Leichtgewichts-Ruderer Lars Wichert musste daraufhin seinen Biorhythmus umstellen. Er hofft dennoch, erholt ins Finale zu gehen.
Glasgow. Sein Rennen startete, wie es endete – mit einem Lachen. Und dennoch hatte Lars Wichert bei den European Championships in Glasgow einen Tag der Gegensätze erlebt. Das erste Lachen des Hamburger Ruderers entstand aus einer Mischung aus Verzweiflung und Verblüffung. Um 10.18 Uhr Ortszeit hatte der 31-Jährige in sein Halbfinale im Leichtgewichts-Einer starten sollen. Doch weil die Startschuhe, die die Boote auf ihrem Weg auf die 2000-Meter-Strecke optimal ausrichten, beim Start nicht wie gewohnt nachgaben, fuhren Wichert und vier seiner fünf Konkurrenten auf die aus Hartplastik bestehende Vorrichtung auf.
„Es fühlte sich sofort an, als sei etwas kaputt gegangen, und auch das Geräusch, das entstand, sprach dafür“, sagte Wichert, als er mehr als drei Stunden als ursprünglich geplant nach seinem Rennen im Zielbereich stand. Tatsächlich waren alle fünf Boote dermaßen beschädigt worden, dass der Rennstart auf 13.30 Uhr verschoben werden musste. „Bei meinem Boot waren der Lack und die komplette erste Schicht der Bootshaut bis auf die Waben abgeschabt, meine Konkurrenten hatten ähnliche Probleme“, schilderte Wichert die Unfallfolgen, die das Eindringen von Wasser befürchten ließen. Dank des schnellen Eingreifens der Bootsmeister konnten jedoch alle Boote wieder so gut hergestellt werden, dass sie renntauglich waren.
Für die Athleten bedeutete die Zwangspause eine Umstellung des Biorhythmus. Nicht nur, dass die Anspannung zunächst ab- und dann wieder aufgebaut werden musste. Auch die Zufuhr von Flüssigkeit und Kohlehydraten musste geplant werden, schließlich gilt es für Leichtgewichtsruderer, das Gewichtslimit von 72,5 Kilogramm nicht zu überschreiten. Zwar musste für den Neustart nicht nachgewogen werden, die Finalteilnehmer am Sonntag müssen jedoch vor dem Rennen das Limit erneut bringen. „Das heißt, dass ich nicht unkontrolliert essen und trinken konnte, sondern mir die Rationen genau abmessen musste“, sagte Wichert, der zwei Energieriegel und 800 Milliliter Elektrolytgetränk zu sich nahm.
Wichert strebt eine Medaille an
Die Mischung passte: Im Rennen setzte er sich gemeinsam mit den Topfavoriten Michael Schmid (Schweiz) und Martino Goretti (Italien) vom Rest des Feldes ab, hatte nach 1000 Metern schon einen solchen Vorsprung auf das Verfolgertrio herausgefahren, dass er Kraft sparen konnte, ohne den dritten Platz und damit die Qualifikation für das Finale am Sonntag (12.15 Uhr MEZ) zu gefährden. Letztlich erreichte Wichert in 7:01,96 Minuten hinter Schmid (6:57,06) und Goretti (7:00,26) das Ziel. Im ersten Halbfinale hatten sich der Brite Samuel Mottram (7:08,45), der Ungar Peter Golombos (7:09,88) und der Kroate Luka Radonic (7:11,44) qualifiziert.
Und so konnte der gebürtige Berliner im Zielbereich befreit lachen. „Ich bin letztlich zufrieden mit dem Tag. Ich habe nicht alles geben müssen, so dass die drei verlorenen Stunden Regenerationszeit keine Rolle spielen dürften. Ich werde im Finale alles raushauen, was geht, dann hoffe ich, dass es zu einer Medaille reicht“, sagte der WM-Fünfte von 2017. Größte Konkurrenten im Kampf um Edelmetall sind Schmid, Goretti und Mottram.
Die ausgefallene Starthilfe wurde, um die Übertragungszeiten im Fernsehen nicht zu gefährden, für den Rest des Wettkampftags nicht mehr genutzt, die Boote wurden klassisch per Hand ausgerichtet. Daran jedoch lag es nicht, dass der Vierer der Frauen mit Sophie Oksche (Ingolstadt), Frauke Hacker (Rostock), Ida Kruse (Münster) und Alexandra Höffgen (Neuss) als einziges deutsches Boot in den neun Finalrennen des Sonnabends über den sechsten und letzten Platz nicht hinauskam. Am Sonntag liegen die größten deutschen Medaillenhoffnungen auf dem Achter mit dem Hamburger Torben Johannesen (23/Favorite Hammonia), der um 13.45 Uhr MEZ an den Start geht.