Mannheim/Hamburg. Der neue Trainer begeistert die Rhein-Neckar Löwen. Sein Job in Hamburg wird vorerst nicht nachbesetzt, sondern umverteilt.

Er ist wieder da. Mit den Armen fuchtelnd, in die Hände klatschend, mit Leidenschaft und voller Energie dirigierte Martin Schwalb sein erstes Handballspiel nach fast sechs Jahren wieder von der Seitenlinie – als Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Und gleich mit Erfolg: Die Mannheimer bezwangen im Gruppenspiel des europäischen EHF-Cups den spanischen Club Liberbank Cuenca mit 36:25 (21:13). "Das ist nicht mein Sieg, ich habe ja bisher kein einziges Training geleitet. Aber es hat riesigen Spaß gemacht“, sagte er.

Sein Tatendrang ist Schwalb schon am Nachmittag bei seiner Präsentation in der Mannheimer SAP Arena anzumerken. Er lacht, seine Augen leuchten. Und der 56-Jährige strahlt all das aus, was er dann auch sagt: "Ich habe richtig Bock auf diese Aufgabe.“ Seit seiner unwürdigen Entlassung beim später insolventen HSV Hamburg am 3. Juli 2014 saß er nicht mehr auf der Bank, nun spüre er "pure Vorfreude“ auf den neuen Job beim nordbadischen Bundesligisten.

HSVH-Boss: "Schwalb wird uns weiter unterstützen"

Seit dem Anruf von Löwen-Sportchef Oliver Roggisch am Sonnabend mache er sich ständig Gedanken, wie er mit der Mannschaft umgehen, sie entwickeln will, erzählt Schwalb. "Ich habe Gänsehaut, freue mich auf das erste Training, auf das zweite Training. Jetzt kann ich das machen, was ich liebe.“ Beim zweimaligen deutschen Meister erhält er einen Vertrag bis Juni 2021.

Als Nachfolger des Isländers Kristján Andrésson (38) soll er den Erfolg zurückbringen. Dafür lässt er seinen Job als Sportchef und Vizepräsident des HSV Hamburg (HSVH) ruhen. Der Verein gab seinem Wechselwunsch sofort nach. "Er ist ja nicht weg. Er wird uns weiter unterstützen, uns helfen, und wenn er mal in Hamburg ist, auch an unseren Sitzungen teilnehmen“, sagt Präsident Marc Evermann.

Schwalb kündigt den nächsten Sieg an

In der Bundesliga steht für die Löwen am Sonnabend das Spitzenspiel gegen Hannover-Burgdorf (4.) an. "Wir werden gewinnen“, sagt Schwalb. Eine Platzierung, wo er mit dem Tabellensechsten bis zum Saisonende hinwill, nennt er nicht.

Vielmehr will er den Löwen wieder eine Identität vermitteln. "Das erste Ziel ist es, dass man uns erkennt. Man soll sehen, was wir in der Abwehr, im Angriff und im Gegenstoß machen, damit der eine oder andere wieder Respekt vor uns hat“, sagt Schwalb.

"Ich werde jetzt aber nicht sagen, dass wir die nächsten drei Spiele gewinnen.“ Das gebiete allein der Respekt vor den nächsten drei Kontrahenten, nach Hannover sind es Leipzig und Tabellenführer THW Kiel.

Schwalb fühlt sich nach Herzinfarkt wieder fit

Schwalb ist der Hoffnungsträger von Sportchef Roggisch, Geschäftsführerin Jennifer Kettemann und der Mannschaft, die seine Verpflichtung begrüßt. Er selbst fühlt sich sechs Jahre nach seinem Herzinfarkt bereit für diese Herausforderung: "Ich bin topfit. Ich rauche nicht mehr, trinke nur ab und zu ein Gläschen Wein."

Schwalb bringt das mit, was wenige verkörpern, was dem deutschen Pokalsieger von 2018 abhandengekommen war: eine Aura der Selbstverständlichkeit. Er strahlt Ruhe, Überzeugung, Souveränität, Kompetenz aus, er kann ein Team begeistern, es faszinieren, es führen.

In Hamburg schwärmten die (meisten) Spieler von ihm, seiner Art, seiner Ansprache. Die Bundesliga empfängt ihren prominenten Rückkehrer mit offenen Armen. "Die Liga begrüßt das Comeback eines Großen unseres Sports“, sagt Geschäftsführer Frank Bohmann: "Mich freut es für ihn, dass er es nach seinen gesundheitlichen Problemen noch mal wissen will. Dass er es kann, hat er ja mehrfach bewiesen."

Schwalb war wichtiger Türöffner für HSVH

Dem HSV Hamburg wird er dagegen fehlen. "Ich danke Martin Schwalb dafür, dass er den Handball in Hamburg wieder auf die Beine gestellt hat“, postete Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). Für Spielerberater war Schwalb im Verein erster Ansprechpartner, sein Wort hatte bei der Kaderzusammenstellung, bei der strategischen Ausrichtung Gewicht, bei Sponsoren war er der Türöffner.

"Martin Schwalb hat mich vom Hamburger Weg überzeugt, mir das Projekt dargelegt“, sagte Ex-Nationalspieler Jens Schöngarth bei seiner Vorstellung im Sommer 2019. Der Linkshänder ist mittlerweile an Meister Flensburg verliehen.

Bei den Transfers von Schöngarth, Tobias Schimmelbauer und Marc van den Beucken, die alle im Sommer 2019 kamen, spielte die Pfälzer Agentur "Transfair“ von Markus Becker, einst Spieler bei der von Schwalb trainierten SG Wallau/Massenheim, entscheidend mit.

Mittelmann Philipp Bauer wiederum, im Winter 2018 als letzten Mosaikstein im Zweitliga-Aufstiegsrennen aus Leutershausen verpflichtet, wird von Schwalb-Kumpel Uli Roth (Agentur: "nummer #10") beraten.

HSVH hofft auf neue Kooperationsmodelle

"Wir werden weiter von seinem Netzwerk profitieren, das in Mannheim noch wachsen wird. Und möglicherweise ergeben sich dabei neue Kooperationsmodelle für uns“, sagt HSVH-Präsident Evermann.

Schwalbs Position im Verein soll zunächst nicht nachbesetzt werden, Trainer Tosten Jansen, Co-Trainer Blazenko Lackovic und Nachwuchschef Stefan Schröder verfügten ebenfalls über herausragende sportliche Kompetenz.

Evermann: "Es gibt aber verschiedene personelle Optionen, ehemalige Bundesligaspieler und -Trainer, die wir uns vorstellen können. Wir sind inzwischen für viele ein interessanter Verein."