Hamburg. Eva Lys und Noma Noha Akugue sind vor dem Tennisturnier in Hamburg so gut platziert wie nie. Beide fiebern auf das Turnier hin.
Wie banal manche Probleme im Leben eines Tennis-Profis sein können, erfährt Noma Noha Akugue in diesen Tagen. Die 18 Jahre alte Hamburgerin zählt zu den größten Talenten Deutschlands, ist auf Weltranglistenplatz 271 so gut platziert wie nie zuvor und reist zu Turnieren auf der ganzen Welt. Kein Hindernis scheint für sie zu groß – außer die rund zehneinhalb Kilometer, die ihr Elternhaus in Glinde vom Hamburger Tennis-Verbandszentrum in Horn trennen. „Meine Mutter ist nächste Woche allein zu Hause, und ich habe noch keinen Führerschein“, sagt Akugue.
Wenn die Linkshänderin, die seit diesem Jahr in Wiesbaden trainiert, ab Montag beim mit 60.000 US-Dollar dotierten W60-Event des Weltverbands ITF in ihrer Heimatstadt aufschlagen will, ist es gut möglich, dass sie sich ein Hotel in der Nähe der Tennishalle nimmt. „Weil ich die ganze Zeit unterwegs bin, habe ich fast keine Zeit, um die Prüfung zu machen“, sagt die Spielerin vom Club an der Alster.
Tennis: Noma Noha Akugue freut sich auf Turnier in Hamburg
Abgesehen von der fehlenden Fahrlizenz freut sich die Teenagerin auf das Turnier in Hamburg, bei dem sie dank einer Wildcard im Hauptfeld steht. „Es ist für mich super cool, zu Hause zu spielen. Das Hamburger Publikum wird wahrscheinlich der größte Vorteil für mich“, sagt Akugue, die zuletzt eine schwierige Phase in ihrer jungen Karriere erfolgreich gemeistert hat. Bei dem Vorgängerevent des diesjährigen Turniers, einem 25.000-Dollar-ITF-Turnier im Januar 2021, hatte Akugue mit dem Erreichen des Halbfinales bereits ihr Potenzial unterstrichen, ehe sie eine komplizierte Schulterverletzung fast die gesamte Saison 2021 kostete.
„Das war eine schwierige Zeit für mich“, sagt Akugue, die ein sogenanntes Impingement-Syndrom in der Schulter hatte. „Ich konnte fast nichts machen, nicht aufschlagen, keine hohen Vorhände spielen. Wir haben lange daran gearbeitet, dass ich wieder auf dem Platz stehen kann. Die Physiotherapeutin in Hamburg hat das aber nicht wirklich hinbekommen“, erzählt sie. Die junge Athletin, die abseits des Platzes schüchtern, während der Ballwechsel aber aggressiv auftritt, sah ihre Karriere in Gefahr. „Wir sind einfach nicht weitergekommen. Das war mental schwierig für mich. Ich habe mich körperlich und mental echt schlecht gefühlt“, sagt Akugue. „Das Gefühl, nicht weiterzukommen, hat mir Angst gemacht.“
Akugue verbesserte sich in Hessen enorm
Geholfen hat letztendlich ein Gespräch mit Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner, mit der Akugue als Mitglied des Porsche Talent Teams des Deutschen Tennis Bunds (DTB) regelmäßig in Kontakt ist. Rittner riet zu einem Wechsel zur Tennisakademie von Ex-Profi Benjamin Ebrahimzadeh nach Wiesbaden. In Hessen wurde Akugue wieder fit, verbesserte sich unter ihrem neuen Trainer Stjepan Vlasic in diesem Jahr um mehr als 400 Weltranglistenplätze. Die zwei Finalteilnahmen bei den ITF-Turnieren in Hechingen (Baden-Württemberg) und Prag (Tschechien) beweisen, dass sie auch in Hamburg vorne mitspielen kann.
Akugues nächstes Ziel ist die regelmäßige Teilnahme an Grand-Slam-Qualifikationen, am besten schon im Januar bei den Australian Open. „Um sicher dabei zu sein, brauche ich eine Platzierung in den Top 230“, sagt sie. „Dafür will ich jetzt so viele Punkte wie möglich sammeln.“
Eva Lys "sehr zufrieden mit Tennisjahr"
Wo Akugue hin will, steht Eva Lys bereits. Die 20 Jahre alte Hamburgerin hat in dieser Woche mit Platz 156 ihr bislang höchstes Karriereranking geschafft, bei den US Open erreichte sie im August die dritte Qualifikationsrunde. „Ich bin schon jetzt sehr zufrieden mit meinem Tennisjahr. Ich habe meine Ziele sogar noch übertroffen“, sagt Lys. „Ich bin zurzeit sehr selbstbewusst auf dem Platz und denke, dass in diesem Jahr noch sehr viel möglich ist. Die letzten Turniere in diesem Jahr will ich einfach nur genießen.“
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Zum Heimturnier reist die deutsche Meisterin von 2021 direkt aus der Slowakei an, wo sie an diesem Freitag im Viertelfinale eines ITF-Turniers steht. „Die Vorfreude auf Hamburg ist sehr groß. Ich trainiere fast jeden Tag in der Verbandshalle, deshalb fühle ich mich dort sehr wohl“, sagt Lys. „Ich genieße es immer, vor meiner Familie und meinen Freunden zu spielen. Ich weiß schon, dass ein paar Leute kommen werden, um mich zu unterstützen.“ Ein konkretes Ziel hat sich die Rechtshänderin, die auf Position acht der Setzliste steht, nicht gesetzt. „Mein Ziel ist eher leistungsorientiert, nicht ergebnisorientiert. Wie weit mich das im Turnier bringt, werden wir nächste Woche sehen.“
Tennis: Akugue freut sich auf Vereinskolleginnen
Als weitere deutsche Starterinnen sind Laura Siegemund (Nr. 182/Metzingen), Mona Barthel (Nr. 260/Neumünster) und Nastasja Schunk (Nr. 211/Ludwigshafen) bei der Auslosung am Sonnabend mit dabei. Mit der 17 Jahre alten Ella Seidel (Nr. 665), die zuletzt das Doppelfinale beim Juniorinnen-Turnier der US Open erreicht hat, erhält zudem eine weitere Hamburgerin vom Club an der Alster eine Wildcard.
Noma Noha Akugue freut sich auf ihre Vereinskolleginnen. „Wir sehen uns nicht so oft, verstehen uns aber echt gut“, sagt die 18-Jährige über ihr Verhältnis mit Eva Lys, auch mit Ella Seidel verstehe sie sich „richtig gut“. Und das, obwohl die 17-Jährige ebenso wenig mit einem Führerschein dienen kann.
Der Hamburger Marvin Möller muss die Wildcard für das parallel zum Damenturnier ausgetragene ATP-Challengerturnier (Kategorie 80/45.730 Euro Preisgeld) krankheitsbedingt ablehnen. Der 23-Jährige ist in diesem Jahr bereits mehrfach mit Erkrankungen ausgefallen, wollte nun eigentlich sein Comeback geben.