Hamburg. Hamburgs Schwimmhoffnung Rafael Miroslaw will bei der WM in Ungarn sein Potenzial nachweisen. WM-Start an diesem Wochenende.
Wie es sein wird, voll im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen, weiß er noch nicht einzuschätzen. Aber die leise Vorahnung, die ihn in den vergangenen Tagen beschlichen hat, lässt Rafael Miroslaw sehr zuversichtlich auf den Höhepunkt seines Sportjahres schauen. „Ich versuche, das ganze Drumherum nicht so sehr an mich heranzulassen. Ich kann mit den Großen mitschwimmen und wichtige Erfahrungen sammeln. Mein Ziel ist es, meine Leistung zu bestätigen“, sagt er.
Bei der Schwimm-WM in Ungarns Hauptstadt Budapest, die an diesem Sonnabend mit den Beckenwettbewerben beginnt und bis zum 3. Juli dauert, zählt der 21 Jahre alte Hamburger zwar nicht zu den Medaillenkandidaten. Aber seit er Anfang April in Berlin den elf Jahre alten deutschen Rekord von Marco di Carli über die 100 Meter Freistil um fast drei Zehntel unterboten hatte und in 47,92 Sekunden als erster Deutscher auf der Langbahn unter 48 Sekunden geblieben war, gilt Rafael Miroslaw als einer, auf den man achten sollte. In Budapest springt er zum Auftakt am Sonntagvormittag über 200 Meter Freistil ins Becken, der Vorlauf auf seiner Paradestrecke ist für Dienstagvormittag geplant. Zudem ist er für das 4x100-m-Lagen-Quartett (25. Juni) nominiert.
Sein alter Trainer traut ihm zu seinen Rekord zu verbessern
„Rafael ist ein absoluter Wettkampftyp, der es liebt, sich mit den Besten zu messen. Ich traue ihm zu, bei der Weltmeisterschaft im Bereich seines Rekords zu schwimmen oder ihn sogar zu verbessern“, sagt Tobias Müller, der als Landestrainer viele Jahre in Hamburg mit dem Toptalent von der HT 16 arbeitete, ehe dieses im vergangenen Sommer für vier Jahre an die Indiana University nach Bloomington (USA) wechselte. „Sollte ihm eine solche Leistung gelingen, dann ist er ein klarer Kandidat für den Finaleinzug. Damit würde er sich sogar in der erweiterten Weltspitze etablieren.“
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Genau das ist das Ziel, das der einzige Hamburger im nur elf Aktive umfassenden deutschen Beckenaufgebot mit seinem Wechsel nach Nordamerika angepeilt hat. Allerdings hat er seinen Durchbruch erst für die Olympischen Sommerspiele 2024 geplant. „In Paris will ich erfolgreich sein, darauf arbeite ich hin, dafür gebe ich alles“, sagt er.
Die Intensität seines Trainings hat sich verändert
Wie das konkret aussieht, beschreibt der Managementstudent anhand verschiedener Aspekte. Sein Trainingsumfang habe sich im Vergleich zu seiner Hamburger Zeit kaum verändert – wohl aber die Intensität der einzelnen Einheiten. „Ich schwimme nicht mehr Umfänge als früher, dafür aber die einzelnen Strecken deutlich schneller. Mir macht das großen Spaß“, sagt er. Dazu komme die Siegermentalität, die seinen US-amerikanischen Trainingspartnern schon in der Jugend eingeimpft werde. „In Deutschland geht es meist darum, vorgegebene Zeiten zu erreichen, und wenn man das geschafft hat, ist alles gut. In den USA geht es darum, Rennen zu gewinnen, ob im Training oder im Wettkampf. Wenn man das schafft, kommt die Zeit von allein.“
Schon in Hamburg war Rafael Miroslaw damit aufgefallen, intensiv den Wettkampf zu suchen. Wenn manch Teamkollege noch dabei war, sich vorm Training abzuduschen, hatte er schon das Einschwimmen absolviert. Sein bisweilen überbordender Ehrgeiz war allerdings auch zu einem Gutteil dafür verantwortlich, dass er im Frühjahr vergangenen Jahres die Qualifikation für Olympia in Tokio verpasste. Obwohl seine Schulter bereits lädiert war, absolvierte er intensives Krafttraining, das er vor dem Trainerteam verheimlichte – so lange, bis er das wichtigste Gelenk im Körper eines Schwimmers nicht mehr bewegen konnte. „Ich habe daraus gelernt“, sagt er heute, „zum Glück habe ich keine chronischen Schäden zurückbehalten“, sagt er.
Die WM-Vorbereitung absolvierte der Absolvent der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg nicht in den USA, sondern am Stützpunkt in Heidelberg, wo seine Freundin Kim Herkle (19) ihre Basis hat. Hamburg hatte er verworfen, obwohl ihm das vor dem Berlin-Rekord Glück gebracht hatte. „Meine Familie wollte mich damals jeden Tag sehen, aber vor der WM wollte ich mich komplett aufs Schwimmen konzentrieren“, sagt er. Er weiß eben, was er will. Und sollte ihm schon bei dieser WM der Durchbruch gelingen, ist es mit der Ruhe sowieso vorbei.