Hamburg. Im April war der Sieg gegen die Franken Grundstein für den Klassenverbleib. An diesem Sonnabend soll die Euphorie anhalten.
Was in der Vergangenheit passiert ist, interessiert Markus Kauczinski normalweise nur am Rande. Der Trainer des FC St. Pauli ist ein Mann, der im Hier und Jetzt lebt und den Blick eher nach vorn denn nach hinten richtet. Und doch macht der 48-Jährige kein Geheimnis daraus, dass der 28. April dieses Jahres ein Datum ist, das er nicht so schnell vergisst.
"Enorme Drucksituation"
Rückblende: Der Kiezclub stand vor dem damaligen Heimspiel gegen Greuther Fürth am sportlichen Abgrund. Nach einem desolaten 1:3 bei Jahn Regensburg samt Roter Karten für Sami Allagui und Cenk Sahin war das Horrorszenario Dritte Liga zum Greifen nah. Der Kiezclub befand sich im freien Fall. Platz 16, nur drei Zähler Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz. Das Duell mit den Franken wurde zu einem von drei Endspielen ausgerufen. Die Zweifel daran, das negative Momentum stoppen zu können, waren intern wie im Umfeld riesig. „Das war eine enorme Drucksituation für uns“, erinnert sich Kauczinski.
Eine Situation, die St. Pauli mit einem großen emotionalen Kraftakt gemeistert bekam. Mannschaft, Vereinsführung, Geschäftsstelle und Fans rückten eng zusammen. Trainer Kauczinski führte den Achtstundentag für die Profis ein, die Chefetage um Präsident Oke Göttlich und Geschäftsführer Andreas Rettig legte im Mannschaftshotel kleine Motivationsbriefe auf die Kopfkissen der Spieler, und die Fans sorgten mit einer beeindruckenden Atmosphäre dafür, dass das 3:0 gegen die Franken ein entscheidender Schritt zur Rettung werden konnte.
Die eigene DNA entdeckt
Wenn man sich im Umfeld des Clubs umhört, so sagen viele, dass diese Partie damals das Fundament für die aktuell so positive Entwicklung bildet. Von diesem Moment an hatte der Club seine DNA wiederentdeckt. Dieser Spirit ist bis heute in der Mannschaft verankert, auch wenn der Achtstundentag derzeit die Ausnahme und nicht die Regel ist. „Wenn wir zweimal Training haben, frühstücken wir zusammen und essen gemeinsam Mittag. Aber gerade jetzt zum Ende der Runde machen wir es weniger, weil sich die Jungs erholen müssen. Wir haben hier nicht die Gelegenheit zu verweilen, keine Ruhe- und Schlafräume. Das wäre schön, aber an einzelnen Tagen sind wir hier länger zusammen“, sagt Kauczinski.
Eine längere Verweildauer will St. Pauli auch in der Spitzengruppe der Zweiten Liga haben. Mit einem Sieg gegen Fürth an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky live) könnte der Kiezclub in Schlagdistanz zum HSV und dem 1. FC Köln bleiben. „Wenn man zusammen eine schwierige Situation wie im April meistert, dann ist das ein Erlebnis, auf das man als Mannschaft zurückgreifen kann. Das ist ein Teil unseres Weges und unserer Geschichte“, sagt Kauczinski.
Ein neues Kapitel
Ein neues Kapitel der Geschichte will St. Pauli jetzt innerhalb einer Woche hinzufügen. Mit den beiden Heimspielen gegen Fürth und den 1. FC Magdeburg (22. Dezember) will das Kauczinski-Team die starke erste Saisonhälfte krönen und sich eine gute Ausgangsposition für das Fußballjahr 2019 verschaffen. „Die Jungs haben richtig Bock, sind heiß. Nach dem Sieg in Bochum hat sich schon eine gewisse Euphorie breitgemacht. Aber wir dürfen uns von den jüngsten negativen Ergebnissen der Fürther nicht blenden lassen. Das ist eine richtig gute Mannschaft“, warnt der St.-Pauli-Trainer, der gegen Fürth personell wieder einmal improvisieren muss.
Weitere Baustelle
Der Übungsleiter stellte klar, dass Verteidigertalent Florian Carstens den gelbgesperrten Abwehrchef Philipp Ziereis ersetzen wird. Für den 20-Jährigen wird es der dritte Startelfeinsatz seiner jungen Karriere. Bereits beim 3:1-Sieg in Bielefeld und auch zuvor beim 1:3 in Aue zeigte Carstens, dass er die Qualität hat, in der Zweiten Liga zu bestehen.
Eine weitere Baustelle hat sich am Ende der Woche im defensiven Mittelfeld aufgetan. Routinier Johannes Flum wird gegen Fürth überraschend nicht zur Verfügung stehen. „Das war eine gemeinsame Entscheidung. Johannes hat Schmerzen am Knie, und es macht keinen Sinn, einen Spieler in den Kader zu nehmen, der nicht bei 100 Prozent ist. Wir haben auch eine Fürsorgepflicht für die Jungs“, erklärt Kauczinski, dem es gerade recht kommt, dass Mittelfeldspieler Marvin Knoll nach überstandener Oberschenkelzerrung wieder einsatzbereit ist.
Harter Konkurrenzkampf
Weit weg von 100 Prozent ist derzeit Cenk Sahin. Der Außenstürmer hat erneut keinen Platz im 18-Mann-Kader bekommen. Der teuerste Neuzugang der Vereinsgeschichte enttäuschte zuletzt bei seinem Kurzeinsatz gegen Dynamo Dresden. Auch die Trainingsleistungen offenbarten nicht, dass der Türke den Kampf um die Plätze in der Offensive angenommen hat. „Es sind mehrere Puzzleteile, die zu der Entscheidung geführt haben. Er macht es ordentlich, aber andere Spieler haben derzeit einfach die Nase vorn. Wir haben einen harten Konkurrenzkampf“, sagt Kauczinski dazu.