Hamburg. Dennis Tralau kam 2014 ins Trainerteam der ETV-Frauen, weil ihn Männerfußball nervte. Was ihm besonders wichtig ist.
In der vorvergangenen Woche wurde in der Halbzeitpause beim Nations-League-Spiel Deutschland gegen Ungarn (0:1) Hannah Paulini (27) geehrt. Die Stürmerin des Eimsbütteler TV erhielt die Kanone des Fachblatts „kicker“ als beste Viertligatorjägerin Deutschlands in der abgelaufenen Spielzeit. Da schaffte Paulini mit 58 Treffern den Durchbruch unter ETV-Trainer Dennis Tralau.
Paulinis Ehrung ist auch ein weiteres kleines Kapitel der großen Erfolgsstory Tralaus beim ETV, die bei dem 30 Jahre alten Coach mit einem kritischen Blick auf den Männerfußball begann. „Ich kam als Spieler über die Bezirksliga nicht hinaus. Nette Leute, aber viele nervige Partien. Alle schrien auf dem Platz herum und spielten schlechten Fußball“, sagt Tralau. Frauenfußball sei ehrlicher, weniger auf Selbstinszenierungen bedacht. „Bei den Männern“, kritisiert er, „denken die Hälfte der Spieler eines Kaders in der Kreisklasse B, sie seien Cristiano Ronaldo, obwohl sie beim Auslaufen mit Ball schon am Limit ihrer Fähigkeiten angekommen sind.“
ETV-Trainer Dennis Tralau: "Abstieg war Gold wert"
Seit Sommer 2014 muss er sich damit nicht mehr herumschlagen. Als Co-Trainer stieß er zum Trainerteam der Frauen des Eimsbütteler TV. In der Folgesaison übernahm er als Cheftrainer – und stieg aus der Oberliga Hamburg ab. „Wir hätten den Abstieg locker verhindern müssen. Doch er war Gold wert“, erinnert sich Tralau. „Wir haben alle Fehler aufgearbeitet und viel gelernt.“
Es folgte der direkte Wiederaufstieg in die Oberliga. Danach zwei fünfte Ränge, Platz drei und zwei. 2017 wurde Tralau zudem Leiter der ETV-„Kickbees“-Abteilung für Frauen- und Mädchenfußball, die sich mit fünf Frauen- und 14 Mädchenteams mittlerweile auf rund 400 weibliche Mitglieder verdoppelt hat. In der vergangenen Saison erntete Tralau schließlich die Früchte seiner Arbeit.
Die Bilanz: Oberligameisterschaft und Regionalligaaufstieg plus Einzug ins Hamburger Pokalfinale für die ETV-Frauen sowie Meisterschaft und Bundesligaaufstieg mit den ebenfalls von Tralau trainierten B-Juniorinnen. Doch Tralau sind nicht nur diese Erfolge viel wert. „
Wir haben für jede Spielerin in jeder Altersstufe und für jedes Niveau etwas anzubieten. Legen wir dieses Kriterium zugrunde, sind wir die erste Kraft im Hamburger Mädchenfußball. Im Frauenbereich sehe ich uns hinter dem HSV auf Augenhöhe mit dem FC St. Pauli. Die 350.000 Euro, die der HSV angeblich als Etat für sein Frauenteam ausgibt, haben wir nicht zur Verfügung. Trotzdem machen wir einen guten Job“, sagt Tralau.
Sein Credo: „Ich hasse es zu verlieren. Aber wenn ich wählen muss zwischen einer Niederlage und dem Gemeinschaftsgefühl im Verein, das den Spielerinnen eine Heimat gibt, nehme ich das Gemeinschaftsgefühl.“
Tralau lotste zwei Kräfte vom HSV zum ETV
Ab und zu nimmt Tralau auch der großen Konkurrenz etwas ab. So hat er für die B-Juniorinnen, die zum Saisonauftakt mit 1:0 beim Meister HSV siegten, deren Ex-Coach der vergangenen Saison, Niels Quante (29), verpflichtet, mit dem er auch privat befreundet ist. Quante suchte eine neue Herausforderung. „Die Frage, ob ich für Dennis arbeiten will, konnte ich nach wenigen Sekunden mit Ja beantworten. Ihn zeichnet vor allem aus, dass er für seine Werte eintritt. Er ist ehrlich, loyal, fleißig, kompetent und mit dem Herzen dabei“, sagt Quante.
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Auch Claudia von Lanken (45), vergangene Saison noch bis April beim HSV als Abteilungsleiterin für Mädchen- und Frauenfußball tätig, ließ sich von Tralau überzeugen und bringt ihr Können nun als sportliche Leiterin der Frauen und B-Juniorinnen beim ETV ein. Vom Klassenerhalt seines Frauenteams ist Tralau auf jeden Fall fest überzeugt. „Wir können Regionalliga“, verspricht er. „Das wollen wir in dieser Saison beweisen.“