Hamburg. Nach sechs Pleiten in Folge ist Gegner Arminia Bielefeld tief in der Krise, aber auch besonders unberechenbar.
Eigentlich war am späten Freitagvormittag alles wie immer im Medienraum an der Kollaustraße. Pressekonferenz vor einem Zweitligaspiel, neun Journalisten, drei Kameras, ein nüchtern-sachlicher Trainer Markus Kauczinski mit einem Zettel voller Notizen vor ihm liegend, und Sportchef Uwe Stöver, der in der letzten Reihe den Worten des Übungsleiters interessiert lauschte. Business as usual zum Ende einer Arbeitswoche, die sich für den FC St. Pauli irgendwie ungewohnt anfühlte.
Zum ersten Mal seit dem 1:3 bei Erzgebirge Aue am 16. September musste Kauczinski mit seiner Mannschaft eine Niederlage aufarbeiten. Das unnötige und unglückliche 0:1 im Nordderby gegen Holstein Kiel vom vergangenen Sonntag, so gestand der 48-Jährige offen ein, hing ihm und seiner Mannschaft noch „ein, zwei Tage in den Kleidern.“ Doch wie besagt eine beliebte Fußballerfloskel, die jedes Phrasenschwein füllt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und so lautet die Frage aller Fragen vor der Partie am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) bei Arminia Bielefeld: Wie stecken die Spieler, die zuvor fünfmal in Folge ungeschlagen blieben, das ungewohnte Negativerlebnis weg?
0:1-Niederlage gegen Kiel wurde gut aufgearbeitet
Nach dem guten Saisonstart mit zwei Siegen folgte im DFB-Pokal bei Wehen Wiesbaden die erste Pflichtspielniederlage. Anschließend befand sich St. Pauli in einem Negativstrudel mit vier Partien ohne Sieg. „Ich habe keine Indizien, dass uns das wieder passiert. Die Mannschaft ist gefestigt. Daher mache ich mir keine Sorgen, dass wir in irgendeiner Form zurückziehen werden“, erklärte Kauczinski, der keinen Hehl daraus machte, dass es bei der Aufarbeitung der Kiel-Niederlage half, dass sein Team das wohl fußballerisch beste Spiel der Saison abgeliefert hatte. „Natürlich waren wir nicht so niedergeschlagen wie nach den drei, vier Spielen, die wir nicht gewonnen hatten. Wir wissen: Der Weg stimmt. Es ist nur menschlich, dass wir uns geärgert haben, dass wir nicht die Tabellenführung übernommen haben.“
Deshalb appellierte der Trainer, der erneut auf den am Oberschenkel verletzten Spielmacher Christopher Buchtmann verzichten muss, in dieser Woche an sein Team, sich die erfolgreichen Spiele vor dem Nordderby ins Gedächtnis zu holen. St. Pauli hat sich nach gut einem Drittel der Saison in der Spitzengruppe festgesetzt. Mit etwas Glück könnte das Kauczinski-Team am Sonntag zumindest für eine Nacht zum Spitzenreiter werden. „Wir haben letzte Woche etwas liegen gelassen und jetzt etwas gutzumachen. Und das gegen eine Mannschaft, die es im Moment nicht gerade einfach hat.“
Atmosphäre rund um Arminia Bielefeld hochexplosiv
In der Tat ist die Atmosphäre rund um Arminia Bielefeld in diesen Tagen hochexplosiv. Fünf Niederlagen in Folge in der Liga, dazu das desolate 0:3 im DFB-Pokal am vergangenen Mittwoch gegen den Zweitligavorletzten MSV Duisburg. Bei einer Niederlage gegen St. Pauli droht Trainer Jeff Saibene (50) das Aus bei den Ostwestfalen. „Das war für die Fans nicht zumutbar. Ich wäre in der Halbzeit gefahren. Bei uns muss sich jeder hinterfragen“, ärgerte sich Stürmer Fabian Klos nach dem Duisburg-Spiel. Noch drastischer brachte Abwehrspieler Julian Börner die aktuelle Gemengelage beim Traditionsverein auf den Punkt: „Wir müssen unsere Eier wieder aufs Spielfeld bringen, bei uns fehlt der Wille.“
Es sind die typischen Alarmsignale einer Mannschaft, die sich tief in einer sportlichen Krise befindet und deshalb besonders unberechenbar ist. „Wir müssen das richtig einordnen. Bielefeld ist fußballerisch vielleicht nicht so gut wie Kiel, aber wenn wir nur drei Prozent nachlassen, weil der Gegner keinen guten Lauf hat, dann verlieren wir“, warnte Kapitän Johannes Flum und gab die Marschroute vor: „Wir werden die Arminia nicht spielerisch an die Wand klatschen. Es ist immer unangenehm, auf der Alm zu spielen. Das wird ein richtig ekliges Spiel.“
Arminia Bielefeld: Klewin – Clauss, Behrendt, Börner, Hartherz – Seufert, Prietl – Edmundsson, Massimo – Klos, Voglsammer. FC St. Pauli: Himmelmann – Dudziak, Ziereis, Avevor, Buballa – Knoll, Flum – Miyaichi, Möller Daehli, Neudecker – Allagui. Schiedsrichter: Kempkes (Thür).