London. Im Duell der Überraschungs-Halbfinalisten demonstriert Amsterdam seine Extraklasse und ist nun Favorit aufs Endspiel.
Das junge Star-Ensemble von Ajax Amsterdam hat auch die Tottenham Hotspur entzaubert und steht vor seinem ersten Champions-League-Endspiel seit 1996. Der niederländische Fußball-Rekordmeister gewann am Dienstag das Halbfinal-Hinspiel der Königsklasse bei den Spurs mit 1:0 (1:0) und geht nun als klarer Favorit auf das Finale am 1. Juni in Madrid in das Rückspiel am kommenden Mittwoch.
Donny van de Beek erzielte in der 15. Minute den Siegtreffer für die Gäste. "Insgesamt ist es ein großartiges Ergebnis", sagte Ajax-Verteidiger Matthijs de Ligt, mit 19 Jahren und 261 Tagen der jüngste Kapitän in einem Champions-League-Halbfinale.
"Wir haben nicht den Fußball gespielt, den wir spielen können. Wir wissen, dass wir es besser können. Im Rückspiel müssen wir anders auftreten. Hoffentlich können wir die Dinge in Amsterdam noch drehen", sagte Spurs-Mittelfeldspieler Christian Eriksen. Auch sein Trainer Mauricio Pochettino hofft noch. "Es ist alles offen, jetzt geht es darum, mit einer anderen Mentalität nach Amsterdam zu fahren." Im zweiten Halbfinale tritt der FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN und Sky) in Barcelona an.
Ajax brilliert mit Tempofußball
Pochettino musste auf seine beiden besten Torschützen verzichten. Der englische Nationalmannschaftskapitän Harry Kane fehlte verletzt, der frühere Bundesliga-Profi Heung-Min Son musste gelb-gesperrt pausieren. Das Spiel beherrschte in der Anfangsphase der Gast.
Wie schon bei den Triumphen über Titelverteidiger Real Madrid oder Juventus Turin und Cristiano Ronaldo brillierte Ajax mit atemberaubendem Tempofußball. Weit in der gegnerischen Hälfte setzten die niederländischen Youngster die Spurs unter Druck, hatten deutlich mehr Ballbesitz und glänzten mit sehenswerten Kombinationen.
Eine dieser Stafetten führte nach einer Viertelstunde auch zur Führung. Hakim Ziyech spielte van de Beek überlegt frei, und der 22-Jährige behielt frei vor Tottenham-Torwart Hugo Lloris die Ruhe, zögerte, täuschte an – und verlud den französischen Nationalkeeper mit einem platzierten Schuss ins linke Eck. Neun Minuten später hatte van de Beek sogar das 0:2 auf dem Fuß, doch Lloris parierte (24.).
Jan Vertonghen bleibt mit blutender Wunde liegen
Erstmals für Gefahr vor dem Ajax-Tor sorgte Tottenham in der 26. Minute. Nach einem Freistoß von Christian Eriksen köpfte der spanische Angreifer Fernando Llorente jedoch neben das Tor. Die ohnehin schon ausgeprägten Personalsorgen der Spurs, die im Achtelfinale Borussia Dortmund aus dem Wettbewerb geworfen hatten, verschärften sich fünf Minuten vor der Pause nochmals erheblich.
Nach einem Zusammenprall mit Ajax-Torwart André Onana und seinem Mitspieler Toby Alderweireld blieb Tottenhams Abwehr-Riese Jan Vertonghen mit einer blutenden Wunde liegen. Nach längerer Behandlung und mit frischem Trikot versuchte er zunächst noch weiterzuspielen, musste dann aber sichtlich benommen ausgewechselt werden (39.).
In seinem ersten europäischen Halbfinale seit 57 Jahren gelang dem Club aus der Premier League erstaunlicherweise jetzt seine bis dato stärkste Phase. Vor allem in der Nachspielzeit der ersten Hälfte kam Tottenham mehrmals gefährlich in die Nähe des Ajax-Tores. Alderweirelds Kopfball ging drüber (45.+4), der für Vertonghen eingewechselte Moussa Sissoko versuchte es aus der Distanz (45.+5).
Matthijs de Ligt (19) jüngster Kapitän eines Halbfinales
Ausnahmsweise wirkte die Amsterdamer Abwehr um Matthijs de Ligt, mit 19 Jahren und 261 Tagen der jüngste Kapitän, der je in einem Champions-League-Halbfinale stand, in dieser Szene anfällig. Wenige Sekunden nach Wiederanpfiff hatte der niederländische Rekordmeister dann Glück, dass Llorente in guter Position zu lange zögerte (46.).
Trainer Erik ten Hag, der zwei Jahre die zweite Mannschaft des FC Bayern betreute, gestikulierte an der Seitenlinie und forderte seine Profis wieder zu mehr Offensivdrang auf. Doch die Spurs wurden nun gefährlicher. Ajax-Taktgeber Frenkie De Jong (21), der im Sommer für 75 Millionen Euro Ablöse zum FC Barcelona wechselt, konnte das Spiel nicht wie gewohnt und wie von ten Hag gewünscht dirigieren.
Statt vor dem gegnerischen Tor zu zaubern, mussten die Niederländer nun ihr eigenes energisch verteidigen. Bis zum ersten sehenswerten Angriff in der zweiten Hälfte dauerte es bis zur 78. Minute. Dieser hätte fast das 0:2 gebracht; David Neres traf aber nur den Pfosten. Tottenham-Coach Pochettino brachte in Juan Foyth und Ben Davies zehn Minuten vor Schluss zwei frische Kräfte – für den Ausgleich reichte es trotz der deutlichen Leistungssteigerung aber nicht mehr.