Hamburg. Einer der besten deutschen Beachvolleyballer hört auf und sucht jetzt einen Job als Wirtschaftsingenieur.
Treffpunkt Café Cliff an der Außenalster. Beim Blick auf die Speisekarte huscht ein mildes Lächeln über Markus Böckermanns Gesicht. „Ích kann jetzt wieder essen, was ich will, und das ganz ohne schlechtes Gewissen“, sagt er – und bestellt Pizza Sardegna und Cola. Für einen der besten deutschen Beachvolleyballer, zweimaliger deutscher Meister (2013, 2016) und Olympiateilnehmer 2016 in Rio de Janeiro, fängt ein neues Leben an. Böckermann hat sich entschlossen, seine erfolgreiche Strandkarriere zu beenden und auf Jobsuche zu gehen.
T-Shirt, Sporthose und Trainingsanzug hat er bereits im Kleiderschrank gelassen, der 32 Jahre alte Familienvater, Sohn Karl Johann ist zehneinhalb Monate alt, erscheint sportlich elegant, blauer Blazer, Oberhemd, blau-graue Hose, schwarze Schuhe. „Möglichst bis Anfang kommenden Jahres möchte ich eine Stelle gefunden haben“, sagt Böckermann, der noch bis Ende Dezember als Sportsoldat von der Bundeswehr besoldet wird.
Musterbeispiel für eine duale Karriere
Der Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP) am Dulsbergbad hilft ihm bei der Arbeitssuche genauso wie der im Leistungssport engagierte Hamburger Unternehmer Tom Heinkel (PUSH-Sport e. V.). „Wir unterstützen unsere Athleten nicht nur während ihrer sportlichen Laufbahn, sondern selbstverständlich auch beim Übergang ins Berufsleben. Das ist Teil unseres Services, auch dafür stehen unsere Partner zur Verfügung“, sagt OSP-Leiterin Ingrid Unkelbach.
Böckermann ist ein Musterbeispiel für eine duale Karriere, wie sie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gern propagiert. Neben seiner sportlichen Laufbahn machte er an der Fachhochschule Kiel seinen Bachelor in Maschinenbau, anschließend an der TU Harburg seinen Master im internationalen Wirtschaftsingenieurwesen. Projektmanagement schwebt ihm als Berufswunsch vor, Teamfähigkeit und Teamführung bringe er als Beachvolleyballer quasi als Berufserfahrung ein. „Wir waren in den vergangenen Jahren mit Trainern, Physiotherapeuten und unserem Mentalcoach eine Gruppe von acht Leuten“, sagt Böckermann, da hätte es stets einiges zu organisieren gegeben. Rund 200 Tage im Jahr war er für Beachvolleyball weltweit unterwegs.
Niveau nicht wie bei den Frauen
Böckermanns Rückzug führt zu einem Revirement der deutschen Beachvolleyball-Männernationalteams, die am Bundesstützpunkt am Alten Teichweg trainieren. Sein bisheriger Partner und Freund Lars Flüggen (28/HSV) wird künftig mit dem gebürtigen Berliner Nils Ehlers (24/ebenfalls HSV) auf Tour gehen. Beim mit 600.000 Dollar hoch dotierten Majorturnier Anfang August in Wien wollen die beiden das erste Mal gemeinsam aufschlagen.
Leidtragender dabei ist erneut der Kieler Lorenz Schümann (26). Im vergangenen Jahr verlor er seinen Partner Julius Thole (21) an Clemens Wickler (23/beide Eimsbütteler TV), jetzt muss er Ehlers an Flüggen abtreten. Der Deutsche Volleyballverband (DVV) reduziert zudem seine Männernationalteams von vier auf drei. Schümann ist nicht mehr dabei. Nummer eins, weil als Weltranglisten-24. das derzeit beste deutsche Duo, sind Thole/Wickler, dann folgen Ehlers/Flüggen sowie Philipp Arne Bergemann (27) und Yannick Harms (24) vom TC Hameln.
„Im Männerbereich haben wir momentan nicht das hohe Niveau wie bei den Frauen“, sagt der neue Beachvolleyball-Sportdirektor, der Hamburger Niclas Hildebrand. „Nach dem Olympiasieg von Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 in London, da müssen wir ehrlich sein, hat der Verband die Entwicklung etwas verschlafen. Es wäre schön, wenn wir 2020 bei den Sommerspielen in Tokio wieder mit zwei Teams antreten können, aber realistisch gesehen orientieren wir uns besser Richtung Paris 2024.“
„Härtestes Unterfangen in unserer Karriere“
Böckermann/Flüggen hatten 2016 den DVV als einziges deutsche Team bei Olympia vertreten. Die Qualifikation für Rio, sagt Böckermann, „war das härteste Unterfangen in unserer Karriere. Niemand hatte uns zugetraut, dass wir das schaffen.“ An der Copacabana fehlte beiden dann die Kraft, um wenigstens ein Spiel zu gewinnen.
Welch Potenzial in ihnen steckt, bewiesen sie nicht zuletzt vor einem Jahr mit ihrem Sieg beim Grand-Slam-Turnier im polnischen Olsztyn, als sie die versammelte Weltelite abblockten. Verletzungen warfen das Team aber immer wieder zurück, zurzeit kurieren beide Fingerbrüche aus. „Meine Leidenschaft für Beachvolleyball ist ungebrochen, aber der Drang, ins Berufsleben einzusteigen, war auch noch nie so stark“, begründet Markus Böckermann seine Entscheidung. Beachvolleyball will er weiter spielen, als Hobby. Einen Partner dafür wird er sich jetzt suchen.