Hamburg/Tryon. Hamburgerin Kristina Boe feiert WM-Sieg im Voltigieren, Amazone Simone Blum bleibt im Springreiten fehlerfrei.
Den krönenden Abschluss der Weltreiterspiele im US-amerikanischen Tryon wollte auch Kristina Boe nicht verpassen: Die Koffer standen für den Rückflug bereit, die gewonnenen zwei Goldmedaillen hatte die Hamburgerin verpackt. Nur von ihrem Erfolgspferd Don de la Mar wollte sich die 30-Jährige noch schnell verabschieden, besuchte den Wallach im Stall, ehe sie sich auf den Weg zum Finale der Springreiter in die benachbarte Arena machte, wo Simone Blum nach fünf fehlerfreien Ritten im Springreiten triumphierte.
„Wir fliegen am Sonntag zurück nach München und dann weiter nach Hamburg. Der Pferdetransport ist dann einen Tag später“, erzählt Boe, neue Doppelweltmeisterin im Voltigieren. Am Sonnabend behielt die große Favoritin in der Kür „die Nerven“, wie sie sagt, und gewann nach dem WM-Titel mit der Mannschaft im Nationenpreis auch die Einzelwertung. Die Pferdesportlerin gewann nach vier Prüfungen knapp mit 8,388 Punkten vor Janika Derks (Neuss/8,374) auf Carousso Hit und der Österreicherin Lisa Wild (8,363) auf Fairytale.
„Ich wollte noch einmal eine Runde abliefern, bei der alles klappt. Das ist uns, glaube ich, gelungen“, sagt die gebürtige Husumerin Boe, die seit Teenagertagen für den Reit- und Fahrverein Kirchwärder antritt. Es ist der erste Weltmeistertitel für eine deutsche Einzelvoltigiererin nach zehn Jahren und für die Orthopädie- und Unfallchirurgin die Krönung einer herausragenden Saison. Die EM hatte sie im vergangenen Jahr gewonnen, dazu in diesem Jahr beim Weltcupfinale in Dortmund und beim CHIO in Aachen Publikum und Wertungsrichter begeistert.
Nur einen Wackler im Sprung
„Auf diesen Titel habe ich vier Jahre lang hingearbeitet“, sagt Boe, die in ihrer Finalkür die britische Primatenforscherin Jane Goodall verkörpert. Mit lautem Affengebrüll zieht Boe mit Longenführer Winnie Schlüter in die Halle. „Ich schlüpfe während einer Kür komplett in den Charakter“, sagt sie. Eine TV-Dokumentation hat sie vor der WM-Saison auf die Idee ihres Themas gebracht. „Beim Voltigieren ist es wie beim Eiskunstlauf auch immer eine Mischung aus dem Turnelementen auf dem Pferderücken, der Choreografie und des Schauspiels.“ Einziger Unterschied, sagt sie: „Der Partner, in meinem Fall das Pferd, muss mitspielen.“
Und das tat der 17 Jahre alte Wallach. Nur einen Wackler im Sprung habe sie gehabt – „ein Schreckmoment“. Die Rolle der großen Favortin habe ihr nicht geschadet. „Ich habe den Druck in etwas Positives umgewandelt.“ Wie es für sie und Don de la Mar nach dem WM-Titel weitergeht, „darüber mache ich mir jetzt Gedanken“. Insgesamt werde es immer schwieriger, ihren Leistungssport und ihren Beruf in der Eilbeker Schön Klinik miteinander zu vereinbaren. „Ich sage immer, ich will in Bestform abtreten und Don auch“, sagt Boe. Mit 17 Jahren sei ihr Pferd nicht mehr das jüngste.
Bei den Männern gewann ihr Vereinskollege Jannik Heiland (Wulfsen/Kirchwärder/8,606) auf Dark Beluga Silber im Einzel, nur der Franzose Lambert Leclezio auf Poivre Vert (8,744) war besser. Insgesamt erreichten die deutschen Voltigierer sieben Medaillen.
Gold im Springreiten für Blum
Ein Märchen erfüllte sich zum WM-Abschluss auch für Amazone Simone Blum, die sich nach Gold im Springreiten mit ihrer Stute Alice „wie im Wunderland“ fühlte. „Dass das geklappt hat, ist ein absoluter Traum“, sagt sie nach dem ersten Titel für Deutschland seit Franke Sloothaaks Triumph mit Weihaiwej 1994 in Den Haag. Als erste Frau überhaupt holte Blum Gold im Parcours bei den seit 1990 ausgetragenen Weltreiterspielen. Als Nummer 142 der Weltrangliste war die 29-Jährige in North Carolina an den Start gegangen, doch niemand konnte ihr dort das Wasser reichen. Sie siegte vor den beiden Schweizern Martin Fuchs auf Clooney und London-Olympiasieger Steve Guerdat mit Bianca.
Durch Blums Titel und Bronze im Nationenpreis wiesen die deutschen Springreiter eine starke, weil nicht für möglich gehaltene Bilanz in Tryon auf. „Wir haben uns in allen Disziplinen für Olympia 2020 qualifiziert, das war das wichtigste Ziel“, bilanziert Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Reiterlichen Vereinigung (FN). Im Medaillenspiegel lag Deutschland vorne. Die Bilanz der gesamten WM „bleibt durchwachsen“, so Lauterbach. Vor allem in der ersten Woche litt die Veranstaltung aus Angst vor mögliche Folgen des Hurrikans „Florence“ unter einem Organisations-Chaos und unter Baustellen auf dem noch immer nicht fertiggestellten Gelände.