Hamburg. Anthony Ujah ist nach durchwachsenen Jahren zur offensiven Lebensversicherung von Eintracht Braunschweig geworden.

Der 21. April 2014 war der Anfang vom Aufstieg des Anthony Ujah. 81. Minute, Kölner Rhein-Energie-Stadion, sein Rechtsschuss zum 3:1 gegen den VfL Bochum zum Aufstieg für den 1. FC Köln. Von da an gab es keinen Blick in den Rückspiegel mehr. Erstligatore erst für die Rheinländer, dann für Werder Bremen und schließlich für – Liaoning Hongyun.

Und hier, im Nordosten Chinas, setzt der Abstieg ein. Der Nigerianer kann bei seinen Folgeengagements in Mainz und bei Union Berlin alles andere als überzeugen, gerät in Vergessenheit.

Ujah hat in acht Saisonspielen vier Mal getroffen

Eintracht Braunschweig verpflichtet den vertragslosen Mittelstürmer erst zwei Spieltage nach Saisonbeginn in der Zweiten Liga. Doch beim Aufsteiger avanciert der 31-Jährige zu einem der Gesichter des jüngsten, wenngleich mühsamen Aufstiegs in der Tabelle, und soll zugleich an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) den Abstieg des FC St. Pauli in der Rangliste beschleunigen.

Die nette Nebengeschichte dazu: Ujah, der in acht Saisonspielen viermal getroffen hat, stand im Sommer offenbar auch bei ebenjenem Kiezclub auf dem Zettel, dessen vier Angreifer es zusammen nur auf vier Treffer bringen. All das ringt St. Paulis Trainer Timo Schultz mal wieder nur ein schlumpfiges Grinsen ab.

Schultz über Pherai: „Ein richtig guter Zocker"

„Ujah ist jemand, der mit seinem Körper, seiner Robustheit und bei Standards Gefahr nachgewiesen hat. Je näher er dem Tor kommt, desto enger müssen unsere Innenverteidiger ran. Aber den Jungs, die wir im Sturm haben, vertraue ich genauso“, sagt Schultz. Und überhaupt: Aufschwung Anthony? „Für die Stabilität bei Braunschweig haben in erster Linie auch die Zugänge Filip Benkovic und Nathan de Medina in der Dreierkette gesorgt“, so der Trainer.

Wenn er sich denn schon einen Offensivakteur des Gegners aussuchen muss, dann doch bitte Immanuel Pherai. Das 21 Jahre alte Mittelfeldtalent, das im Sommer von Borussia Dortmund II gekommen ist und mit zwei Toren sowie drei Vorlagen reüssierte. „Ein richtig guter Zocker. Es wird eine Kernaufgabe, ihn nicht zur Entfaltung kommen zu lassen“, sagt Schultz.

Australier Irvine leidet unter Fußverletzung

Vom Gelingen dieses Vorhabens ist der 45-Jährige überzeugt. St. Pauli kassiert die wenigsten Torschüsse aller Zweitligisten, dazu hinter dem Karlsruher SC die zweitwenigsten zu erwartenden Gegentore. Die Umstellung von einem Akteur im defensiven Mittelfeld zur Doppelsechs fruchtet. Ob Jackson Irvine dort auf seiner angestammten Position Bälle staubsaugen kann, ist unklar.

Der Australier fehlte zuletzt mit Problemen am Fuß. „Ich hoffe, es ist nichts Schlimmeres“, so Schultz. Sollte es das nicht sein, ist Irvine ebenso eine Option für die Startelf wie sein von einer Oberschenkelverletzung nahezu genesener Kapitänskollege Leart Paqarada.

Ujahs Kopfballtor wurde zurückgepfiffen

Verletzungen hin, Ujah her, auf dem Papier sollte St. Pauli im Eintracht-Stadion, in das die Braun-Weißen 2250 Fans begleiten werden, Favorit sein. In der Praxis sprechen die Auswärtsschwäche und die Problematik gegen Mannschaften wie den Tabellen-16., der Umschaltfußball vor Ballbesitz präferiert, dagegen. Aus Sicht von Torwart Nikola Vasilj ist „so viel Aggressivität wie daheim“ notwendig. Für Schultz sind es die „Griffigkeit in der Verteidigung“ und die Begrenzung der Ballverluste in bedeutenden Zonen.

Und Ujah? Hat derweil ganz andere Probleme. Sein vermeintliches Kopfballtor gegen Kaiserslautern am vergangenen Spieltag wurde zurückgepfiffen, weil er sich aufgestützt haben soll. Braunschweiger Fans zürnten gegen Schiedsrichter Robert Schröder. Denn der kommt ausgerechnet aus der Stadt des großen Lokalrivalen Hannover. Nach der weiten Welt der Bundesligastadien, Nationalmannschaft und Chinas kam für Ujah die Provinz.

Vor dem Amtsgericht Hamburg beginnt an diesem Freitag der Prozess gegen einen Finanzbeamten und eine Sachgebietsleiterin, die zwischen 2014 und 2015 mit der Betriebsführung einer Vermarktungsfirma des FC St. Pauli beschäftigt waren. In diesem Zeitraum sollen sie Freikarten von einem Offiziellen des Clubs angenommen haben. Es besteht der Verdacht der Vorteilsnahme.