Hamburg. Der 29 Jahre alte Videoanalyst liefert HSV-Coach Hannes Wolf während des Spiels wertvolle Taktiktipps.
Hannes Wolf setzt auf Bewährtes. Am Montagabend (20.30 Uhr) gegen Dynamo Dresden lässt der HSV-Trainer seine Mannschaft im Volksparkstadion wieder in der gewohnten 4-1-4-1-Formation starten. Mit den wiedergenesenen Orel Mangala vor der Abwehr und Pierre-Michel Lasogga in der Sturmspitze. Das deutete sich am Freitagnachmittag im Training an.
Was viele Beobachter am Montag aber gar nicht mitkriegen werden: So häufig Wolf in der selben Anordnung startet, so häufig verändert er sein System während des Spiels. Und das liegt auch an einem Beobachter, der während der Partie die Vogelperspektive einnimmt: Hahn. Alexander Hahn. Der 29-Jährige ist Videoanalyst beim HSV und sitzt während der Spiele zunächst mit seinem Laptop weit oben auf der Tribüne.
Dass Hahn von hier aus auf seinen Cheftrainer einwirken kann, liegt an einer Neuerung: Den Trainern ist es seit dieser Saison erlaubt, während des Spiels über Funk mit einem Kollegen auf der Tribüne zu kommunizieren. Zudem dürfen die Fußballlehrer in der Coachingzone Laptops oder Tablets benutzen, um Spielszenen, Grafiken oder Livedaten direkt auf dem Bildschirm zu verfolgen. Die Regelhüter der Internation Football Association Boards IFAB hatten mit ihrer Entscheidung im März 2018 den Weg für die technische Revolution im Fußball-Coaching geöffnet. Doch was hat sich seitdem verändert?
Gegen Nürnberg mehrfach die Taktik verändert
„Die neuen Regeln ermöglichen es uns, noch akuter und schneller auf Spielsituationen und Veränderungen zu reagieren und in das laufende Spielgeschehen einzugreifen“, sagt Alexander Hahn. Er sitzt in einer Loge im Volksparkstadion, schaut auf den Rasen und erinnert sich an das Pokalspiel gegen Nürnberg. Dabei konnte er auf seinem Tribünenplatz beobachten, wie der Bundesligist früh sein System veränderte. Aus einem 4-4-2 wurde ein 4-3-3. Nürnberg versuchte zunächst Hamburgs Außenspieler zu doppeln, stellte dann aber um, damit das Zentrum verdichtet wird. Eine Beobachtung, die Hahn und Sören Meier, der sich als zweiter Videoanalyst mit der Taktik des Gegners beschäftigt, zum einen per Funk an Co-Trainer André Kilian senden konnten. Zum anderen kann ein Videoschnittbild direkt auf den Laptop zur Trainerbank geschickt werden.
So können die Beobachtungen direkt an Wolf adressiert werden, der wiederum an der Seitenlinie durch das direkte Coaching seine Formation verändern kann. So reagierte der HSV gegen Nürnbergs Umstellung, in dem das Spiel wieder verstärkt über die Außen vorgetragen wurde. So veränderten sich die Systeme der Teams schon während der ersten Halbzeit mehrfach. Das Taktik-Schach der Trainer wurde durch die neue Technik um eine Komponente erweitert. „Was zuvor erst in der Halbzeit möglich war, lässt sich dem Cheftrainer nun frühzeitig aufzeigen“, sagt Hahn.
Seit vier Jahren beim HSV
Der gebürtige Duisburger arbeitet seit vier Jahren beim HSV. In der Winterpause 2014/15 kam Hahn für ein Praktikum in der Spielanalyse nach Hamburg, als er in Bochum Sportmanagement studierte. Nebenbei hatte er als Nachwuchstrainer beim VfL Bochum gearbeitet und für Wanne-Eickel in der Westfalenliga als Linksverteidiger gespielt. Doch hängen blieb er beim HSV, als Bernhard Peters den Bereich Spielanalyse im Nachwuchs neu aufstellte. Als Videoanalyst arbeitete Hahn erst in der U17 unter Trainer Christian Titz. In diesem Sommer holte Titz ihn als Co-Trainer Videoanalyse zu den Profis.
Mit dem Wechsel zu Wolf hat sich der Schwerpunkt des Videocoachings verschoben, Hahn aber ist im Trainerteam geblieben. Videositzungen auf dem Platz leitet er zwar nicht mehr an, ist aber bei jedem Training dabei und sucht nach mannschafts- und individualtaktischen Auffälligkeiten, die er dem Trainer und den Profis vorlegt: „Als Videoanalyst musst du in Lösungen denken. Die Kunst ist es, die Spielidee des Trainers schnell zu adaptieren.“
Fünf IP-Kameras auf dem Trainingsgelände
Dafür hat der HSV auf dem Trainingsgelände fünf IP-Kameras installiert, mit denen alle Spielfelder abgebildet werden. Bei den Aufnahmen geht es um taktisches Verhalten. Über das Programm Hudl Sportscode können die Videoanalysten das Material dann direkt an die Spieler schicken. Gotoku Sakai gilt beim HSV als fleißigster Gucker, aber auch David Bates sucht immer wieder den Austausch mit Hahn.
Dabei profitierte der Videoanalyst davon, dass er als Sohn einer Engländerin wie Bates einen britischen Pass besitzt. Aufgewachsen ist Hahn aber im Ruhrgebiet. Was ihm wiederum half, einen guten Draht zu Wolf aufzubauen. Die beiden studierten sogar an derselben Universität. Nach drei Monaten spricht Hahn nun von einem „vertrautes Verhältnis“. „Hannes braucht natürlich Leute hinter sich, denen er vertrauen kann. Das Vertrauen muss ich mir immer wieder neu beweisen“, sagt Hahn. Zum Beispiel am Montag, wenn er möglicherweise wieder entscheidende Hinweise funken wird.