Glasgow. Richard Schmidt sitzt seit zehn Jahren im Flaggschiff des deutschen Rudersports. In Glasgow will er seinen siebten Titel gewinnen.
Ein Mann der lauten Worte ist Uwe Bender (58) nun wahrlich nicht. Aber wenn der Ruder-Bundestrainer einmal anfängt, über Richard Schmidt zu erzählen, dann gerät er ins Schwärmen. „Richard ist ein Ausnahmesportler“, sagt Bender. „Kein anderer hat so viel Erfahrung im Achter wie er. Er ist unser Leitwolf und ein Vorbild für alle.“
Wenn der so hochgelobte Schmidt am Sonntagnachmittag (13.45 Uhr/ZDF) bei den European Championships in Glasgow mit dem Deutschlandachter zum EM-Endlauf antritt, feiert er sein zehnjähriges Jubiläum im Flaggschiff des Deutschen Ruder-Verbandes. Das ist nicht nur einzigartig in Deutschland, das hat es weltweit noch nicht gegeben.
Die Medaillensammlung des 31-Jährigen ist immens: Gold (2012) und Silber (2016) bei Olympischen Sommerspielen, dreimal Weltmeister, dreimal WM-Zweiter, sechsmal Europameister. In der Ruderszene ist Schmidt ein Star, weil die Kenner des Sports seine einzigartige Konsequenz bewundern. Den Sitz im Deutschlandachter bekommt man schließlich nicht geschenkt. Auch ein Richard Schmidt nicht.
Erbitterter Konkurrenzkampf
Jahr für Jahr stellte er sich dem erbitterten Konkurrenzkampf. Jeder Riemenruderer in Deutschland hat nur ein Ziel: Er will in den Achter. Jahr für Jahr quälte sich der gebürtige Trierer, der seit einem Jahrzehnt im Ruhrgebiet lebt, im Kraftraum, legte Tausende Kilometer im Boot zurück – und belohnte sich jedes Mal mit der Nominierung.
„Der Deutschlandachter ist ein Mythos. Man verbindet damit Erfolg, im besten Fall Gold“, sagt Schmidt, „es ist aber auch ein knochenharter Job.“ Wer diesen Job erledigt, darf nicht mit Reichtümern rechnen. Und wirklich berühmt wird man auch dann nicht, wenn man wie Schmidt so viele Titel gewonnen hat. „Den Achter kennt man, aber wer im Boot sitzt, das wissen nur die Fachleute“, sagt Schmidt. „Ich mache das aber nicht für andere. Mir macht es einfach Spaß, mit einem Team gemeinsam etwas zu erarbeiten. Es wäre sicher ganz cool, mal wie ein Thomas Müller erkannt zu werden, doch auf Dauer stelle ich mir das anstrengend vor.“
Wenn Schmidt über seinen Sport erzählt, reibt er sich unbewusst über die Handinnenflächen. Rudern hinterlässt seine Spuren. Wer sich so in die Riemen legt, hat Schwielen wie ein Bauarbeiter. „Man gewöhnt sich dran“, sagt er. „Ganz schlimm ist es nach dem Urlaub. Dann hat sich die Haut erholt, aber wehe, das erste Training ist rum. Mein Rekord sind 29 Blasen an einer Hand.“
Knallharte Auslese
So phänomenal es eh schon ist, dass Schmidt seit zehn Jahren die knallharte Auslese für den Achter mit Auszeichnung besteht, so erstaunlich ist es, dass er erst sein Studium zum Wirtschaftsingenieur gemeistert hat und dank der Wilo-Stiftung per Stipendium an seiner Promotion arbeitet. Jetzt in der Vorbereitung auf die EM sah ein typischer Tag so aus: 6 Uhr Wecken, 7 Uhr erste Wassereinheit, 11 Uhr zweite Wassereinheit, 13 bis 17 Uhr Arbeit in der Uni, 18 Uhr Krafttraining. „Man muss ein Meister im Zeitmanagement sein“, sagt er.
Und weil das alles noch nicht reicht, sitzt Schmidt in der Athletenkommission der Welt-Anti-Doping-Agentur und ist Aktivensprecher der deutschen Ruderer. Die EM in Glasgow ist für ihn nur ein Schritt auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Dort will er ein zweites Mal Olympiasieger werden. Ist danach denn Schluss? „Ich denke, es wird wohl das Ende sein“, antwortet er.