Hamburg. Hamburger Handballtorwart pariert in seinem 600. Erstligaspiel den entscheidenden Siebenmeter und sorgt für den Sieg gegen Gummersbach.
Es lief die 59. Minute, als Johannes Bitter einen kleinen Schritt nach rechts machte, abtauchte und die Sporthalle Hamburg in Winterhude emotional explodieren ließ. Bitter brüllte, ballte beide Hände zu Fäusten, das Publikum drehte durch. Ausgerechnet seine Siebenmeterparade hatte dem HSV Hamburg (HSVH) den 34:31 (18:11)- Sieg gegen den VfL Gummers- bach gerettet, noch 20 Minuten nach Schluss hallten „Jogi Bitter“-Sprechchöre durch die Halle.
Trainer: „Er ist immer noch heiß wie Sau"
„Dass man als Torhüter beim Siebenmeter so im Mittelpunkt steht, ist natürlich schön und passt zu dem Spiel heute“, sagte Bitter, der am Sonntag sein 600. Spiel in der Handball-Bundesliga machte. „Er ist immer noch heiß wie Sau. Als Torwart braucht man einfach diese Mentalität. Hoffentlich behält er die noch ein paar Jahre“, sagte Trainer Torsten Jansen über seinen Matchwinner.
Auch Kapitän Niklas Weller schwärmte nach dem Spiel: „Der Siebenmeter war megawichtig und die Entscheidung. Für ihn ist es umso geiler, in seinem 600. Spiel solch eine Parade zu haben.“
Mit seinem Jubiläumseinsatz ist Bitter in der ewigen Bundesligastatistik mit Christian Schwarzer (52) gleichgezogen. Künftig werden mit Bitter sowie Jan Holpert (625 Spiele) und Carsten Lichtlein (712) drei ehemalige Nationaltorhüter das Spitzentrio bilden. Während Holpert und Lichtlein ihre Karrieren bereits beendet haben, besitzt Bitter noch einen Vertrag bis zum Sommer 2026.
Besondere Atmosphäre in der Sporthalle Hamburg
Der 2,05-Meter-Schlussmann benötigte am Sonntag genau zwei Minuten und 52 Sekunden, um zu beweisen, dass er auch mit 40 Jahren noch zur absoluten Torwart-Premiumklasse zählt. Nach seiner ersten Parade brüllte der Keeper in Richtung der Fans – und die Fans brüllten zurück.
Es herrschte eine besondere Atmosphäre in der Sporthalle Hamburg, die mit 3466 Zuschauern fast ausverkauft war. Ein herkömmlicher Ballgewinn in der sechsten Minute wird an normalen Tagen zufrieden zur Kenntnis genommen. Sonntagnachmittag war kein normaler Tag, als der HSVH zum Gegenangriff lief, johlten die Zuschauer, Bitter peitschte mit ausgebreiteten Armen weiter an. Vorne düpierte der niederländische Spielmacher Dani Baijens den VfL-Mittelblock mit einem Tunnel-Anspiel auf Kreisläufer Weller, der HSVH führte mit 5:0 (7.).
Auf Hamburger Seite funktionierte fast alles
Die aufgestachelten Hamburger wirkten in der ersten Halbzeit zeitweise wie eine Gruppe Piranhas im Fressrausch. Aufsteiger Gummersbach wusste nicht, wie ihm geschieht, mit jedem Treffer wurden die HSVH-Spieler noch gieriger. „Wir haben fast in jedem Angriff ein Tor gemacht. Das motiviert alle“, sagte Bitter. Trainer Jansen schien es irgendwann zu gierig zu werden, der 44-Jährige versuchte, das Spiel von der Seite zu beruhigen. Es gelang ihm kaum.
Schlimm war das nicht, auf Hamburger Seite funktionierte (fast) alles. Aktionen wie von Linksaußen Casper Mortensen, der waagerecht in der Luft liegend einen Gummersbacher Pass aus der Luft pflückte und direkt zum Mitspieler passte, waren bezeichnend für die leidenschaftliche Abwehrarbeit.
Vorne zauberten Jacob Lassen, mit acht Toren diesmal bester HSVH-Werfer, und Dominik Axmann mit No-look-Anspielen hinter dem eigenen Rücken, kurz vor der Pause schien die Partie angesichts einer Neuntoreführung bereits entschieden (17:9/27.). Die Betonung liegt auf schien. „Wenn man in so einen Flow kommt wie wir, wo alles gelingt, ist das schwer, das Level aufrechtzuerhalten“, sagte Jansen.
„Wir hatten ein bisschen Angst, dass es noch kippt“
Nach dem Seitenwechsel leistete sich der HSVH zu viele technische Fehler, insbesondere Gummersbachs Jung-Nationalspieler Julian Köster sorgte dafür, dass Bitter das Tornetz besser kennenlernte. Nach sieben Paraden und einer starken Quote von 38,9 Prozent gehaltener Bälle in Halbzeit eins musste der Torhüter die Bälle reihenweise aus seinem Netz fischen. Gummersbach war plötzlich wieder auf drei Tore dran, für Bitter übernahm Ersatzmann Ivan Budalic beim 24:21 (43.).
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Der Kroate zeigte zwar zwei Paraden (48. und 50.), doch der HSVH wankte. „Wir hatten ein bisschen Angst, dass es noch kippt“, gab Bitter zu.Das Comeback von Kreisläufer Andreas Magaard nach überstandener Knieverletzung ging in der Schlussphase völlig unter. Die gesamte Halle stand, als Gummersbach in der vorletzten Minute die Chance bekam, per Siebenmeter auf ein Tor zu verkürzen. Jansen brachte Bitter – und der lieferte.
Weller: "Er kann jedes Spiel entscheiden“
„Er hat heute wieder gezeigt, was ihn sportlich ausmacht. Er kann jedes Spiel entscheiden“, sagte Kapitän Weller, der bei Bitters Bundesligadebüt im Jahr 2002 neun Jahre alt war. „Auch als Mensch ist er für die Mannschaft sehr wichtig, er kümmert sich um alles, hat immer ein offenes Ohr und gestaltet hier mit. Es ist perfekt, dass wir ihn bei uns haben.“
Ans Aufhören denkt Bitter noch lange nicht. „Hoffentlich geht es noch ein bisschen weiter. Ich würde gerne zurückschauen, wenn es noch ein paar Spiele mehr sind“, sagte er.
Tore HSVH: Lassen 8, Mortensen 6, Weller 6, Baijens 5, Valiullin 5, Andersen 2, Ossenkopp 1, Axmann 1, Theilinger, Schimmelbauer, Bergemann, Magaard, Feit. Tore Gummersbach: Köster 9, Blohme 5, Zeman 3, Stüber 3, Pregler 3, Jansen 3, Kodrin 2, Vidarsson 1, Styrmisson 1, Mappes 1, Schluroff, Kiesler, Schroven. Schiedsrichter: Kinzel/Grobe (Bochum).