Hamburg. Der Linksaußen des Handball Sport Vereins Hamburg wurde in die Nachsorge überstellt. Eine Chemotherapie ist nicht erforderlich.

Tobias Schimmelbauer kommt der Anruf sehr gelegen. Ihm liegt etwas am Herzen. „Ich bin nicht in den sozialen Medien aktiv. Daher konnte ich mich noch gar nicht bei all den Leuten für ihren großen Zuspruch bedanken“, unterbricht der 32-Jährige das Gespräch über seinen Gesundheitszustand, „das hat sehr geholfen, ist bei mir angekommen. Dafür will ich hiermit Danke sagen. Ich hoffe, es erreicht viele.“

Familie, Freunde, Fans, Kollegen und Konkurrenten – der an Hodenkrebs erkrankte Linksaußen des Handball Sport Vereins Hamburg hatte Genesungswünsche aus der gesamten Repu­blik erhalten. Zuletzt, als vor der Coronakrise noch aktiv gespielt werden konnte: Beim Zweitligaheimspiel Anfang März saß er nach der Tumoroperation, bei der ein Hoden entfernt worden war, erstmals wieder in der Sporthalle Hamburg, bejubelte den 34:28-Erfolg gegen Bietigheim. Die Fans spendeten Applaus, die Mannschaft widmete ihm die jäh gestoppte Erfolgsserie von fünf ungeschlagenen Spielen, der Gegner wärmte sich in „Alles Gute, Tobi“-Shirts auf.

Auch ohne Sieg und Niederlage längst gewonnen

Dass sich „Schimmel“ in dieser Saison noch einmal persönlich in der Halle bedanken kann, ist angesichts der Coronabeschränkungen illusorisch. Wenn überhaupt, ginge es bis zum 30. Juni ohne Zuschauer weiter. Am Wochenende stimmen die 36 Clubs der Ersten und Zweiten Liga jedoch im Umlaufverfahren über einen Saisonabbruch ab. Eine Dreiviertelmehrheit ist nötig, das Ende der Spielzeit, für das der HSVH votiert, wahrscheinlich. Die Entscheidung wird Montag oder Dienstag erwartet.

Dass der gebürtige Hesse auch ohne Spiele um Sieg und Niederlage längst gewonnen hat, liegt an der letzten Blutuntersuchung kurz vor Ostern. „Ich bin wieder geheilt, bin offiziell in die ärztliche Nachsorge überstellt“, berichtet Schimmelbauer. Der Krebs habe nicht gestreut, eine Chemotherapie sei nicht nötig. „Die Erleichterung ist riesengroß. Ich hatte das Glück, dass der Krebs sehr früh erkannt worden war.“ Die sechswöchige Ungewissheit samt der engmaschigen Kontrolltermine ist vorbei, die Sorge vor einer Chemotherapie ausgestanden. „Ich bin ein positiv denkender Mensch, habe mich auch zu jeder Zeit gesund gefühlt“, sagt er. Doch wenn eine neue Blutabnahme anstand und das Ergebnis einen Tag auf sich warten ließ, „dann kamen die Gedanken hoch, was, wenn doch etwas gefunden wird?“.

"Es kann jeden treffen" – Schimmelmann rät zur Vorsorge

Der Verein hatte das Team zur Sensibilisierung für das Thema der Männergesundheit im November ins Urologikum nach Winterhude geschickt, Schimmelbauer hatte den verpassten Termin nachgeholt. Der langjährige Erstligaprofi, der im Juli 2019 vom TVB Stuttgart nach Hamburg kam, spricht offen über seine Erkrankung. „Krebs ist eine Volkskrankheit“, sagt er. Es kann jeden treffen, er rät zur Vorsorge. Ein Hodenkarzinom ist bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren der häufigste Krebs. In Deutschland gibt es 4000 Fälle pro Jahr, über 90 Prozent können erfolgreich behandelt werden. „Die Rückfallquote in den kommenden drei Jahren liegt bei zehn bis 15 Prozent“, sagt Schimmelbauer.

Seine Sorge, sich mit dem Coronavirus anzustecken, ist nicht größer als bei anderen. Sein Immunsystem ist schließlich nicht belastet worden. „Ich gehe mit dem Hund raus, zum Einkaufen und spule mein persönliches Fitnessprogramm ab“, sagt der Wahl-Eimsbütteler, der wieder „voll einsatzfähig“ wäre, dürfte denn trainiert und gespielt werden. Wie seine Teamkollegen befindet er sich wegen geschlossener Sporthallen noch in Kurzarbeit. Ein Schicksal, das er mit Ehefrau Jessica, die als angestellte Architektin arbeitet, derzeit teilt.

Darüber klagen will er nicht. Es gibt Wichtigeres: die Gesundheit.