Hamburg. Welche Rolle die Energiekrise spielt und mit welchem Verein sich der Oberligaclub beim Thema Arena-Neubau zusammenschließen will.
Vorfreude auf die neue Saison? Doch, die verspüre er, sagt Henry Thom, nachdem fast eine Stunde lang nur über die vielen Probleme gesprochen wurde, die auf die Eishockeymänner der Crocodiles Hamburg warten in der Spielzeit 2022/23, die an diesem Freitag (20 Uhr) im Eisland Farmsen gegen die Diez-Limburg Rockets beginnt. „Ich freue mich auf hoffentlich wieder volle Hallen, denn das ist das, was den Jungs und mir am meisten gefehlt hat in den vergangenen beiden Jahren“, sagt der 52 Jährige, der in seine zweite Saison als Crocos-Cheftrainer geht.
Ob er auch deren Ende erleben wird, das ist zumindest nicht garantiert. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen der Drittligist steht, sind noch einmal größer geworden, und so kalkuliert Geschäftsführer und Sportdirektor Sven Gösch ein vorzeitiges Abmelden der Mannschaft in seine Planungen mit ein. „Ich gehe davon zwar nicht aus. Aber man muss solche Szenarien im Hinterkopf haben. Wir werden nicht mit einem Lächeln im Gesicht in die Kreissäge laufen“, wählt der 50-Jährige ein drastisches Bild.
Crocodiles Hamburg besorgt wegen stromfressender Eishalle
Gösch ist ein gebranntes Kind, das im Dezember 2018 beantragte Planinsolvenzverfahren, das nach dem angedrohten Rückzug eines wichtigen Investors nötig – und erfolgreich abgeschlossen – wurde, ist in frischer Erinnerung. „In Zeiten wie diesen werden wir nicht riskieren, dass Menschen nicht das Geld erhalten, das ihnen zusteht“, sagt Gösch, „wenn also eine Situation droht, in der wir zahlungsunfähig sind, werden wir rechtzeitig reagieren.“
Die Gründe dafür, dass über ein solches Szenario geredet werden muss, sind vielschichtig. Die Auswirkungen der Energiekrise, die auf den Betrieb von stromfressenden Eishallen durchschlagen dürfte, seien derzeit nicht abzuschätzen. Das städtische Unternehmen Bäderland, das die Heimspiel- und Trainingsstätte der Crocodiles am Berner Heerweg betreibt, vermietet die Eiszeit an den Hamburger Eis -und Rollsportverband (HERV), der diese an die Vereine weitergibt. „Wir kennen noch keine Zahlen“, sagt Gösch, der mit einer Erhöhung von 20 Euro pro Stunde, die laut ersten Hochrechnungen ansteht, leben könnte.
Viel wichtiger sei, dass die ebenfalls noch immer unsichere Corona-Lage nicht erneut zu Geisterspielen zwinge. „Das wäre eine Katastrophe, denn die Ticketeinnahmen sind unser wichtigstes Standbein“, sagt Gösch, der in dieser Saison den vereinsinternen Rekordetat von mehr als einer Million Euro stemmen muss. „Reisen, Wohnungen, Spielbetrieb, alles ist teurer geworden“, sagt er. Mehr Geld für Spieler, wie es die Ligakonkurrenz aus Hannover (Scorpions und Indians), Halle oder Leipzig zur Verfügung habe, sei nicht eingepreist. Dennoch ist sportlicher Erfolg unabdingbar, denn nur darüber könne die Hoffnung des Cheftrainers auf eine volle Halle Realität werden.
Dauerkartenverkauf läuft bei den Crocodiles schlechter als im Vorjahr
Den für den Lizenzantrag im Frühjahr kalkulierten Zuschauerschnitt von 1200 hat Gösch bereits auf 1000 herabgesetzt, nicht einmal 300 verkaufte Dauerkarten im Vergleich zu den 450 der vorangegangenen Spielzeit zwangen ihn dazu. 460 Zuschauer sind die Grenze, bei deren Überschreiten Geld für den Betrieb der Mannschaft übrig bleibt. Angesichts des dicht gedrängten Spielplans mit 56 Hauptrundenpartien und des drohenden Krisenwinters müsse man davon ausgehen, „dass die Menschen ihr Geld beisammenhalten und sich ein paar Highlight-Spiele herauspicken“, sagt Gösch.
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Ein solches wollten die Crocodiles am 30. Dezember im Millerntor-Stadion des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli gegen die Hannover Indians bestreiten. Es habe bereits Vorverträge gegeben, ein sechsstelliger Gewinn wäre möglich gewesen, sagt Gösch. Doch im Juni erteilte der Kiezclub, der der Darstellung widerspricht, es habe vertragliche Bindungen gegeben, den Plänen eine Absage, da eine derart energieintensive Veranstaltung nicht zu seinen Nachhaltigkeitszielen passe. Die Indians spielen nun am 17. Dezember im Stadion von Hannover 96 das erste Freiluftspiel der Oberligahistorie gegen die Scorpions.
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Sven Gösch muss nun also zusehen, dass er die Verhandlungen mit zwei Unternehmen, die als Hauptsponsoren einen niedrigen sechsstelligen Betrag zahlen sollen, zu einem erfolgreichen Ende bringt. 45 Unterstützer bilden aktuell den Sponsorenpool, „zum Glück sind fast alle dabei geblieben“, sagt er. Die seit Jahren diskutierten Pläne für eine neue Eishalle, die für einen Aufstieg in die DEL 2 unabdingbar ist, sind ins Stocken geraten. Man sei mit den Bundesliga-Handballern des HSV Hamburg in Gesprächen über ein gemeinsames Projekt, das jedoch frühestens 2026 realisiert werden könnte.
Sportlich lautet die Zielvorgabe, die Play-offs zu erreichen, am besten ohne Umweg über die Pre-Play-offs, die die Teams auf Rang sieben bis zehn bestreiten. „Wenn es optimal läuft, können wir Platz vier angreifen“, sagt Henry Thom, der nach dem Karriereende von Kapitän Norman Martens Angreifer Dominik Lascheit (27) zu dessen Nachfolger bestimmte. Assistenten sind Abwehrspieler Jan Tramm (27) und Stürmer Adam Domogalla (29). Die Neuzugänge – im Sturm Juuso Rajala (33/Finnland), Niklas Jentsch (22) und Max Spöttel (26), in der Abwehr Philipp Hertel (22), Sebastian Moberg (26/Finnland) und Philip Kuschel (24) – seien in der laufintensivsten Vorbereitung seiner Trainerkarriere gut integriert worden.
Im Tor sollen sich Stammkeeper Kai Kristian (31) und Backup Nils Kapteinat (22) die Einsätze weitgehend aufteilen. „Ich wollte mehr Tempo, mehr Aggressivität im Team. Mein Gefühl ist, dass wir den Fans das bieten können“, sagt der Cheftrainer. Ob das ausreicht, um seine Vorfreude zu stillen, bleibt abzuwarten.