Hamburg. Der Eimsbütteler TV spielt als einziger deutscher Verein mit Frauen und Männern in der Zweiten Liga Volleyball. Wie das klappt.
Männer, so sagt es das Klischee, wollen im Sport immer die Besten sein. Vor allem dann, wenn die Konkurrenz weiblich ist, denn welcher Mann verliert schon gern gegen eine Frau? Wenn man Leo Hauschild glauben darf – und der Student der Sonderpädagogik gibt im Gespräch keinen Anlass dazu, das nicht zu tun –, dann haben die Volleyballmänner des Eimsbütteler TV mit diesem Klischee nichts am Hut. Natürlich, gewinnen wollen sie auch immer.
Aber dass sie in den vergangenen beiden Spielzeiten im Schatten des Frauenteams standen, habe sie überhaupt nicht gestört, sagt ihr Kapitän. „Wir fanden es megacool, dass die Frauen aufgestiegen sind. Niemand von uns fühlte sich dadurch auf den Schlips getreten, im Gegenteil, für den ETV war es doch eine tolle Sache, dass erstmals in der Vereinsgeschichte ein Frauenteam in der Zweiten Volleyball-Bundesliga antreten konnte“, sagt der 24-Jährige.
ETV-Damen müssen sich Aufmerksamkeit wieder teilen
Nun jedoch, im dritten Jahr ihrer Zugehörigkeit zur zweithöchsten deutschen Spielklasse, müssen sich die ETV-Ladys die Aufmerksamkeit wieder teilen, nachdem die Männer erstmals seit 2007 wieder in die Zweite Liga aufgestiegen sind. Wenn man Louisa Krams (25) glauben darf – und warum sollte man einer im Controlling des Hamburger Traditionsunternehmens Hapag-Lloyd tätigen Schifffahrtskauffrau nicht glauben? –, dann ist in ihrer Mannschaft ebenfalls keinerlei Raum für Neid oder Missgunst. Im Gegenteil: „Wir haben alle mit den Jungs mitgefiebert und freuen uns riesig, dass wir nun gemeinsam den Verein in der Zweiten Liga vertreten dürfen“, sagt sie.
Eine Freude ist das, die in Hamburgs mit knapp 14.500 Mitgliedern drittgrößtem Sportverein viele teilen. Allen voran Frank Fechner. „Bundesweit gibt es das kein zweites Mal, dass ein Verein mit Frauen und Männern im Volleyball zweitklassig ist. Das ist ein schönes Alleinstellungsmerkmal für den ETV“, sagt der Vorsitzende. Im Floorball kann der Eimsbütteler Traditionsclub sogar auf Erstligateams bei Frauen und Männern setzen. „Das unterstreicht, worum es dem Verein geht: dass die Geschlechter gleichrangig behandelt und gefördert werden“, sagt Werner Kernebeck.
ETV: Unterstützung auch außerhalb der Abteilungen
Der 54-Jährige ist seit diesem Sommer neu im Verein, er hat als Cheftrainer der Männer die Aufgabe der zum Frauenteam abgewanderten Ines Laube (32) übernommen. Die familiäre Atmosphäre im gesamten Club habe ihn am meisten überrascht, sagt er. Und tatsächlich nehmen die Aktiven spartenübergreifend Anteil am sportlichen Werdegang der anderen Teams.
„Ich war zum Beispiel als Fan mit den Floorballern bei der Pokalendrunde in Berlin. Dafür kommen viele von denen bei uns zugucken“, sagt Leo Hauschild, der 2016 vom Niendorfer TSV zum ETV gewechselt war. Auch zum Basketball und Wasserball gebe es viele Verbindungen. „Es gibt über die Abteilung hinaus ganz viel Unterstützung aus dem gesamten Verein“, bestätigt auch Louisa Krams, die seit 2019 ETV-Mitglied ist. So teile man sich mit anderen Abteilungen einen Fotografen, auch das Livestreaming übernehmen oft spartenfremde Supporter.
Enge Verbindung könnte zum Erfolgsfaktor werden
Dennoch glauben die zwei Mannschaftsführenden, die beide im Mittelblock agieren, dass die Verbindung der Volleyballteams untereinander in dieser Saison zum Erfolgsfaktor werden wird. Um die Gemeinschaft weiter zu stärken, haben sie in Abstimmung mit der Volleyball-Bundesliga (VBL) die Spielpläne so gestalten können, dass die meisten Heimspiele im Doppelpack in der Sporthalle Hoheluft am Lokstedter Steindamm ausgetragen werden können.
Zwar müssen die Männer, die am vergangenen Wochenende mit einer 2:3-Niederlage bei VV Humann Essen in die Saison 2022/23 gestartet waren, ihr Heimspieldebüt an diesem Sonnabend (19 Uhr) gegen den Kieler TV noch allein bestreiten, da die mit 3:0-Sieg in Schwerin und 2:3-Niederlage in Stralsund gestarteten Frauen spielfrei sind. „Aber natürlich werden wir unser freies Wochenende nutzen, um die Männer in der Halle anzufeuern“, sagt Louisa Krams.
"Beide Teams sind gleichberechtigt"
Am 8. Oktober dann folgt der erste Doppelspieltag. Zunächst empfangen die Frauen um 15 Uhr Blau-Weiß Dingden zu ihrem ersten Heimspiel, vier Stunden später gehen die Herren gegen TuS Mondorf ans Netz. Allerdings wird es nicht immer so sein, dass die Frauen das Vorspiel bestreiten und die Männer den publikumsträchtigeren Abendtermin bekommen. „Wir wechseln uns ab, so dass beide Teams gleichberechtigt sind“, sagt Louisa Krams.
Der Vorteil der Doppelpacks liegt auf der Hand. Während es in den vergangenen Jahren kaum Überschneidungen gab, weil die Männer in der Halle Bundesstraße spielten und die Spielpläne nicht abgestimmt waren, können sich die Teams, die zwar beide jeweils montags, mittwochs und donnerstags, aber an unterschiedlichen Orten trainieren, nun gegenseitig öfter zuschauen. Außerdem braucht man nun nur einmal die sonst für Aufbau und Organisation von zwei Spielen benötigten Freiwilligen.
ETV: Erreichen der Saisonziele steht im Vordergrund
„Ich bin mir sicher, dass der Zusammenhalt noch einmal deutlich wachsen wird“, sagt Leo Hauschild, der in der neuen Umgebung zunächst noch auf viel Unterstützung der Frauen baut. „Aber wir wollen da schnell reinrutschen und den Frauen ein verlässlicher Partner sein. Vor allem aber wollen wir eine witzige Zeit miteinander haben“, sagt er.
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Zweifel daran, dass das gelingt, haben beide nicht. Vielmehr sind sie gespannt darauf, ob aus der sportlichen Verbindung bei der einen oder dem anderen auch eine private Beziehung wird, denn die gibt es aktuell zwischen den Teams nicht. Im Vordergrund steht aber, dass die Saisonziele – Klassenerhalt bei den Männern, ein Platz in der oberen Tabellenhälfte bei den Frauen – erreicht werden. Denn ihr Alleinstellungsmerkmal wollen sie so lange wie möglich bewahren.