männer findet am 18. August in Frankfurt (Main) statt.