Klein Offenseth. Die Bereiterin im Stall von Herbert Ulonska liebt die anspruchsvollen Tiere. Ziel ist der Start beim Landeschampionat im Sommer
Bevor im Frühjahr die Decksaison beginnt, suchen Züchter den perfekten genetischen Abdruck für ihre eigenen Zuchtstuten. Jeder Springzüchter träumt im Wortsinn von einem Überflieger. Und denkt gerne im Hinterkopf an die nächste Europameisterschaft, an die Weltmeisterschaft oder ganz heimlich an die Olympischen Spiele.
Pferdezucht ist wie eine Schatzsuche. Das weiß natürlich auch Herbert Ulonska. Deshalb präsentiert der Eigentümer der Hengststation Mass J. Hell in der beheizten und liebevoll weihnachtlich dekorierten Reithalle mit seinem Team 17 seiner Hengste. Er ist ein Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt. Sein Tafelsilber auf vier Beinen präsentieren Reiter, die mit den auserwählten Hengsten gut können.
Über vier Sprünge präsentieren sich die künftigen Zuchthengste
Vier Sprünge sind aufgebaut. Es wird nicht langweilig, da sich die Reitwege zwischen den kleinen dekorierten Tannenbäumen als Wendemarke im Parcours verändern oder flexibel vom Reiter gewählt werden. Eine Reiterin setzt sich in der eigentlichen Männerdomäne bei Herbert Ulonska mit viel Fleiß und Mut an die Spitze: Claudia Wähling ist die Frau, die den Hengsten auf die Sprünge hilft. „Seit ich denken kann, wollte ich immer was mit Pferden machen.“
Mit kindlicher Hartnäckigkeit setzt Wähling den Pferdewunsch durch
Mit ihrer Hartnäckigkeit setzt sich Wähling im Kindesalter bei ihren Eltern durch. „Ich habe immer wieder genervt“, sagt die inzwischen 44 Jahre alte Springreiterin und Mutter einer fast 20 Jahren alten Tochter. Die Notlösung ihrer damals völlig entnervten Eltern: „Wir fahren in den Klövensteen und mieten für eine Stunde einfach mal ein Pony, dann sehen wir weiter.“
Gesagt, getan. Dort gehen in der Regel die niedlichen kleinen Vierbeiner eher mit den Eltern spazieren als umgekehrt. Zupfen mit Hingabe am Gras herum oder ziehen ahnungslose Eltern gerne von rechts nach links und zeigen den Weg, wie was zu laufen hat. Schon die kleinen frechen Vierbeiner merken sofort, was die machen können und nutzen jede Gelegenheit aus. Unternehmer, Manager, Teamplayer und Dienstleister sind mit der Führung im Klövensteen oftmals kläglich gescheitert.
Psychologisch betrachtet großes Kino. „Wer keine Ahnung hat, wie Tiere funktionieren, hat mit der Führung mit einem niedlichen Wald- und Wiesenpony verloren. Und so ähnlich lief es auch bei uns vor 40 Jahren“, sagt Ulonskas fest angestellte Bereiterin Claudia Wähling. „Später durfte ich hier und da selbst reiten, und in meiner Freizeit habe ich mich um die Vierbeiner mit PS-Stärke gekümmert.“
Mit Ende der Schulzeit geht’s nach Sankt Peter-Ording
Nach dem Schulabschluss hat Claudia Wähling schon Pläne. Auf nach St. Peter-Ording. Abnabelung vom Elternhaus ist der erste Schritt. Vater und Mutter wünschen, dass ihre Tochter eine solide Ausbildung absolviert, sie wird Zahnarztassistentin. Für die Pferdefrau langweilig, vielleicht ein Tick zu konventionell.
Die Kombination aber mit Ausritten am gefühlt weltweit besten Strand der Welt in St. Peter-Ording ist für Wähling der Trumpf. Nach Feierabend in der Zahnartklinik geht es regelmäßig in den Stall – eine Bereicherung. „Dann durfte ich dort Ausritte mit Schulpferden am Wochenende organisieren, ich war endlich wieder mehr beim Pferd.“ In der Zwischenzeit kauft sich die junge Reiterin ein Pferd – ein Traum geht in Erfüllung. Emotion pur.
Zu ihrem späteren Arbeitgeber Carsten Lauck kommt Wähling zuerst als Kundin
Dann Ortswechsel, ein neuer Job muss her. Sie sucht einen Reitstall, geht zunächst als Kundin zu Carsten Lauck nach Pinneberg. Der Pferdezüchter und Fachmann erkennt von Claudia Wählings feines Händchen von für die Vierbeiner. Der emotionale Punkt ist mit dem Angebot einer Festanstellung getroffen. „Klar, ich will mehr in der Pferdewelt erreichen“, sagt Wähling. „Da habe ich ganz flott unterschrieben.“
Die Liebe zu Hengsten kam später bei Carsten Lauck (55) in Pinneberg. Mit „Lauck’s Locke“, dem Sohn von Hengst Levisto, entdeckt Claudia Wähling eine neue Faszination. Zuvor wurde der Hengst vom internationalen Springreiter und Derbysieger Sören von Rönne auf Turnieren vorgestellt. Der Hengst bezog nach Ausbildung und gesammelter Erfahrung seine Box wieder bei Züchter Carsten Lauck. „Endlich durfte ich diesen Hengst reiten. Ein tolles Gefühl, es war für mich einfach eine Steigerung, ein Traum“, sagt Wähling.
„Für mich ist es der schönste Job der Welt.“
Nach 15 Jahren bei der Familie Lauck, kam das Angebot von Herbert Ulonska. Eine schwere Entscheidung, denn die Laucks sind für Claudia Wählig emotional eine zweite Familie. „Mehr Power, Energie, Aufmerksamkeit und Konzentration wird nun eingefordert. Hengste sind eigenwillig, nicht für jeden bestimmt“, sagt die 44-Jährige und ermutigt andere Frauen dazu, Pferden auf die Sprünge zu helfen. „Für mich der schönste Job der Welt.“
Ihr persönlicher Traum: „Ich möchte mit Hengst Stakkadetto, der dann fünf Jahre alt ist, beim Landeschampionat im Sommer in Elmshorn antreten.“