Hamburg. Die Geschichten von drei der 4219 Läuferinnen und Läufer. Grote über die Umstände des “Corona“-Marathons erfreut und traurig zugleich.
Als Martin Musau am Sonntagmorgen um kurz nach elf Uhr auf die Glacischaussee einbog, hatte der Regen für kurze Zeit ausgesetzt. Schnellen Schrittes eilte der 23 Jahre alte Ugander die letzten Meter der langen, mit rotem Kunststoffteppich ausgelegten Zielgeraden des Hamburg-Marathons hinunter, nach Kräfte zehrenden 42,195 Kilometern sank er erschöpft zu Boden, nahm einen kräftigen Schluck aus der ihm gereichten Wasserflasche.
In 2:10:14 Stunden hatte der Familienvater aus dem 1915 Meter hoch gelegenen Distrikt Kapchorwa im Osten Ugandas seinen ersten Marathon gewonnen, die Enttäuschung, bei seiner Premiere nicht eher angekommen zu sein, trübte seine Freude nur leicht.
Marathon-Sieger ärgert sich über die Zeit
„Zwei Minuten hätte ich vielleicht schneller laufen können. Auf der Strecke wehte es an einigen Stellen heftig, die Straßen waren nass, manchmal glitschig, die beiden Tempomacher stiegen schon nach elf und 21 Kilometern aus, am Schluss hatte ich ein paar Oberschenkelprobleme“, erzählte Musau, der in seiner Heimat als Sportlehrer arbeitet.
Seit Juli trainierte er gezielt auf einen Marathon, vor etwa vier Wochen kam die Anfrage aus Hamburg. Er sagte sofort zu. Am Freitagmorgen landete er in Fuhlsbüttel.
Hamburg-Marathon: Nur 4219 Läufer am Start
Vieles war ungewöhnlich beim 35. Haspa Marathon, der mit 17 Monaten Verspätung im Miniformat stattfand, der kleinste seit der Erstaufführung am 25. Mai 1986 war. Nur 6000 Läuferinnen und Läufer, alle vollständig geimpft, ließen Stadt und Gesundheitsämter zu, statt den üblichen 20.000 in den Vor-Corona-Jahren.
5157 hatten bis zum Stichtag 28. August gemeldet, am Start standen schließlich 4219 Marathonis, Staffelläuferinnen und -läufer sowie Halbmarathonis, die eine Stunde vor dem großen Feld auf ihre 21,1 Kilometer geschickt wurden. Einige von ihnen trafen erst nach dem Marathonsieger ein.
Marathon-Sieger erhalten keine Prämie
Angesichts der erzwungenen geringen Teilnehmerzahl, die Startgelder machen gewöhnlich mehr als die Hälfte des Veranstaltungsbudgets aus (2019: 3,1 Millionen Euro, jetzt 1,3 Millionen), der dennoch kaum gesunkenen Fixkosten für Straßensperrungen, Drängelgitter, Toiletten, Ordner, Wasser und Verpflegung konnten diesmal keine Prämien gezahlt werden.
Musau, die Äthiopier Masresha Bisetegn (2./2:10:54) und Belay Bezaph (3./2:14:00) sowie Frauensiegerin Gadise Demissie (Äthiopien) in starken 2:26:19 Stunden werden dafür 2022 wieder eingeladen, dürfen dann auf Antritts- und Preisgelder hoffen.
Hamburger Meister trainierte bei Airbus
Benjamin Franke konnte dagegen den Lohn für seine Mühen kassieren. Der 31-Jährige vom Laufteam Haspa Marathon kam in 2:32:21 Stunden als Siebter ins Ziel, als schnellster Deutscher, und wichtiger noch für ihn, als schnellster Hamburger, was ihm erstmals den Titel des Stadtmeisters einbrachte, für den er sich jubelnd hinter der Ziellinie für die Fotografen mit entsprechenden Freudenschreien zur Schau stellte.
Vor zwei Wochen hatte er noch den Hamburger Ironman bestritten, da 3:58 Stunden für die finalen 42,195 Kilometer gebraucht. Franke arbeitet bei Airbus, kann auf dem Gelände trainieren, „wofür ich meinem Chef sehr dankbar bin“. Den Marathon musste er vom Jungfernstieg (Kilometer 15,5) allein bestreiten. Ursprünglich glaubte er einen Mitstreiter gefunden zu haben, bis er feststellte, dass dieser Staffelläufer war und an der Binnenalster ausstieg. Hamburger Meisterin wurde Frankes Clubkollegin Martina Dannheimer (41) in 3:11:48 Stunden.
Brite läuft für die Fatigue-Forschung
Der Brite Mike Harley erreichte das Ziel zwar erst knappe eineinhalb Stunden später, die Zeit war für ihn jedoch zweitrangig – er verfolgt eine ganz besondere Mission: Der 38-Jährige möchte in allen 27 EU-Ländern einen Marathon laufen, um das Chronische Fatigue Syndrom bekannter zu machen und 42.195 Pfund für die Forschung zu sammeln.
„Vor zehn Jahren ist einer meiner besten Freunde erkrankt und kann seitdem kaum noch seine Wohnung verlassen“, erzählt er. Ausgerechnet die Pandemie macht ihm nun Hoffnung: „Einige Long-Covid-Patienten zeigen ähnliche Symptome. Es wird jetzt viel Geld in die Forschung investiert.“
Hamburg-Maratahon: Grote traurig gestimmt
Sowohl Harley als auch der neue Hamburger Meister lobten die Stimmung an der Strecke. „Es waren Mini-Ansammlungen, alles war schön verteilt“, so Franke. Das freute Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD). Gerade die Befürchtung, unkontrollierte Menschenaufläufe könnten die Hygienemaßnahmen der Pandemiebekämpfung konterkarieren, hatte zur dreimaligen Verschiebung des Haspa Marathons geführt.
„Die Rückmeldungen heute waren alle positiv, die Organisation hat gut geklappt“, sagte Grote. „Es ist schön, dass wieder ein Marathon in Hamburg stattfinden konnte, es ist zudem der erste in diesem Jahr in Deutschland, andererseits stimmt es mich traurig, unter welchen Einschränkungen er für die Teilnehmenden und Zuschauenden gelaufen werden musste.“
Hamburg-Marathon 2022 nach 1-G-Prinzip
Am 24. April 2022, hofft Marathonchef Frank Thaleiser, „werden wir auf dem Weg zur Normalität ein großes Stück weiter sein.“ Am Montag startet bereits die Anmeldung, zunächst nur für vollständig Geimpfte (1G). „Sollte die Stadt in den nächsten Monaten auch Genesene und Getestete zulassen, werden wir das sofort umsetzen.“