Hamburg. Timo Hampel ist bei den Weltspielen dabei – und wurde mit Trisomie 21 geboren. Im Sport wünscht der 26-Jährige sich mehr Inklusion.
Zum Ende des Gesprächs mit dem Abendblatt wird Timo Hampel etwas ungeduldig, guckt immer wieder auf die Uhr an seinem Handgelenk. Es ist bereits kurz nach 13 Uhr – den offiziellen Start des Tennistrainings mit Schwester und Doppelpartnerin Gina (22) hat der 26-Jährige nun um ein paar Minuten verpasst. Gelohnt hat sich die leichte Verspätung, wie in der halben Stunde zuvor deutlich wurde, für ihn aber trotzdem. Denn Timo Hampel, der mit Trisomie 21 (Downsyndrom) geboren wurde, legt viel Wert darauf, dass Menschen mit geistiger Behinderung einen angemessenen Platz in der Gesellschaft erhalten und dass ihre Bedürfnisse verstanden werden.
„Die Politik soll endlich mal Menschen mit Behinderung zuhören. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Behörden uns wegstoßen. Das geht nicht“, sagt Timo Hampel mit einer Vehemenz, um die ihn manch ein Politiker beneiden könnte. Wenn in 100 Tagen die Weltspiele der Special Olympics in Berlin (17. bis 25. Juni) beginnen, werden der Hamburger und seine Schwester als sogenannte „Unified Partnerin“ (Athletin ohne Behinderung) bei der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung dabei sein. Insgesamt nehmen 14 Hamburgerinnen und Hamburger an den Spielen in Berlin teil.
Special Olympics Berlin: Timo und Gina Hampel sind im Sommer dabei
Bis zu dreimal pro Woche trainiert das Geschwisterpaar, das für den Eimsbütteler TV startet, zurzeit gemeinsam in der Tennishalle. Über Silber bei den Nationalen Special Olympics 2022 im Einzel und Gold im Doppel haben sich die Hampels einen Platz bei den Weltspielen gesichert. Gina Hampel, die für die Zweiten Damen des ETV spielt, muss ihr Leistungsniveau als Unified Partnerin dabei an ihren Bruder anpassen. „Ich darf keine Bälle spielen, die Timo nicht auch spielen könnte. Wenn er nicht mit 100 km/h aufschlagen kann, dann darf ich das auch nicht. So sind die Regeln“, erklärt sie.
Seit rund zwei Jahren stehen sie regelmäßig zusammen beim Tennistraining in der Halle. „Ich will nicht angeben, habe aber schon Erfahrung in vielen Sportarten“, sagt Timo Hampel und lacht. Auch Fußball, Handball, Hockey, Kampfsport, Schwimmen, Golf, Lauf- und Krafttraining habe er bereits ausprobiert. „Mein Hobby ist nicht Tennis, sondern Sport. Tennis macht mir aber am meisten Spaß, weil ich mit meiner Schwester zusammenspielen kann“, sagt er. „Der Sport gehört zu meinem Leben einfach dazu. So habe ich das Gefühl, ein richtiger Teil der Gesellschaft zu sein.“
Der Einzelwettbewerb wird für den Tennisspieler die Herausforderung
Auf dem Platz haben Timo und Gina Hampel vor allem einen Vorteil, sagen sie. „Zwischen uns herrscht ein großes Vertrauensverhältnis. Das ist unsere größte Stärke. Timo spielt so deutlich mutiger, weil er zum Beispiel keine Angst haben muss, bei Fehlern von mir angeschrien zu werden“, erklärt Gina Hampel. „Es ist ein Riesenvorteil auf dem Feld, dass wir Geschwister sind. Und ein weiterer Vorteil ist, dass meine Schwester keine Behinderung hat“, ergänzt Timo Hampel, der zurzeit auch für eine Kino- und eine Magenta-TV-Dokumentation begleitet wird, und grinst sein ansteckendes Grinsen.
Die größte Aufgabe wartet auf den 26-Jährigen in Berlin nicht im Doppel-, sondern im Einzelwettbewerb. „Das Einzel ist eine riesige Herausforderung für mich. Ich weiß auch nicht, wie gut die Spieler aus den anderen Ländern sind“, sagt er. „Bei den Nationalen Spielen im vergangenen Jahr waren durchgängig 35 Grad. Das war noch schwieriger für die Konzentration.“ Konzentrationsschwächen seien bei Menschen mit Trisomie 21 allerdings nicht ungewöhnlich, erklärt Gina Hampel. „Im Doppel muss und kann ich ihn ab und zu motivieren, den Ballwechsel konzentriert zu Ende zu bringen. Im Einzel fehlt ihm diese Hilfe“, sagt sie.
Timo Hampel möchte in Berlin vor allem Spaß haben
Ein konkretes Medaillenziel hat sich Timo Hampel nicht gesetzt. „Ich will einfach nur hinfahren, um Spaß zu haben und neue Leute kennenzulernen“, sagt Hampel, der sich abseits des Tennisplatzes ehrenamtlich beim SV Eidelstedt engagiert, bei Kursen von Kindern und Jugendlichen mithilft. Zudem arbeitet er an weiteren Öffentlichkeitsprojekten, um das Thema Inklusion in den Fokus der Gesellschaft zu rücken.
Sorge habe er lediglich vor der Sprachbarriere, die ihn bei den Weltspielen erwarten könnte. „Mein Englisch ist noch nicht so gut, wird aber immer besser“, sagt Timo Hampel, der zurzeit mithilfe seiner Mutter und einer Sprachlern-App auf seinem Handy an seinen Fremdsprachenfähigkeiten arbeitet. Es sind diese kleinen Dinge, die ihm manche Menschen auf den ersten Blick nicht zutrauen würden, mit denen Hampel aber immer wieder überrascht. So auch, als er im Gespräch unvermittelt den zweiten Artikel der UN-Menschenrechtserklärung zitiert, während er über die Bedeutung von Inklusion spricht. „Niemand darf diskriminiert werden“, sagt Hampel – und meint es auch. „Diese Dinge müssen ernst genommen werden“, fügt er an. Und: „Man muss uns so akzeptieren, wie wir sind.“
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Oft fühlen sich Menschen mit Behinderung ausgeschlossen oder beleidigt
Dass dies in seinem Leben nicht selbstverständlich ist, muss er regelmäßig erfahren. „Menschen ohne Behinderungen haben keine Ahnung, wie wir uns manchmal fühlen, wenn wir ausgegrenzt oder beleidigt werden“, sagt Hampel. Auch für den ETV spielt er vor allem, weil viele andere Vereine in Hamburg schlichtweg keine Inklusionssportgruppen anbieten.
Der Hamburger Sportbund (HSB) teilt auf Abendblatt-Nachfrage mit, dass zurzeit 29 Vereine in Hamburg gelistet sind, die inklusiven Sport anbieten und auch dahingehend gefördert werden oder zumindest eine Förderung beantragt haben. Abgesehen vom ETV und dem SV Eidelstedt sei das Inklusionsangebot des Inklusions-Sport-Vereins Alsterdorf, Alstersport, Phönix Sport oder des HSV besonders groß, heißt es vom HSB.
Nur 29 von 805 Hamburger Sportvereinen sind inklusiv
Beim Blick auf die Gesamtzahl der Vereine im Hamburger Sport-Dachverband – insgesamt vereinigt der HSB 805 Clubs – sind diese 29 inklusiven Vereine überschaubar. Mit anderen Worten: Nur rund 3,6 Prozent der Hamburger Sportvereine sind mit Inklusionsangeboten gelistet. „Es wäre cool, wenn es mehr Inklusionsgruppen im Hamburger Sport geben würde. Dann würden sich viel mehr behinderte Menschen trauen, Sport zu machen“, sagt Gina Hampel.
Sie hofft nun, dass die Weltspiele der Special Olympics helfen, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. „Ich würde mir für die Zukunft auch wünschen, dass die Veranstaltung noch näher mit den Olympischen Spielen verbunden ist. Es wäre zum Beispiel cool, wenn das Event zeitgleich mit den Paralympics oder im Anschluss an demselben Ort stattfindet, wo auch Olympia war.“
Bevor sich Timo Hampel mit seiner Schwester endgültig zum Training verabschiedet, will auch er noch etwas loswerden. „Ich habe zwei Wünsche“, sagt Hampel. „Einmal Gold bei den Weltspielen zu gewinnen. Und dass die Politik uns Menschen mit Behinderung endlich zuhört. Wir gehören zur Gesellschaft dazu. Das muss endlich akzeptiert werden.“