Hamburg. Ex-Weltklasse-Tennisspielerin Anke Huber über das Comeback des Hamburger Rothenbaums und ihren Glauben an die Talente.
Wie sich ihre Nachfolgerinnen Andrea Petkovic und Jule Niemeier bei den Hamburg European Open abrackerten, um es ihr gleichzutun, das konnte Anke Huber am Freitagnachmittag nicht verfolgen. Morgens war die 46-Jährige in den Sardinien-Urlaub geflogen; Tennismatches im Livestream zu schauen, stand deshalb nicht weit oben auf ihrer Prioritätenliste. Aber dass die ehemalige Weltranglistenvierte grundsätzlich mit großem Interesse nach Hamburg schaut, liegt nicht nur daran, dass sie im Jahr 2000 die letzte Deutsche war, die am Rothenbaum das Halbfinale erreichte (und gegen die Schweizer Topspielerin Martina Hingis 3:6, 2:6 verlor).
Als sportliche Leiterin des Porsche Grand Prix in Stuttgart muss die Fedcup-Gewinnerin von 1992 natürlich auch die Konkurrenz beobachten. Doch weil sie weiß, dass diese das Geschäft belebt, freut sie sich über das Comeback des Damentennis an der Hallerstraße. „Für die Turnierlandschaft in Deutschland ist es super, dass wir mit Hamburg sowie den Rasenturnieren in Berlin und Bad Homburg in dieser Saison drei neue Events dazugewonnen haben“, sagt sie.
Leistungslücke im deutschen Damentennis
Aus eigener Erfahrung, aber auch an Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit könne sie die Bedeutung von „Heimspielen“ erklären. „Ich habe bei Turnieren in Deutschland immer Reserven mobilisieren können, die ich im Ausland nicht hatte, weil ich es vor heimischem Publikum immer besonders gut machen wollte“, erinnert sie sich. Der Titelgewinn Angelique Kerbers im Juni bei der Premiere in Bad Homburg, wo die Kielerin als Turnierbotschafterin fungiert, sei ein aktueller Beleg für diese These.
Anke Huber bedauert, dass die Erweiterung der Turnierlandschaft nicht fünf Jahre früher möglich war, als die „goldene Generation“ um Kerber (33), Petkovic (33) und die bereits zurückgetretene Julia Görges (32) in voller Blüte stand. „Es ist schon schade, dass diese Spielerinnen davon nicht profitieren“, sagt sie. Auf der anderen Seite sei es wichtig, die sich nun bietenden Chancen zu nutzen, um die Leistungslücke zu schließen, die aktuell im deutschen Damentennis klafft.
„Es fehlt manchmal der letzte Biss"
„Bei Heimturnieren haben lokale Talente die Möglichkeit, mit Wildcards bei großen Turnieren in Hauptfelder hineinzuschnuppern, die sie im Ausland nicht erreichen können. Diese Erfahrungen sind enorm wichtig, denn schon ein überraschender Halbfinaleinzug kann helfen, die ITF-Tour hinter sich zu lassen, auf der viele sonst einfach hängen bleiben“, sagt die Bruchsalerin, die Ende der 90er-Jahre mit ihrer „Milchschnitte“-Werbung bundesweit bekannt war.
Die Sorge um die Leistungsfähigkeit der nationalen Nachwuchsasse, die kürzlich auch Damentennischefin Barbara Rittner im Abendblatt geäußert hatte, teilt Anke Huber. In Stuttgart, wo die Leistungskader des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) regelmäßig zum Training zusammengezogen werden, schaut sie immer mal wieder vorbei – und sieht dort Dinge, die sie nachdenklich machen. „Ich stelle fest, dass die heutige Generation weicher ist, als wir es damals waren. Es fehlt manchmal der letzte Biss, dieser unbedingte Wille, sich im Leistungssport zu behaupten“, sagt sie.
Gesamtgesellschaftliches Problem
Allerdings sei sie überzeugt davon, dass dieses Problem nicht auf Deutschland und den Sport beschränkt, sondern ein gesamtgesellschaftliches ist. „Das Gleiche beobachten wir in Frankreich, Spanien, auch in den USA. Nur in Osteuropa scheint der Hunger, es über den Sport nach oben zu schaffen, noch groß“, sagt sie. Es sei auch zu einfach, die heutige Generation für mangelnde Leistungsbereitschaft zu kritisieren. „Man muss sie anders packen und verstehen, dass die Möglichkeiten, die die Jugend heute hat, und die Ablenkung vor allem durch Social Media viel größer sind als früher.“
Lesen Sie auch:
- Dajana Jastremska über Titel: Lieber ein guter Mensch sein
- Barthel und Korpatsch genießen das Heimspiel-Gefühl
- Barbara Rittner: „Umsetzen müssen sie es selbst“
Für sie habe es damals nur Schule und Tennis gegeben „und ansonsten kaum etwas anderes. Heute hätten wir es auch deutlich schwerer, uns auf den Sport zu fokussieren.“ Den Glauben daran, in einigen Jahren eine starke Riege deutscher Tennisdamen erleben zu können, will Anke Huber denn auch nicht aufgeben. „Das kann so schnell gehen. Wenn eine es packt, kann sie die anderen mitziehen. Und wir haben wirklich gute Talente“, sagt sie.
„Es ist toll, dass es den Standort Hamburg wieder gibt"
Bleibt die Frage, welche Zukunft sie für das neue Damenturnier am Rothenbaum sieht. „Zunächst einmal ist es toll, dass es den Standort Hamburg wieder gibt. Für mich war das damals immer ein Jahreshöhepunkt, eine schöne Anlage mit sehr fachkundigem Publikum, auch wenn mir das feuchte Wetter und der Sand nie so richtig gut lagen“, sagt sie. Dreimal stand Anke Huber am Rothenbaum im Halbfinale, zum Titel langte es nie. 1995 scheiterte sie ebenfalls an Martina Hingis, 1992 an Steffi Graf. „Und manchmal habe ich schönen Mist zusammengespielt. Aber wohl gefühlt habe ich mich immer.“
Sich im überfrachteten Turnierkalender zu behaupten in den kommenden Jahren, darin sieht Anke Huber die wichtigste Aufgabe für Turnierdirektorin Sandra Reichel. Sie glaubt, dass Hamburg versuchen sollte, mittelfristig ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier zu veranstalten, „denn das wäre in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal, und diese gemeinsamen Events sind die Zukunft.“ Eine Zukunft, die auch Anke Huber mitgestalten möchte.