Bhubaneswar. Deutsche Hockeyherren scheitern mit 1:2 an Belgien, weil sie ihr Leistungslimit nicht annähernd erreichten.
Ausreden wurden keine gesucht am Donnerstagabend im Kalinga-Stadium, und immerhin das war ein positiver Aspekt an einem Tag zum Vergessen. „Belgien hat dieses Spiel verdient gewonnen, weil sie im Umschaltspiel schneller waren, es immer geschafft haben, viele Leute hinter den Ball zu bekommen. Unsere Offensive ist nicht so ins Rollen gekommen, wie wir das in diesem Spiel gebraucht hätten“, sagte Bundestrainer Stefan Kermas in einer ersten Analyse, nachdem die deutschen Hockeyherren im Viertelfinale der Feld-WM in Indien mit 1:2 an Belgien gescheitert waren.
Nun ist es keine Schande, ein K.-o.-Spiel gegen den Olympiazweiten knapp zu verlieren. Die Belgier, die in der Heimat unter großem Erfolgsdruck stehen, weil sie als „Goldene Generation“ gelten, aber noch keinen großen Titel gewinnen konnten, zählen seit Jahren zur Weltspitze im Feldhockey. Im vergangenen Jahr besiegten sie die Deutschen im Halbfinale der EM in den Niederlanden im Penaltyschießen, bei der WM 2014, ebenfalls in Holland, gewannen sie das Spiel um Platz fünf mit 4:2 gegen die DHB-Auswahl.
Viel ärgerlicher war deshalb, dass am Donnerstag ein Match am Leistungslimit locker gereicht hätte, um den Vizeeuropameister auszuschalten. Das Problem war nur, dass die Deutschen dieses Limit nur im ersten Viertel erreichten, als sie aus einer gut formierten Defensive heraus mit einer stabilen Raumdeckung die Angriffsbemühungen der Belgier eindämmten und über schnelle Konter Nadelstiche setzten. Einer davon mündete in das Führungstor, als der Hamburger Dieter Linnekogel (26) vom Club an der Alster einen Diagonalpass des Kölners Tom Grambusch (23) einschoss (14.).
Belgien erkämpfte sich neun Strafecken, Deutschland null
Warum die Mannschaft allerdings im Anschluss zusehens einbrach, obwohl sie als Gruppenerster das Viertelfinale direkt erreicht hatte und deshalb zwei Tage länger Erholungspause hatte als die im Qualifikationsmatch geforderten Belgier, wird Kermas in einer tiefgreifenden Analyse ergründen müssen, die er nach der Partie ankündigte. Belgiens Druck wurde von Minute zu Minute stärker, was sich schlussendlich in einer Strafeckenbilanz von 0:9 aus deutscher Sicht niederschlug. Die fünfte Ecke nutzte zunächst Alexander Hendricks (18.) zum Ausgleich, ehe Topstar Tom Boon (50.) eine Tiefschlafphase in der deutschen Abwehr mit dem 1:2 bestrafte. Sechs Minuten vor Spielende nahm Kermas Torhüter Tobias Walter (28), einziger deutscher Belgien-Legionär von den KHC Dragons, vom Feld, doch auch in Überzahl konnten die Deutschen nichts Kreatives mehr produzieren.
„Dass wir uns innerhalb von 60 Minuten keine Ecke erarbeiten konnten, spricht Bände. Es war fraglos nicht unsere beste Leistung heute, mit etwas Abstand werden wir analysieren, was dafür ausschlaggebend war“, sagte Kermas. Für den 39-Jährigen, der das Team nach dem Bronzegewinn bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio übernommen hatte, war es nach dem Halbfinalaus bei der EM 2017 und der Finalniederlage bei der Hallen-WM im Februar der dritte Rückschlag. Die deutschen Herren warten seit dem EM-Triumph 2013 auf einen Titelgewinn im Feld. Personelle Konsequenzen soll das erneute Verpassen des WM-Halbfinales – zweimal in Serie war das einer DHB-Auswahl nie passiert – keine haben. „Wir müssen unsere Performance in den K.-o.-Spielen verbessern. Aber das ist etwas, das wir mit den handelnden Personen erreichen können“, sagte DHB-Präsident Wolfgang Hillmann.
Für Tobias Hauke könnte der Weg bis Tokio zu lang werden
Dass die Mannschaft eine gute Perspektive hat, um bei den Sommerspielen 2020 eine Medaille zu holen, war in der Vorrunde zu sehen, als drei Siege in drei Spielen gelangen. Allerdings muss dazu das Mittelfeld, in dem einzig der Kölner Mats Grambusch (26) vollends zu überzeugen wusste, an Erfahrung gewinnen. Für Tobias Hauke (31), Welthockeyspieler von 2013 vom Harvestehuder THC, könnte der Weg bis Tokio zu lang werden; gegen Belgien konnte er zu selten die benötigten Impulse setzen. Und auch die als weltbeste Offensive eingeschätzten Stürmer waren, als es um alles ging, nicht in der Lage, den Unterschied zu machen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Weltspitze nicht erst seit diesem Jahr so breit geworden ist, dass keine Nation fürs Halbfinale gesetzt werden kann. In Bhubaneswar treffen am Sonnabend nun Titelverteidiger Australien und die Niederlande (siegten am Donnerstag 2:1 gegen den Gastgeber) sowie England und Belgien aufeinander. Allesamt Teams, die auf Augenhöhe mit Deutschland agieren. Für Kermas und sein Team gilt es nun einen Weg zu finden, ihr Leistungslimit dann zu erreichen, wenn es zählt.