Hamburg. Sven Gösch spricht im Interview mit dem Abendblatt über die Zukunft und die Gefahren für das Eishockey in Hamburg.

Die fünfte Jahreszeit für Eishockeyspieler startet für die Crocodiles Hamburg an diesem Freitag um 20 Uhr. Beim Südvierten SC Riessersee in Garmisch-Partenkirchen ist die Auswahl von Cheftrainer Henry Thom, die in der Oberliga Nord nach der Hauptrunde Rang fünf belegt hatte, im ersten Spiel des Play-off-Achtelfinales gefordert.

Spiel zwei der auf maximal fünf Partien angesetzten Serie findet am Sonntag (16 Uhr) im Eisland Farmsen statt. Welche Aussichten die Mannschaft hat und was nötig ist, um eine gute Zukunft zu haben, erläutert Sportdirektor und Geschäftsführer Sven Gösch (50) im Abendblatt-Interview.


Hamburger Abendblatt: Herr Gösch, weil für die DEL 2 in Hamburg keine taugliche Spielstätte zur Verfügung steht, können die Crocodiles nicht aufsteigen. Warum spielen Sie dann überhaupt die Play-offs?

Sven Gösch: Diese Frage höre ich oft. Die Antwort lautet: Es geht um eine Meisterschaft und einen schönen Pokal, den man herumzeigen kann. Wir wären schlechte Sportler, wenn wir nicht das Maximum erreichen wollten. Wir wissen, dass die Topteams uns ein Stück voraus sind. Aber wir werden dennoch alles dafür geben, so viele Spiele wie möglich zu gewinnen und so weit wie möglich zu kommen.


Das ehrt Sie. Aber wäre es angesichts des hohen Kostendrucks nicht vernünftiger, auf lange Reisen mit Übernachtung zu verzichten? Schließlich haben Sie in dieser Saison keinen Hauptsponsor präsentieren können. Wie groß ist die Etatlücke?

Gösch: Eine genaue Summe möchte ich nicht nennen, sie ist aber immerhin nicht sechsstellig, weil vom Hauptsponsor abgesehen alles andere besser als erwartet lief. Wir haben einige kleinere Partner dazugewinnen können. Außerdem haben wir mehr Geld im Kartenverkauf eingenommen als erwartet. Den prognostizierten Zuschauerschnitt von 1100 haben wir fast exakt erreicht, aber weil die VIP- und Sitzplätze fast immer ausverkauft waren, haben wir mehr erlöst als kalkuliert. Dennoch wird eine Lücke bleiben, die zum Glück unsere Gesellschafter auffangen werden.

Eishockey: So planen die Crocodiles Hamburg in Sachen Hauptsponsor


Was ist mit dem Hauptsponsor? Ursprünglich wollten Sie im Januar den Nachfolger von Hapag-Lloyd präsentieren.

Gösch: Die Unterzeichnung der Verträge hat deutlich länger gedauert als erwartet. Nun ist zwar alles abgeschlossen, aber es ergibt wenig Sinn, dass er in dieser Saison noch einsteigt. Wir werden also unsere Kooperation zur kommenden Saison bekannt geben. Das allerdings wird noch nicht aus-reichen, um kostendeckend zu arbeiten. Die Gehälter der Spieler sind im vergangenen Jahr explodiert, dazu kommen die gestiegenen Energie- und Mietkosten. Deshalb ist unser Ziel, einen zweiten Hauptsponsor zu finden, um das ganze Konstrukt auf noch solidere Füße zu stellen.


Das größte Problem bleibt die fehlende Spielstätte, um das marode Eisland Farmsen zu entlasten und die strukturellen Bedingungen für einen Aufstieg zu erfüllen. In den vergangenen Saisons haben Sie stets gewarnt, dass ohne Unterstützung der Politik Eishockey als Profisport in Hamburg stirbt. In dieser Saison war es dahingehend ruhig. Haben Sie aufgegeben?

Gösch: Keineswegs. Wenn ich keine Hoffnung mehr hätte, wäre ich nicht mehr hier. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Zukunft des Eishockeys in Hamburg zu retten, und solange Licht am Ende des Tunnels scheint, geben wir nicht auf.


In welcher Form sehen Sie denn dieses Licht? Gibt es Bewegung seitens der Stadt beim Thema Hallenneubau?

Gösch: Leider nicht. Wir sind ständig in Gesprächen, aber wir brauchen dringend die Unterstützung der Politik. Selbst wenn wir jemanden hätten, der uns eine neue Halle baut, wäre ohne das dafür notwendige Grundstück noch nichts gewonnen. Es geht uns ja nicht nur um eine Halle mit dem von der DEL 2 geforderten Fassungsvermögen von mindestens 4000 Plätzen. Was wir dringend brauchen, ist eine Zweifeldhalle, um dem hohen Trainingsaufkommen im Nachwuchs gerecht zu werden, denn der Unterbau ist enorm wichtig.

Crocodiles-Geschäftsführer Gösch warnt vor großer Gefahr für Hamburgs Eishockey


Wer zu oft warnt und dann trotzdem weitermacht, dem wird irgendwann nicht mehr zugehört. Gibt es also ein Ultimatum, eine Zeitschiene, nach deren Ablauf Sie keine Chance mehr sähen?

Gösch: Es muss in den kommenden zwei Jahren eine klare Entscheidung geben, ob wir eine neue Halle bekommen. Wenn es eine Absichtserklärung gibt, kann man die Jahre der Bauzeit irgendwie überbrücken. Gibt es die nicht, dann bricht das Kartenhaus hier in sich zusammen, und dann wird es extrem schwer. Irgendwann ist ja auch den Sponsoren nicht mehr zu vermitteln, wofür sie sich noch engagieren sollen. Wir haben so viele Partner wie nie zuvor, haben mit einer knappen Million Euro den höchsten Etat unserer Geschichte. Jetzt muss etwas passieren.


Zumal die Mannschaft sportlich durchaus Argumente liefert, warum Eishockey in Hamburg eine Zukunft verdient. Wie zufrieden sind Sie mit der Hauptrunde?

Gösch: Sehr, denn wir haben das Ziel, das wir uns gesteckt hatten, erreicht. Die Top vier der Liga sind in anderen Sphären unterwegs, aber wir haben sie bis auf Halle alle mindestens einmal geschlagen und waren in der ersten Saisonhälfte das Team, das als erstes bei 100 Prozent war. Nach der Krankheitswelle im Dezember sind wir schwer wieder in Tritt gekommen. Dazu kam, dass der Ausfall unseres Führungsspielers Sebastian Moberg, der zum besten Verteidiger der Oberliga Nord gewählt wurde, im Januar uns arg geschwächt hat. An ihm haben sich alle hochgezogen, die Lücke zu schließen hat etwas gedauert. Aber wir wollen in den Play-offs noch einmal zeigen, wozu wir imstande sind.


Wie stark ist der erste Gegner, wie realistisch ist es, die erste Runde zu überstehen?

Gösch: Riessersee ist defensiv sehr diszipliniert und hat eine sehr ausgeglichen starke Mannschaft, die sich Rang vier im Süden verdient hat. Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass wir defensiv selbst enorm stabil sein müssen. Vorne werden wir unsere Tore schießen, aber dann müssen alle auch play-off-like nach hinten arbeiten. Wenn alles passt, können wir weiterkommen.

Die Crocodiles haben bereits drei Neuzugänge für die kommende Saison


Wichtiger als der kurzfristige Erfolg ist die langfristige Entwicklung. Was ist aus Ihrer Sicht die Identität, die sich die Crocodiles erarbeitet haben?

Gösch: Wir stehen für einen extremen Zusammenhalt. Die Jungs verstehen sich als eine Familie, die in guten und schlechten Zeiten eng zusammensteht. Das strahlen wir aus, und das war in dieser Saison ein großer Pluspunkt. Die Handschrift unseres Cheftrainers Henry Thom ist sehr deutlich zu sehen.


Wie wird sich der Kader in der kommenden Saison verändern?

Gösch: Es ist seit Jahren unser Ziel, so wenig wie möglich und so viel wie nötig zu verändern. Den Großteil des Teams wollen wir halten, es werden aber auch vier, fünf Positionen neu besetzt. Drei Neuzugänge haben bereits unterschrieben, wir geben es aber erst bekannt, wenn die Saison beendet ist. Und wir haben uns dazu entschlossen, bei Vertragsverlängerungen, über die wir bereits verhandeln, allen Spielern die gleiche Summe draufzupacken, unabhängig von ihrem Wert für die Mannschaft. Wir sind gespannt, wie das im Team angenommen wird.

Eine Personalie allerdings scheint bereits festzustehen. Crocos-Urgestein Tobias Bruns, der seit Jahren nicht nur Stürmer, sondern auch Pressesprecher ist, wird seine Karriere beenden.

Gösch: Das stimmt, Tobi will mehr Zeit für seine junge Familie und wird deshalb nicht mehr als Spieler zur Verfügung stehen. Ich bin aber sehr froh, dass er sich bereiterklärt hat, mir in der Geschäftsführung zu assistieren. Die Doppelfunktion ist mittlerweile doch belastend, und über die vielen Themen, die anliegen, haben wir gesprochen. Insofern bin ich sehr dankbar, dass Tobi den Crocodiles erhalten bleibt.