Hamburg. Der Jurastudent vom Hamburger und Germania Ruderclub hat sich über den Vierer in den Achter gekämpft. Sein Ziel: Olympia 2024 in Paris.
Wie das so ist mit Zielen, die man erreicht, um kurz darauf festzustellen, dass das Erreichen nur der Anfang eines neuen Weges war, das hat Marc Kammann in der vorvergangenen Woche erlebt. Auf dem Beetzsee in seiner Geburtsstadt Brandenburg an der Havel hatte sich der 25-Jährige bei den deutschen Kleinbootmeisterschaften für den Deutschland-Achter qualifiziert, das Paradeboot des Deutschen Ruderverbands (DRV).
„Das war das Größte, was ich in meiner sportlichen Karriere bislang erreicht habe“, sagt er rückblickend, „aber Zeit, das zu verarbeiten, hatte ich nicht.“ Dieses Weiter, immer weiter, dass der frühere Fußball-Nationaltorhüter Oliver Kahn zum geflügelten Wort gemacht hatte, erlebt Marc Kammann dieser Tage in voller Ausprägung.
2022 startete Kammann im Vierer
2022 zählte er auch zum „Team Deutschland-Achter“, aus dem die Besatzungen der drei Riemenboote – Zweier und Vierer ohne sowie Achter mit Steuermann – gebildet werden, und fuhr die Heim-EM in München und die WM in Racice (Tschechien) im Vierer.
„Aber die Aufmerksamkeit, die der Achter erhält, ist ungleich größer. Das spürt man sofort, und darauf muss ich mich erst einmal einstellen. Die Erwartungshaltung erzeugt einen ganz anderen Druck“, sagt der Jurastudent, der beim RC Tegel in Berlin seinen Sport erlernte und seit dem Umzug nach Hamburg im Jahr 2012 für den Hamburger und Germania RC startet.
Wobei der Vorteil der neuen Besatzung, zu der neben Kammann aus Hamburg auch noch der Olympiazweite von 2021 in Tokio, Torben Johannesen (28), und Benedict Eggeling (24/beide RC Favorite Hammonia) zählen, darin liegt, dass die Erwartungen nach der verkorksten Saison 2022 gar nicht so groß sind wie gewöhnlich.
Achter enttäuschte in der Saison 2022
Bei der Heim-EM hatte der Achter als Vierter eine Medaille verpasst, bei der WM gelang erstmals seit 23 Jahren nicht der Einzug in den Endlauf der besten sechs. „Tatsächlich zählen wir in dieser Saison nicht mehr zu den Gejagten, sondern sind Jäger. Ich glaube, dass uns allen diese Rolle sehr gut gefällt“, sagt Marc Kammann.
Dass er in dieser Saison den Sprung in das Paradeboot schaffte, schreibt der 1,98 Meter lange Athlet in erster Linie seiner harten Arbeit zu. „Ich bin in der vergangenen Saison bewusst an den Bundesstützpunkt nach Dortmund gezogen, um mich voll auf den Sport zu fokussieren“, sagt er. In Dortmund teilt er sich eine WG mit Johannesen, der allerdings oft zu Frau und Kind nach Lübeck pendelt, und dem Rostocker Max John (25), der es ebenfalls neu in den Achter schaffte.
Physisch und ruderisch große Fortschritte
Im Vierer habe er unter Bundestrainerin Sabine Tschäge sowohl ruderisch als auch physisch große Fortschritte gemacht. „Ich glaube, Frau Tschäge hat gesehen, was ich drauf habe, dass ich einen guten Schlag fahren kann und mich in Rennen noch ein bisschen mehr als im Training engagiere“, sagt er.
Als Anfang März der langjährige Achter-Bundestrainer Uwe Bender in einem viel beachteten Prozess seines Amtes entbunden wurde und Sabine Tschäge ihm nachfolgte, stiegen Marc Kammanns Chancen. „Natürlich hat uns diese Thematik alle beschäftigt. Ich glaube, dass eine für alle Seiten gute Entscheidung getroffen wurde“, sagt er.
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Natürlich weiß auch Marc Kammann, dessen vier Jahre jüngerer Bruder Björn Leistungsschwimmer ist und derzeit in den USA studiert, dass er von nun an unter besonderer Beobachtung steht. Zwar wird vom Achter beim ersten gemeinsamen internationalen Wettkampf, der EM in Bled (Slowenien/25. bis 28. Mai), noch nicht wieder die Goldmedaille erwartet, vorne mitfahren allerdings, das wollen sie schon.
Bei der WM mindestens Fünfter werden
Schließlich muss bei der WM in Belgrad (Serbien/3. bis 10. September) mindestens Rang fünf her, um die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris zu schaffen. An diesem Wochenende absolviert der neu formierte Achter mit Kammann auf der Position des Schlagmanns bei der internen Leistungsüberprüfung des DRV auf der Regattastrecke in Allermöhe seine ersten beiden Testläufe über die 2000-Meter-Distanz.
Paris ist das Fernziel für Marc Kammann, der allerdings erst einmal nur für diese Saison plant. „Ich denke schon, dass ich gut genug bin, um das ganze Jahr im Achter zu sitzen“, sagt er, „aber ich weiß auch, dass ich mich keinen Tag ausruhen kann.“ Weiter, immer weiter eben…