Hamburg. Der HSB sucht für 2021 einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Das Präsidium streitet über den geeigneten Findungsprozess.
2021 wird das Wahljahr des Hamburger Sportbundes (HSB). Hamburgs größte freiwillige Personen-Organisation mit derzeit 520.000 Mitgliedschaften in 820 Vereinen stimmt turnusgemäß im nächsten Herbst über ein neues Präsidium ab. Wichtiger noch scheint für alle im Verband die künftige Besetzung des Vorstandsvorsitzenden. Ralph Lehnert (61) geht nach dann fünf Jahren Amtszeit zum 1. Januar 2022 in die passive Phase seiner Altersteilzeit, die oder der Neue soll deshalb schon in der zweiten Jahreshälfte 2021 ein Büro im Haus des Sports am Schlump beziehen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Das ist Konsens.
Über den Findungsprozess ist nun im HSB-Präsidium Streit zwischen Präsident Dr. Jürgen Mantell und seinen sechs Vizepräsidenten entbrannt. Während Mantell eine externe Agentur, Headhunter, hinzuziehen will, möchten seine Kollegen und Kolleginnen das Verfahren komplett selbst begleiten. Als über die unterschiedlichen Auffassungen vor drei Wochen im Präsidium erst lebhaft diskutiert und danach abgestimmt wurde, votierten die vier anwesenden Vizepräsidenten geschlossen gegen ihren Präsidenten. Einig war sich das Gremium immerhin, dass der Posten bundesweit ausgeschrieben werden soll.
Kössler genießt im HSB einen ausgezeichneten Ruf
Lehnerts Berufung wurde 2016 noch intern geregelt. Als damaliger HSB-Geschäftsführer hielt ihn das Präsidium für die beste Wahl. Lehnerts Stellvertreter, der Architekt Bernard Kössler (57), musste sich ebenfalls nur Bewerbern aus dem eigenen Haus stellen. Auch sein Vertrag läuft Ende 2021 aus. Den könnte das Präsidium mit Mehrheitsbeschluss bis 2026 verlängern. Vieles spricht dafür. Kössler genießt im HSB und in der Stadt einen ausgezeichneten Ruf.
Für das Auswahlverfahren des Vorstandschefs glauben beide Seiten, gute Argumente zu liefern. „Nach unserer Strukturreform spielt der HSB-Vorstandsvorsitzende eine herausragende politische Bedeutung für den Verband, nach innen, nach außen, im Verhältnis zur Stadt und zu anderen gesellschaftlichen Organisationen. Er kann das Erscheinungsbild des HSB mehr als ein Jahrzehnt lang prägen“, sagt Mantell. „Mein Ziel ist es, ein neutrales, legitimes, unangreifbares Verfahren zu etablieren, um die am besten befähigte Person zu finden.“ Der Präsident möchte jeden Eindruck möglicher Mauscheleien ausschließen, „dafür ist die Personalie zu wichtig“, ohne dass es dafür derzeit konkrete Hinweise gebe. Das diene dem Ansehen des HSB, stärke die Rolle des neuen Mannes/der neuen Frau. Der- oder diejenige würde „nicht am Gängelband irgendwelcher Mehrheiten“ geführt werden, sondern könnte unabhängig im Sinne der Vereine und Verbände wirken.
Umfangreiche Digitalisierung
Die zwei Vizepräsidentinnen und vier Vizepräsidenten halten Mantells Vorschlag für zu kostspielig, verweisen auf die Expertise der Präsidiumsmitglieder bei Personalentscheidungen. „Wir alle haben mit solchen Prozessen beruflich zu tun, damit entsprechende Erfahrungen“, sagt Christian Okun, zugleich Schatzmeister des Hamburger Fußball-Verbandes (163.000 Mitglieder). „Die HSB-Satzung schreibt zudem vor, dass das Präsidium die Mitglieder des Vorstands beruft oder abberuft. Eine externe Agentur wird immer nur eine Vorauswahl treffen können.“ Der Erfolg sei in der Vergangenheit schon zweifelhaft gewesen. „Im HSB gibt es eine Reihe von Zukunftsprojekten, die eine umfangreiche Digitalisierung einschließt und der Weiterentwicklung des Personals bedarf. Das Präsidium besitzt umfangreiches Know-how, um auch die Personalauswahl an der Spitze des HSB kompetent zu begleiten.“
Mit 30 Prozent des Jahresgehaltes der zu besetzenden Stelle lassen sich Headhunter in der Regel entlohnen, das Präsidium hatte drei günstigere Angebote eingeholt. Kosten: bis zu 30.000 Euro. Bei einem HSB-Jahresetat von 20 Millionen Euro, der größte Teil ist aber zweckgebunden, sei das eine akzeptable Summe, gerade bei der Substanz des Postens, sagen Mantells Unterstützer, die es jenseits des Präsidiums zahlreich gibt.
Vizepräsidenten wollen über weiteres Vorgehen beraten
Vizepräsidentin Dörte Kuhn, Vorsitzende des Verbandes für Turnen und Freizeit (109.000 Mitglieder), hat in Abstimmung mit ihrer Kollegin und ihren Kollegen als Alternative vorgeschlagen, ein anonymes Bewerbungsverfahren auszuschreiben, ohne Angaben des Geschlechts, des Alters, des Namens, ohne Foto. „Das garantiert uns, die fachlich Besten für die Endausscheidung zu ermitteln, die sich dann persönlich im Präsidium vorstellen müssen“, sagt Kuhn. Zwar seien selbst in diesem Prozess Manipulationen nicht grundsätzlich auszuschließen, „wenn wir aber den Posten mit einer Pfeife besetzen, sind wir hinterher doch alle politisch tot.“
Martin Hildebrandt, Geschäftsführer des SV Eidelstedt und Vorstandsmitglied der Hamburger Topsportvereine, zweifelt nicht an der Lauterkeit des Präsidiums, mahnt aber, „die günstige Variante könnte den HSB bei einer Fehlbesetzung teuer zu stehen kommen. Eine Agentur würde den Findungsprozess mit einem ausgeklügelten Kriterienkatalog weit professioneller begleiten können.“ Das spräche nicht gegen interne Kandidaten, Daniel Knoblich (40), Geschäftsführer der Hamburger Sportjugend, gilt als ein sehr geeigneter, „aber das hilft auch deren Reputation, wenn der Entscheidungsprozess unantastbar bleibt“.
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Die Vizepräsidenten wollen jetzt über ihr weiteres Vorgehen beraten. Eine Findungskommission gibt es bereits. In ihr beraten sich Dr. Andrea Kleipoedszus, Vorsitzende des Hamburger Volleyball Verbandes, Okun und Kumar Tschana, Geschäftsführer des HSV e. V.