Hamburg. Deutsche Damen holen in Sporthalle Hamburg Gold. Drei Lokalmatadorinnen verabschiedet. „Germany’s Next Hockeystar“ überzeugt.

Der DJ hatte die Feiermusik längst aufgedreht, als sich die Jubeltraube der deutschen Hockeydamen noch einmal auflösen musste. Eine letzte Strafecke für die Finalrivalinnen aus den Niederlanden hatten die überforderten britischen Schiedsrichterinnen Rachel Williams und Gemma Jones mit Ablauf der Spielzeit verhängt.

Also: Party abbrechen, Schutzkleidung anziehen, den bereits sicher geglaubten Titel bei der Hallen-EM in der Sporthalle Hamburg absichern. Das gelang, weil die zur besten Turniertorhüterin gewählte Düsseldorferin Nathalie Kubalski auch diesmal ihren Handschuh zwischen Kunststoffkugel und Tornetz brachte. Der 5:4-Sieg stand fest, Jubeltraube und Feiermusik durften ein zweites Mal starten.

Hockey-EM: Nur Niederlande kann Deutschland fordern

Es war ein Ende, das zu diesem Kontinentalturnier nur bedingt passte, schließlich hatte sich die Spannung über weite Strecken in Grenzen gehalten. Zu dominant war die Auswahl des Hamburger Bundestrainers Valentin Altenburg durch die Gruppenphase gerauscht.

40:6 Tore bei fünf Siegen aus fünf Spielen unterstrichen die Unterlegenheit der Konkurrenz gegenüber der deutschen Mannschaft, die ausnahmsweise mit einer Reihe an Feld-A-Kader-Spielerinnen angetreten war, weil in diesem Jahr keine Terminüberschneidungen den Einsatz eines speziellen Hallenkaders nötig machten.

Einzig die Niederlande, die seit vielen Jahren auf ebendiese Spezialistinnen setzt, konnte sowohl beim 2:4 in der Gruppenphase als auch im Finale auf Augenhöhe mithalten.

Janne Müller-Wielands letzter großer Auftritt

Janne Müller-Wieland hatte dennoch großen Gefallen am hochspannenden Turnierausklang gefunden. „Genauso will man doch ein Finale gewinnen, mit viel Drama und Spannung. Ich fand auch die letzte Ecke nicht schlimm, so konnten wir sogar zweimal feiern“, sagte die Abwehrchefin, die noch vor der Siegerehrung ein letztes Mal im Mittelpunkt stand.

Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen Lisa Altenburg (33/Club an der Alster) und Franzisca Hauke (33/Harvestehuder THC) wurde die 36-Jährige vom Uhlenhorster HC von der internationalen Bühne verabschiedet.

Während Altenburg und Hauke ihre letzten Länderspiele bei den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio bestritten hatten und für ihre Vereine noch aktiv sind, war Müller-Wieland bereits vor Tokio aus dem Kader gestrichen worden und im vergangenen Sommer aus der Bundesliga abgetreten. „Umso besonderer war es für mich, hier noch einmal so einen Abschied zu bekommen“, sagte sie.

Emotionaler Abschied für Hauke und Altenburg

Auch Franzisca Hauke und Lisa Altenburg konnten die Tränen nicht zurückhalten, als sie von Henning Fastrich, Präsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), Blumen und ein gerahmtes Aktionsfoto überreicht bekamen. „Als ich nach der Nominierung darüber nachgedacht habe, dass ich in meiner Heimatstadt mein letztes Länderspiel bestreiten würde, habe ich es mir genauso gewünscht, wie es nun war“, sagte Mittelfeldspielerin Hauke.

Franzisca Hauke (r.) und Lisa Altenburg wurden im Rahmen der Hallen-EM vom Deutschen Hockey-Bund verabschiedet.
Franzisca Hauke (r.) und Lisa Altenburg wurden im Rahmen der Hallen-EM vom Deutschen Hockey-Bund verabschiedet. © Witters

Torjägerin Altenburg, Ehefrau des Bundestrainers, genoss nicht nur das Gefühl, im Beisein ihrer Kinder Sophie (9) und Noah (3) verabschiedet zu werden. Sie durfte auch die Auszeichnung als beste Torschützin des Turniers entgegennehmen. 14 Tore waren es, ihre beiden Finaltreffer eingerechnet. „Ich bin einfach nur glücklich, dass uns zum Abschluss dieser Triumph geglückt ist. Es hat krass viel Spaß gemacht, bei dieser unfassbaren Atmosphäre noch einmal mit dem Team spielen zu dürfen“, sagte sie.

„Germany’s Next Hockeystar“ Maertens überzeugt

Obwohl den deutschen Hockeydamen mit dem Trio eine gehörige Portion Qualität verloren geht, war es beruhigend zu sehen, dass die Nachfolgerinnen schon parat stehen. Allen voran konnte Pia Maertens von Rot-Weiß Köln unter Beweis stellen, warum sie schon länger als „Germany’s Next Hockeystar“ gehandelt wird.

13 Tore, drei davon im Finale, trug die 23-Jährige zum Triumph bei, überzeugte aber auch mit ihrer brillanten Schusstechnik und Ballführung sowie dem Blick für die Mitspielerinnen. „Zu sehen, was für einen Abschied Janne, Lisa und Sissy hier bekommen haben, motiviert mich, in den kommenden Jahren alles zu geben, um so etwas auch zu erleben“, sagte sie.

Unaufhaltsam: Dreifachtorschützin Pia Maertnes (Nr. 24) und die deutsche Damen rangen die Niederländerinnen auch im Finale nieder.
Unaufhaltsam: Dreifachtorschützin Pia Maertnes (Nr. 24) und die deutsche Damen rangen die Niederländerinnen auch im Finale nieder. © Witters

DHB-Trainer Altenburg lobt deutsches Kollektiv

Bundestrainer Altenburg versuchte, den Blick von den Einzelnen auf das Kollektiv zu lenken. „Das ist schon eine verrückte Truppe, auf die ich wahnsinnig stolz bin“, sagte der 41-Jährige, der 2016 mit den Herren Olympiabronze in Rio gewonnen hatte und die Damen zum 1. Januar dieses Jahres von Xavier Reckinger übernommen hatte.

„Wir hatten den Glauben daran, hier den Titel zu holen, und viele Ideen dahinter, wie wir die Spiele gewinnen wollten. Ich bin sehr froh, dass das alles so gut funktioniert hat.“

Ukrainerinnen in Hamburg minutenlang gefeiert

Für einen weiteren emotionalen Höhepunkt sorgte die Auswahl der Ukraine. Nach dem 1:0-Sieg im Spiel um Platz drei gegen Österreich wurde die Mannschaft von den 3550 Zuschauern in der Sporthalle minutenlang gefeiert. Das Team hatte sich dank der Unterstützung vieler Vereine und Privatleute drei Wochen lang beim TTK Sachsenwald auf die EM vorbereitet.

Emotionaler Moment: Die ukrainischen Hockey-Nationalspielerinnen bei der Siegerehrung in der Sporthalle Hamburg.
Emotionaler Moment: Die ukrainischen Hockey-Nationalspielerinnen bei der Siegerehrung in der Sporthalle Hamburg. © Witters

„Diese Medaille haben wir für unser Land gewonnen. Wir sind allen, die uns unterstützt haben, zutiefst dankbar“, sagte Teammanagerin Maryna Maksymenko. Während die eine Hälfte der Spielerinnen im Ausland bleibt, kehrten sieben weitere am Sonntag in ihre Heimatstadt Sumy zurück. Am Sonnabend noch Bronze, am Montag wieder Luftalarm – wie gut, dass der Sport in der Lage ist, für solche Mut machenden Lichtblicke zu sorgen.