Hamburg. Simon Zachenhuber vom Hamburger Profistall P2M gilt als Shootingstar im deutschen Boxen. Am Sonnabend kämpft er um zwei EM-Titel.
Drecksau – ein Wort, das im oberbayerischen Dialekt seiner Heimatstadt Erding nicht ganz so verrucht klingt wie aus norddeutschem Mund. Und dennoch eine Beschreibung, die auf Simon Zachenhuber in etwa so gut zu passen scheint wie der Friedensnobelpreis zu Mike Tyson. Höflich, eloquent und als stets fairer Sportsmann tritt der 25-Jährige in der Öffentlichkeit in Erscheinung.
Aber weil sein Trainer und Entdecker Conny Mittermeier (61) ihm seit seinem ersten professionellen Faustkampf im Mai 2018 einbläut, dass ein Boxer, der es nach ganz oben schaffen will, auch mal „Drecksau“ sein muss, versucht Simon Zachenhuber als folgsamer Athlet, im Ring nicht nur „Mister Nice Guy“ zu sein.
„Ehrlich gesagt habe ich diese Aggressivität, die es in meinem Sport braucht, nicht von Geburt an in mir gehabt. Ich musste sie mir aneignen“, sagt der Mann, der spätestens seit seiner Auszeichnung zum Boxer des Jahres 2022 als Shootingstar im darbenden deutschen Berufsboxen gilt.
„Let’s Dance“-Star steigt in den Ring
Am Sonnabend bestreitet er auf der dritten Gala seines Hamburger Promoters P2M in der Stadthalle Rostock, die insgesamt 13 Kämpfe umfasst, um 17.30 Uhr beginnt und auf dem YouTube-Kanal von P2M live gestreamt wird, den Hauptkampf. Gegen den Armenier Armen Jepremjan (38) geht es um die EM-Titel der Weltverbände WBA und IBF im Supermittelgewicht.
„Für mich ist es der größte Kampf meiner bisherigen Karriere und die Erfüllung eines Traums“, sagt Simon Zachenhuber, der seit einigen Jahren in Stuttgart, der Heimat seines Trainers, lebt und arbeitet. Während im Boxen viele Maulhelden gern schon zu Karrierebeginn darüber schwadronieren, Weltmeister werden zu wollen, hat sich der 1,84 Meter große Rechtsausleger lieber kleine Etappenziele gesetzt.
Als er nach einer ansehnlichen Kickboxlaufbahn mit fünften Plätzen bei Junioren- und Erwachsenen-WM als 19-Jähriger entschied, ohne Amateurausbildung Profiboxer zu werden, war der deutsche Meistertitel das, wonach er strebte. Gut fünf Jahre später ist er in 20 Profikämpfen unbesiegt und sagt: „Wenn ich am Sonnabend gewinne, rücke ich in die Top 15 der Weltranglisten. Dann kann ich anfangen, mich mit der Weltspitze zu befassen.“
Wie Zachenhuber zu „Let’s Dance“ kam
Weil er aber auch weiß, wie schnell es im Leistungssport die Treppe wieder heruntergehen kann, hat er nach einem freiwilligen sozialen Jahr in seinem Heimatverein in Erding ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens begonnen. Aktuell ruht dieses allerdings, „weil ich für den Sport lebe und danach alles ausrichte“, sagt Zachenhuber, der zu all seinen Kämpfen von einem lautstarken Fanclub begleitet wird.
Die „Matadors“ entstanden einst aus dem engen Freundeskreis des Boxers, dessen Schwager als Gründungsmitglied sehr aktiv ist. „Mittlerweile aber gibt es in ganz Deutschland Mitglieder, ich kenne leider nicht mehr alle persönlich“, sagt er.
Obwohl das Profiboxen seit dem Ausstieg der großen TV-Sender in Deutschland in der Nische verschwunden ist, hat Simon Zachenhuber auch über die Sportwelt hinaus einen bemerkenswerten Bekanntheitsgrad. Diesen verdankt er in erster Linie seinem Auftritt in der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“. Mit seiner Partnerin Patricija Belousova erreichte er dort 2021 das Halbfinale.
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Zachenhuber spricht von „großer Ehre“
Den Einfluss von Tango, Walzer und Cha-Cha-Cha auf seine Beinarbeit und Geschmeidigkeit im Ring, den einige vermuten, hält er selbst für überschaubar. Viel mehr profitiere er von der Erfahrung, über viele Wochen dauerhaft von Kameras begleitet worden zu sein. „Dadurch kann ich die Aufregung, die jeder Boxer beim Walk-in in den Ring verspürt, besser ausblenden. Das hat mir nachhaltig etwas gebracht“, sagt er.
Sollte es also tatsächlich mittelfristig so weit kommen, dass er um Weltmeisterehren boxen dürfte, wäre Simon Zachenhuber vorbereitet. „Für mich ist es eine große Ehre, in Deutschland so hoch gehandelt zu werden. Wenn ich einer derjenigen sein kann, die dem deutschen Boxen wieder Leben einhauchen, wäre das super. Dafür gebe ich alles“, sagt er. Dafür wird er sogar zur Drecksau.