Hamburg. Der Ahrensburger Cornelius Jahn ist zweitschnellster deutscher Rückenschwimmer. Im Sommer geht er in die USA, 2024 will er zu Olympia.
Ob seine Mutter ahnte, wie sehr ihr Sohn sie beim Wort nehmen würde, weiß Cornelius Jahn nicht einzuschätzen. Der heute 20-Jährige war noch im Kindergartenalter, als seine knapp zwei Jahre ältere Schwester Alexandra und er zum Schwimmkurs angemeldet wurden. Die Mutter wollte, dass ihre Kinder mindestens bis zum silbernen Abzeichen durchzögen, um sich anständig über Wasser halten zu können.
Dass Cornelius nun, rund 15 Jahre später, regelmäßig um Gold statt Silber kämpft, war damals nicht abzusehen. „Aber mir hat es einfach Spaß gemacht, mich im Wettkampf zu messen, deshalb bin ich dabeigeblieben“, sagt er.
Anfang April stellte er neue Bestzeiten auf
Die Beharrlichkeit, das kann man heute ohne Übertreibung sagen, hat sich gelohnt. Bis zum vergangenen Wochenende war Cornelius Jahn der schnellste Rückenschwimmer des Jahres in Deutschland. Beim Meeting in Eindhoven (Niederlande) verbesserte er am ersten Aprilwochenende seine persönlichen Bestzeiten über 100 Meter auf 54,41 Sekunden und über die doppelte Distanz auf 1:59,60 Minuten.
Auch wenn der Leipziger Marek Ulrich (26) am vergangenen Wochenende in Heidelberg in 54,19 Sekunden über die 100 Meter gestoppt wurde, hat Cornelius Jahn die Normen für die U-23-EM in Dublin (Irland/10. bis 13. August) geknackt – und damit sein Ziel für diese Saison bereits erreicht.
Das bedeutet natürlich nicht, dass er sich von nun an auf die faule Haut legen kann. Schon an diesem Donnerstag reist der Ahrensburger, der für seinen Heimatverein ATSV startet, mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Bundesstützpunkt (BSP) Hamburg nach Berlin.
In Berlin letzte Chance für WM-Qualifikation
Dort versammelt sich die gesamte nationale Elite, um die letzte Chance wahrzunehmen, sich für die WM in Fukuoka (Japan/14. bis 30. Juli) zu qualifizieren. Aus dem Perspektivkader des Nationalteams sind neben Jahn auch Lagen- und Schmetterlingsspezialistin Kathrin Demler (26), Mittelstreckler Silas Beth (20) und Tobias Schulrath (20) dabei, der in Eindhoven über 100 Meter Schmetterling ebenfalls die Norm für Dublin knackte.
Zudem kommen die in den USA studierenden Hamburger Olympiahoffnungen Hannah Küchler (19) und Rafael Miroslaw (22) in die Hauptstadt. Aus dem Nachwuchskader sind Esi Bondzie (17), Lina Scheffler (16) und Moritz Krummel (16) dabei.
Trainer Müller glaubt an WM-Start in der Staffel
Bundesstützpunkttrainer Tobias Müller rechnet nicht damit, dass Cornelius Jahn die für die Fukuoka-Reise notwendigen Zeiten – 53,74 Sekunden über 100 Meter, 1:57,50 über 200 Meter Rücken – in Berlin unterbieten wird. „Aber das Ziel ist schon, die anderen zu ärgern, und zumindest einen Start in der Staffel traue ich ihm zu“, sagt er.
Den Platz in der WM-Lagenstaffel erhält jener Rückenschwimmer, der in der Kombination aus Vorlauf und Finallauf den schnellsten Mittelwert aufweist. Härteste Konkurrenten sind Ulrich und der Berliner Ole Braunschweig (25).
Cornelius Jahn als Spätstarter zu bezeichnen, das träfe nicht ganz den Punkt; wohl aber, dass er seine Karriere nicht überstürzt angeht. Erst als er sich 2017 bei seiner ersten Teilnahme an den Norddeutschen Meisterschaften gleich für die deutschen Jahrgangsmeisterschaften qualifizierte, war der Ehrgeiz geweckt, sich mit den Besten zu messen.
Jahn macht im Sommer sein Abitur
Seit 2018 trainiert er am BSP in Dulsberg, 2019 wechselte er an die dem Olympiastützpunkt angebundene Eliteschule des Sports am Alten Teichweg. Seitdem kennt seine Entwicklungskurve nur eine Richtung.
Ob die WM für ihn in diesem Jahr noch zu früh käme, will Cornelius Jahn nicht bewerten. „Die U-23-EM war das Ziel für diese Saison. Aber wenn ich die Chance bekäme, jetzt schon bei der WM Erfahrungen auf internationalem Topniveau zu sammeln, würde ich sie nicht ablehnen“, sagt er in der pragmatischen Art, für die sein Trainer ihn schätzt.
„Cornelius ist ein sehr fokussierter und disziplinierter Athlet, ohne dabei besonders verbissen zu sein“, sagt er. Cornelius Jahn fühlt sich damit treffend beschrieben. „Mir ist wichtig, dass ich trotz allen Ehrgeizes den Spaß am Schwimmen nicht verliere“, sagt er.
Im August geht er zum Studium in die USA
Dass dem 2,03 Meter langen Schlaks ein paar Kilogramm mehr Muskelmasse guttäten, wollen weder er noch der Coach verhehlen. „Aber mit seinen langen Armen und Beinen hat er technisch einige Vorteile, dazu kommt ein extrem gutes Gefühl fürs Wasser“, sagt Tobias Müller. „Die langen Hebel helfen mir schon“, sagt Cornelius Jahn, „wenn ich mit einem Konkurrenten im Zieleinlauf gleichauf liege, schlage ich meist eher an.“
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Um das Optimum aus seinem Körper herauszuholen, hat der Footballfan (Seattle Seahawks), der zur Entspannung vom Leistungssport gern das Strategiespiel „League of Legends“ spielt, den nächsten Karriereschritt bereits geplant. Nach der U-23-EM in Irland wechselt er an die Ohio State University nach Columbus (USA), um ein Wirtschaftsstudium zu beginnen und zudem vom herausragenden US-Sportsystem zu profitieren.
„Ich glaube, dass das für meine Entwicklung eine große Chance ist, die ich gern nutzen möchte, um meinen Traum zu realisieren, an Olympischen Spielen teilzunehmen“, sagt er. Voraussetzung dafür ist, dass er in diesem Sommer sein Abitur besteht. Die erste Prüfung steht am Donnerstag vor der Abfahrt nach Berlin an: Sport, schriftlich. Mit weniger als einer goldenen Note wird Cornelius Jahn sich nicht zufriedengeben.