Hamburg. Bei den Zuschauerzahlen geht mehr - diejenigen, die da waren, sorgen aber für Partystimmung. Frankreich und Irland neue Europameister.
Wer dem Schlagermove zu entrinnen versuchte, indem er in Richtung der Rugby-EM in der olympischen Siebenervariante das Weite gesucht hatte, gelangte vom Regen in die Traufe. Ballermann-Songs, die auf der Reeperbahn ebenso gut aufgehoben gewesen wären, und ein bunt gekleidetes Partypublikum bestimmten die Atmosphäre am Steinwiesenweg in Eidelstedt. Die markante Abweichung war ein sportlich wesentlich hochwertigeres Niveau.
Passend dazu war das Endspiel bei Frauen wie Männern ein Schlager der Sportnationen Frankreich und Spanien. Bei den Frauen mit dem besseren Ausgang für die „Grande Nation“, in der im September und Oktober die WM im 15er-Rugby ausgetragen wird, bei den Männern für Spanien.
Frankreich und Irland Europameister
Frankreich wurde, kumuliert mit dem ersten Teil der EM vor drei Wochen in Portugal, damit auch Europameister bei den Frauen. Der Männertitel ging an den Hamburg-Dritten Irland.
Ein „Herzbeben“, wie Helene Fischer ohne Entkommen davor aus den Boxen trällerte, ereilte dagegen die deutschen Männer. Zwar sind Platz sieben in der Endabrechnung sowie der fünfte Rang in Hamburg standesgemäß.
Deutsche Männer in Hamburg Fünfter
Ein größerer Erfolg war aber angesichts von zwei Zweipunktniederlagen gegen Spanien sowie im Viertelfinale gegen Großbritannien möglich gewesen. Vor allem für das 19:21 gegen die Briten nach 19:0-Führung hatte Bundestrainer Clemens von Grumbkow „keine Erklärung“.
Ben Ellermann vom FC St. Pauli verließ sein Heimatturnier daher mit gemischten Gefühlen. „Immerhin können wir mitnehmen, dass wir an unserer Ausdauer und mentalen Stärke arbeiten müssen, drei Spiele an einem Tag sind noch zu viel für uns“, sagte das beliebteste Fotomotiv des Wochenendes.
Frauen werden Siebter
Während die deutschen Männer kurzzeitig haderten, waren die Frauen mit der Bestätigung ihres siebten Platz aus Portugal rundum zufrieden – sobald sie nicht mehr atemlos waren. Die in Hamburg geborene Kapitänin Mette Zimmat sank nach dem 15:5-Sieg gegen Irland im Spiel um Rang sieben zunächst völlig entkräftet zu Boden.
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„Over and out“ (Schluss und vorbei) habe sie unmittelbar nach dem Parforceritt über sechs Begegnungen in drei Tagen unter sengender Sonne gedacht. Eine Tortur, an deren Ende Zimmat „definitiv happy“ war. Dass die Qualifikation zur Challenger-Serie, an der die drei besten EM-Teams teilnehmen, die nicht auf der Weltserie spielen, misslang, war nur ein kleiner Wermutstropfen.
Zimmat: "Historische Leistung"
„Ich spiele seit zehn Jahren Nationalmannschaft, nie sind wir EM-Siebter geworden. Das ist, ohne Übertreibung, schon ein bisschen historisch“, sagte die 27-Jährige. Verbunden damit ist die Hoffnung, wieder in die Förderung des Deutschen Olympischen Sportbundes für perspektivisch bei Olympia erfolgreiche Sportarten aufgenommen zu werden.
Gespräche zwischen Rugby-Verband und DOSB darüber sollen demnächst stattfinden. „Wir haben hoffentlich gezeigt, dass wir förderwürdig sind und wie viel möglich wäre, wenn wir regelmäßig auch morgens trainieren und zu mehr Turnieren fahren könnten“, sagte Zimmat.
5000 Zuschauer an drei Turniertagen
Rugby-Deutschland-Präsident Harald Hees ist hoffnungsvoll. „Unsere Frauen haben die Erwartung Klassenerhalt mehr als erfüllt. Ich glaube, in vier bis acht Jahren ist eine Olympiaqualifikation absolut denkbar. Daher finde ich die ungleichen Voraussetzungen im Vergleich zu den Männern nicht nachvollziehbar“, sagte der frühere Lufthansa-Pilot.
Zum Kassenschlager entwickelte sich die Veranstaltung indes nicht. Knapp 5000 Zuschauer besuchten an den drei Turniertagen das Stadion. Ausgesprochen schade, die oftmals hochklassigen Spiele, nahbaren Athleten und das gelungen organisierte Event hätten mehr Publikum verdient gehabt.
Hamburg weiter Austragungsort?
Immerhin: Offenbar bekommt Hamburg im kommenden Jahr eine zweite Chance, seinen Ruf als Sportstadt zu rechtfertigen. „Die EM in Hamburg war ein voller Erfolg, wir würden gern zurückkommen“, sagte Octavian Morariu, Präsident von Rugby Europe.
Hees hält sogar eine langfristige Perspektive für vorstellbar. „Da wir Unterstützung vom Bundesministerium für Inneres und der Stadt Hamburg erhalten haben, waren wir anderen Bewerbern gegenüber deutlich im Vorteil. Dazu waren die Tribünen für EM-Standards gut gefüllt“, sagte der 65-Jährige, der in einigen Jahren das Millerntor-Stadion als Spielstätte realistisch ansieht.
Kombinationsevent denkbar
Es wäre zumindest örtlich dem Ansinnen des eloquenten Aschaffenburgers sehr nahe: „Wenn man die EM in Kombination mit einem anderen Event in Hamburg austrägt, kann sich das auszahlen.“ Die passende Veranstaltung dazu laut Hees: „Der Schlagermove.“