Hamburg. Der Nordmeister unterlag im Finale Titelverteidiger und Rekordmeister TSV Abensberg mit 5:9. Ein Kämpfer ging den Hamburgern verloren.
Auf Ausreden hatte Dario Kurbjeweit Garcia überhaupt keine Lust. „Ich hätte meine beiden Kämpfe gewinnen müssen. Ich habe sie verloren, also muss ich das auf meine Kappe nehmen“, sagte der Bundeskaderathlet. Mit „das“ meinte der 28-Jährige den zweiten Rang, den er mit dem Hamburger Judo-Team (HJT) am Sonnabend bei der Final-Four-Endrunde um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft in der Sporthalle Wandsbek belegt hatte.
Ein Ergebnis, das nach genauerer Betrachtung zwar alle Beteiligten als absolut respektabel einordneten; aber natürlich verliert niemand gern ein „Finale daheim“, auch wenn es gegen Titelverteidiger und Rekordmeister TSV Abensberg passierte, der seinen 23. nationalen Meistertitel einheimsen konnte.
Hamburger Judo-Team holt einen Überraschungssieg und erhält Hiobsbotschaft
Die Frage, ob es für das HJT vor 1100 begeisterten Fans nach 2016, 2017, 2018 und 2020 zum fünften Stern gereicht hätte, wenn der beim Bramfelder SV aufgewachsene und mittlerweile in München trainierende Bundespolizist seine beiden Duelle im 100-kg-Limit mit seinem Nationalmannschaftskollegen Falk Petersilka (24) gewonnen hätte, blieb eine hypothetische. Klar war, dass das 5:9 gegen den bayrischen Serienchampion die Kräfteverhältnisse in den zwei Durchgängen des Finales angemessen widerspiegelte. Abensberg wirkte den Tick frischer, den es braucht, um nach einem langen Endrundentag auf nationalem und bisweilen gar internationalem Höchstniveau den Siegerpokal zu stemmen.
Begründbar war dies in der Tatsache, dass HJT-Cheftrainer Slavko Tekic in der Breite zu wenige Möglichkeiten besaß, um qualitativ gleichwertig in der Aufstellung zu rotieren. Das lag auch daran, dass ihn am Freitag ein bislang noch nicht erlebtes Schicksal traf. Der im Superschwergewicht eingeplante Georgier Gela Zaalischwili (23), der den verletzten deutschen Auswahlkämpfer Losseni Koné (21) als Punktegarant ersetzen sollte, war auf der Anreise über die Türkei verloren gegangen. In Antalya soll er am Freitagmorgen gelandet sein, danach verlor sich seine Spur. „Wir konnten ihn nicht mehr erreichen, wissen nicht, was mit ihm ist“, sagte Tekic.
Hamburger Judoka Ressel: Frust über Niederlage saß tief
Für den Coach bedeutete das, den im 100-kg-Limit vorgesehenen Schweizer Daniel Yannik Eich (22) am Freitagmittag vom Gewichtmachen abzuhalten und ihn neben Robin Wendt (32) in der höchsten Gewichtsklasse einzusetzen. Eich zahlte das Vertrauen im Halbfinale beim 10:4-Erfolg über den Südzweiten JC Leipzig – Abensberg siegte mit dem gleichen Resultat gegen den Nordzweiten Sport-Union Annen – mit einem Sensationssieg über den kubanischen Weltmeister Andy Granda (30) zurück, den er nach insgesamt 9:02 Minuten Kampfzeit in der Verlängerung per Ippon sicherstellte. Dann jedoch fehlten Eich gegen Abensbergs niederländischen Koloss Roy Meyer (31) im Finale die entscheidenden Körner.
Gleiches galt für den gegen Leipzig zweimal siegreichen Kurbjeweit Garcia, der wegen Eichs Aufstieg seine Gewichtsklasse (bis 100 kg) ebenso allein bespielen musste wie seine Nationalmannschaftskollegen Moritz Plafky (26/bis 60 kg) und Dominic Ressel (29/bis 81 kg), die immerhin drei ihrer vier Kämpfe gewinnen konnten. Ressel geriet nach seinem Schlusskampf mit Abensbergs Timo Cavelius (26) aneinander, der ihn mit Worten belegt hatte, die in einer Familienzeitung nicht zitiert werden sollen. Die kurzzeitig aufgeheizte Atmosphäre unterstrich, dass der Frust über die Niederlage zwar tief saß. Die wenig später erfolgte Umarmung zwischen den Kontrahenten bewies aber umgehend, dass Judo seine japanische Bedeutung – der sanfte Weg – zu Recht trägt.
"Beste Werbung für unseren Sport"
Nach der Siegerehrung fiel es keinem Hamburger schwer, die verdiente Niederlage anzuerkennen. „Das, was hier heute geboten wurde, war beste Werbung für unseren Sport“, fasste Thomas Schynol, Präsident des Deutschen Judo-Bundes und ob seiner Vergangenheit im HJT nicht zu 100 Prozent neutral, treffend zusammen. „Ich glaube, dass unsere Jungs heute nicht alles abgerufen haben, was sie können. Aber fast alle Kämpfe waren auf Augenhöhe, mit Platz zwei dürfen wir auch sehr zufrieden sein“, sagte HJT-Präsident Rainer Ganschow, der betonte, den eingeschlagenen Weg, in erster Linie auf Hamburger und nationale Topkämpfer zu setzen, weitergehen zu wollen.
Wie groß der Zusammenhalt trotz und vielleicht gerade in der Niederlage ist, unterstrichen die Bundeskaderathleten allesamt. „Wir sind einfach eine tolle Truppe, in der jeder für den anderen einsteht, deshalb bleibe ich dem HJT treu“, sagte Moritz Plafky. Dominic Ressel, der bei jedem anderen Bundesligisten willkommen wäre, unterstrich die Aussage seines Kölner Trainingskollegen. „Ich fühle mich hier so wohl, weil wir eine Gemeinschaft sind, in der vor allem der Charakter zählt. Den werden wir jetzt auch wieder zeigen und nächstes Jahr einen neuen Anlauf auf den Titel nehmen“, sagte er.
Judo Hamburg: Tekic will Generationenwechsel vorantreiben
Darauf baut auch Slavko Tekic. Der Serbe, mit seiner einfühlsamen und zugleich zupackenden Art seit Jahren Baumeister und Wegbereiter des Erfolgs, will zwar den Generationenwechsel weiter vorantreiben, indem er noch mehr Nachwuchskämpfer in die erste Mannschaft integriert und ein paar der Älteren in die zweite Mannschaft verschiebt.
„Aber der Kern dieser Truppe wird sich nicht verändern“, sagte er. Natürlich sei er traurig darüber, dass die einzige Niederlage der Saison 2022 im Finale in eigener Halle passiert ist. „Aber wenn wir daraus lernen und die richtigen Schlüsse ziehen, dann werden wir in der nächsten Saison noch ein Stück stärker sein.“