Hamburg. Warum die Argentinierin Agustina Gorzelany sich für einen Wechsel in die Bundesliga zum Großflottbeker THGC entschied.
Manchmal können Wünsche ziemlich profan sein. „Mein erstes Tor schießen“, so lautet die Antwort, die Agustina Gorzelany auf die Frage gibt, welche persönlichen Ziele sie sich für ihr Engagement in der Hockey-Bundesliga gesetzt habe. Vier Spiele sind gespielt in der Feldsaison 2022/23, und wenn der Großflottbeker THGC an diesem Wochenende auf der Anlage an der Otto-Ernst-Straße den TSV Mannheim (Sa.) und den Münchner SC (So., jeweils 11.30 Uhr) empfängt, hofft die Neuerwerbung aus Argentinien sehnlichst auf ein Ende ihrer Torflaute.
Gorzelany ist eine Weltklasse-Spielerin
Ganz so profan, wie der Wunsch scheint, ist er tatsächlich nicht. Denn Agustina Gorzelany ist nicht irgendeine Spielerin aus dem südamerikanischen Land, in dem Hockey der beliebteste Frauensport ist. Die 26-Jährige darf sich als weltbeste Strafeckenschützin bezeichnen. Bei der WM im Juli, die Argentinien nach einer 1:3-Niederlage gegen Co-Gastgeber Niederlande mit der Silbermedaille abschloss, war die Innenverteidigerin mit acht Eckentreffern beste Torschützin des gesamten Turniers. Von einer Spielerin ihres Kalibers, die das im Damenhockey seltene Schlenzen fast so gut beherrscht wie ihre männlichen Pendants, wird also Zählbares erwartet.
„Die Erwartungen sind natürlich hoch, was es für mich nicht ganz einfach macht“, sagt die Ausnahmekönnerin, an deren Beispiel sich optimal belegen lässt, dass der Erfolg mit der wichtigsten Standardsituation im Hockey eben nicht allein von der Schützin abhängt. „In der Nationalmannschaft trainieren wir von montags bis freitags mehrere Stunden gemeinsam. Die Abläufe bei der Ecke können alle blind ausführen“, sagt Agustina Gorzelany, die seit ihrem zwölften Lebensjahr individuelles Eckentraining absolviert und sich auf das Zusammenspiel mit Herausgeberin und Stopperin zu 100 Prozent verlassen kann.
Bei neuen Mitspielerinnen, die nur zwei- bis dreimal pro Woche trainieren und qualitativ nicht ganz auf dem Level der zweitbesten Mannschaft der Welt mithalten können, müsse man Geduld mitbringen. „Wir müssten wahrscheinlich mehr trainieren, aber die meisten hier sind ja keine Profis. Ich gebe alles, damit wir schnellstmöglich Erfolg haben“, sagt sie.
Mitspielerin Alonso half bei der Verpflichtung mit
In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, wo sie geboren und aufgewachsen ist, hat Agustina Gorzelany den Status einer Profisportlerin. Sie wird dafür bezahlt, dass sie dem Nationalteam vollumfänglich zur Verfügung steht – ganz anders als in Deutschland, wo keine Damenspielerin vom Hockey leben kann. Dennoch entschied sie sich, nachdem sie in der vergangenen Saison in Spanien aktiv war, eine zweite Auslandsstation anzusteuern.
Dass es der Großflottbeker THGC wurde, der unter den aktuellen Hamburger Bundesligisten die Nummer vier ist und in der vergangenen Spielzeit den Abstieg nur knapp vermied, hat mit zwei Menschen zu tun.
Der eine ist Rolf Meijer-Werner (84), der als Betreuer für das Damenteam des GTHGC tätig ist und dank seiner Südamerika-Verbindungen die Drähte nach Argentinien legt. „Er hat mir in Gesprächen den Wechsel ans Herz gelegt“, sagt Agustina Gorzelany, die neben einer Aufwandsentschädigung auch Wohnung und Auto gestellt bekommt.
Die andere ist Agostina Alonso (28), ihre Mitspielerin im Nationalteam, die schon in der vergangenen Saison für Großflottbek spielte und nicht aufhörte zu graben, bis die Zusage da war. „Augstina bringt unserer Abwehr eine Stabilität, die wir gebraucht haben. Außerdem hat sie im Spielaufbau Qualitäten, die uns ebenfalls gefehlt haben. Und ihre Strafecke spricht sowieso für sich“, sagt die Mittelfeldspielerin, die aber auch den Reifeprozess des gesamten jungen Teams lobt. „Wir haben alle wichtige Erfahrungen gesammelt und spielen auf höherem Niveau. Deshalb glaube ich, dass wir besser sind als vergangene Saison“, sagt sie. Der 3:2-Derbysieg beim Club an der Alster zu Saisonbeginn, der viele überraschte, sei dafür ein guter Beleg.
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Agustina Gorzelany wusste wenig über die Bundesliga, bevor sie in Begleitung ihres Partners Gaston Sambuco, der für Großflottbeks Herren in der Zweiten Liga in der Abwehr spielt, nach Hamburg kam. Viel allerdings wusste sie über das deutsche Hockey, das sie in diversen Duellen mit dem Nationalteam, zuletzt beim Penaltysieg im WM-Halbfinale, kennenlernen konnte. „In Deutschland wird mit sehr viel Tempo und Disziplin gespielt“, sagt sie, „außerdem ist die Liga viel ausgeglichener besetzt als in Buenos Aires. Hier ist gefühlt jedes Spiel richtig schwierig. Ich denke, dass ich hier lernen kann, jedes Spiel mit 100 Prozent zu bestreiten.“
Wie lange bleibt Gorzelany in Hamburg?
Wie lange sie davon profitieren wird, ist unklar. Zunächst hat sie sich nur für die Hinrunde verpflichtet, die bis Ende Oktober dauert. „Momentan fühle ich mich hier so wohl, dass ich glaube, dass ich im Frühjahr wiederkomme“, sagt sie. Die menschliche Wärme, die ihr im Verein und im Umfeld entgegengebracht werde, könne die herbstliche Frische Hamburgs, die sie in der vergangenen Woche kalt erwischte, problemlos kompensieren. Was ihr allerdings nicht gelingen werde, sei das Erlernen der deutschen Sprache. „Ich habe es über Duolingo probiert, aber es ist wirklich sehr schwierig“, sagt die Designstudentin, die über das Internet ihre Kurse absolviert.
Zum Abschluss fällt ihr doch noch ein weiteres persönliches Ziel ein. „Ich würde mir wünschen, dass ich hier im Verein und in der Bundesliga meine Spuren hinterlasse“, sagt sie. Das dürfte ihr auch ohne ein Eckentor gelingen.