Tryon. Rekordweltmeisterin gewinnt auch Grand Prix Special. Zuvor hatte sie eine Hiobsbotschaft erreicht. Skandal beim Distanzreiten.
Schon während ihrer zweiten Machtdemonstration konnte Isabell Werth ihr Lächeln nicht zurückhalten, der WM-Titel im Grand Prix Special war ihr lange vor der Schlusslinie nicht mehr zu nehmen: Die sechsmalige Olympiasiegerin und ihre Wunderstute Bella Rose sind bei den Weltreiterspielen das unangefochtene Traumduo der Dressur. Einen Tag nach Team-Gold holte die erfolgreichste Reiterin der Geschichte in Tryon (USA) ihren insgesamt neunten WM-Titel. Auch in der Kür am Sonntag führt der Weg zu Gold nur über Werth und Bella Rose.
Der große Verlierer hieß Sönke Rothenberger. Der 23-Jährige war nach Tryon gefahren, um den Dressur-Thron zu erobern. Mit seinem Wallach Cosmo unterliefen ihm im Special aber zu viele Fehler, vor allem in den Einerwechseln und Piaffen war das Duo schwach. Die 81,277 Punkte reichten hinter US-Reiterin Laura Graves auf Verdades (81,717) und der dreimaligen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin (Großbritannien/81,489) auf Freestyle nur zum enttäuschenden vierten Rang.
Auch für Dorothee Schneider und Jessica von Bredow-Werndl war der Special nicht nach Wunsch verlaufen. Team-Olympiasiegerin Schneider erreichte auf ihrem Wallach Sammy Davis jr. mit 75,608 Punkten immerhin die Kür der besten 15 Paare am Sonntag. Die 49-Jährige zeigte sich „sehr happy mit der Runde“, beim Ergebnis hätte sie sich aber „vielleicht etwas mehr gewünscht“.
Größer war die Enttäuschung bei von Bredow-Werndl, denn ihre WM ist schon vorbei. Die 32-Jährige kam mit ihrer Stute Dalera nur auf 73,875 Punkte – da sie ohnehin nicht die Top 15 erreichte, fiel es gar nicht ins Gewicht, dass in der abschließenden Kür ohnehin nur drei Reiter pro Nation starten dürfen. „Natürlich würde ich voll gerne Kür reiten“, sagte sie und erklärte: „Heute hat die Kraft nicht gereicht.“
Mäzenin Winter-Schulze nach Sturz in Klinik
Dabei hatte Werth am Vorabend einen Schock zu verdauen. Direkt nach dem Gewinn der Goldmedaille im Teamwettbewerb musste ihre Mäzenin Madeleine Winter-Schulze (77) ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) war Winter-Schulze, unter anderem Besitzerin von Werths Traumpferd Bella Rose, in den Stallungen gestürzt und hatte dabei einen Oberschenkelhalsbruch erlitten. Sie wurde noch am Freitag in Spartanburg (Bundesstaat South Carolina) operiert.
Madeleine Winter-Schulze ist eine der herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Reiterei. In den 50er-, 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war „MWS“ deutsche Meisterin in der Dressur und im Springreiten der Amazonen und ist mittlerweile über die Grenzen hinweg als Mäzenin der Topreiter Isabell Werth, Ingrid Klimke und Ludger Beerbaum bekannt.
Winter-Schulze gehören etwa 50 hochklassige Sportpferde, neben Bella Rose auch Weihegold und Chiara, die beiden Olympiapferde von Werth und Beerbaum. In der Vergangenheit Winter-Schulze unvergessene Vierbeiner wie Goldfever, Coupe de Coeur, Satchmo oder Warum nicht.
Vielseitgkeitsteam führt nach Dressur
Voll auf Medaillenkurs sind auch die Vielseitigkeitsreiter nach der ersten von drei Disziplinen. Europameisterin Ingrid Klimke zeigte auf Hale Bob am Freitag eine starke Vorstellung in der Dressur und kam auf 23,3 Punkten. „Ich bin total happy, weil Bobby total relaxed war“, sagte die 50-Jährige.
Noch besser war auf dem Viereck nur Julia Krajewski unterwegs, die auf Chipmunk am Vortag mit 19,9 Punkten geglänzt hatte. Damit untermauerte das Team des Titelverteidigers auch seine Medaillenambitionen in der Nationenwertung, dort liegt die deutsche Equipe (73,40) vor Großbritannien (80,8) und den USA (83,0).
Andreas Dibowski zeigte mit seiner Stute Corrida eine solide Leistung und kam auf 30,3 Punkte. Schon am Donnerstag hatte Startreiter Kai Rüder mit Colani Sunrise 30,2 Punkte erreicht. Weltmeisterin Sandra Auffarth, die auf Viamant du Matz nur in der Einzelwertung startet, kam auf 30,6 Punkte.
Am Sonnabend folgt der Geländeritt (17 Uhr MESZ), die Entscheidung im Einzel und im Team fällt am Sonntag im Springen (21.15 Uhr MESZ).
Desaströser Distanzritt: 53 von 95 Pferden in Tierklinik
Für die bislang schwärzeste Nachricht der WM sorgte der am Mittwoch abgebrochene Distanzritt. Wie Veterinärdirektor Göran Akerström vom Weltverband FEI am Freitag mitteilte, musste ein Pferd aufgrund von Nierenproblemen eingeschläfert werden. Informationen, um welches Pferd es sich handelt, gab die FEI zunächst nicht bekannt.
Große Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit hatten die Veranstalter am Mittwoch zum Abbruch veranlasst. Nun gab die FEI die erschreckenden Zahlen bekannt, dass von den 95 gestarteten Pferden 53 nach dem Abbruch in einer Tierklinik behandelt werden mussten.
Eine Sorge weniger hat der deutsche Verband, denn die letzten WM-Pferde sind rechtzeitig vor dem großen Sturm in Tryon angekommen. „Sie sind jetzt in der Quarantäne“, sagte Soenke Lauterbach, Generalsekretär der FN. Das Zentrum des Hurrikans „Florence“ stieß am Freitagmorgen an der Küste von North Carolina auf Land. Der WM-Ort liegt etwa 350 Kilometer landeinwärts.